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Vor 80 Jahren: Ehem. Häftlinge im KZ Sachsenhausen erschossen

11. Oktober 2024

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934-1939 (Folge 16).

Vor achtzig Jahren, am 11. Oktober 1944, wurden vierundzwanzig deutsche und drei französische Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen von der SS erschossen, weil sie in jenem KZ Widerstand gegen das NS-Regime gewagt hatten. Unter diesen Opfern befanden sich zwei ehemalige Häftlinge der Strafanstalt Herford.

Beide mussten in Herford aus politischen Gründen ihre von NS-Richtern verhängten Strafen verbüßen. Während Ludwig Zollikofer im Herforder Zellengefängnis eingesperrt war, musste Friedrich Büker seine Haftstrafe im Zuchthaus Herford verbüßen. Auf sein Verfolgungsschicksal soll im Folgenden näher eingegangen werden.

Widerstandsgruppe

Der Klempnermeister und Installateur Friedrich Büker, der am 15. November 1900 in Heidenoldendorf bei Detmold geboren wurde und dort auch wohnhaft war, leistete nach dem 30. Januar 1933 Widerstand gegen das NS-Regime. Karl Schabrod geht in seinem 1969 veröffentlichten Buch “Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945” näher auf die Widerstandsgruppe ein, zu der auch Friedrich Büker gehörte: “Eine Widerstandsgruppe in Bielefeld und im Lipper Land, die von Rudi Larsch angeleitet wurde und zu der auch der spätere Bürgermeister von Meinberg, Wilhelm Jäger, gehörte, hatte die ‘Lippische Rote Post’ herausgegeben, und zwar in einer Auflage von 135 Exemplaren. Im September 1933 gaben sie ein Flugblatt ‘Unsterbliche Opfer’ heraus. Die Auflage betrug 300 Stück. Außerdem hatten sie noch die Zeitung ‘Rote Fahne’ vertrieben. Bei den zahlreichen Haussuchungen, die erfolgten, wurde Sprengstoff gefunden und 127 Schuß Munition. […]”

Nach Herford überführt

Diese Widerstandsgruppe wurde nach einiger Zeit von den Nationalsozialisten zerschlagen; wann Friedrich Büker festgenommen wurde, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. In einem Massenprozess mit insgesamt 67 Angeklagten (Prozess Beutner und andere; Aktenzeichen: O. J. 64/34) wurden am 13. September 1934 insgesamt 89 Jahre und vier Monate Strafhaft verhängt. Friedrich Büker selbst wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seine Strafe musste er ab dem 10. November 1934 im Zuchthaus Herford verbüßen, das gerade von einem Zellengefängnis in ein Zuchthaus umgewandelt worden war. Vom Zuchthaus Herford wurde er am 27. September 1935 aufgrund einer Namensverwechslung irrtümlich in das Gefängnis Düsseldorf-Derendorf eingeliefert; am 7. Oktober 1935 wurde er von dort wieder nach Herford überführt.

Die Verwaltung des Zuchthauses Herford wandte sich in diesem Zusammenhang mit einem Schreiben vom 30. September 1935 an das Gefängnis Düsseldorf-Derendorf: “Friedrich Büker ist irrtümlicherweise nach dort überführt. Ich bitte seine Zurückführung im Sammeltransportwege nach hier veranlassen zu wollen. Friedrich Bäcker, dessen Personalakten bereits dort sind, wird am Freitag, den 4.10.35. (sic!) im Sammeltransportwege zwecks Unfruchtbarmachung nach dort überführt.” Wie lange Büker im Zuchthaus Herford inhaftiert war, ließ sich bisher noch nicht ermitteln; es ist aber zu vermuten, dass er nach Verbüßung seiner Strafe im Jahre 1936 (?) nach Hause entlassen wurde. Einige Zeit später wurde er erneut wegen Widerstandes gegen das NS-Regime festgenommen und abgeurteilt; näheres ist hierüber jedoch noch nicht bekannt. Seiner im Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Hannover, archivierten Gefangenenpersonalakte zufolge war Büker am 1. Januar 1939 in das Strafgefangenenlager Börgermoor eingeliefert worden; die Akte notiert seine Rückverlegung ins Zuchthaus Celle am 6. September 1940, weil er “gemäß der RV. des Herrn RMdJ vom 28.05.1940 – 4533 III s1 857 – betr. Straffvollzug (sic!) an Hoch- und Landesverrätern wegen seiner Straftat für den Lagervollzug nicht geeignet” war. Friedrich Büker, der während des “Dritten Reiches” noch in den Strafanstalten Detmold, Bielefeld, Münster, Hameln, Kassel und Brual-Rhede inhaftiert war, wurde am 18. Oktober 1941 in das nördlich von Berlin gelegene Konzentrationslager Sachsenhausen in der Stadt Oranienburg eingeliefert, wo er als “Schutzhäftling” mit der Häftlingsnummer 39728 im Häftlingsblock 37 untergebracht wurde. Ludger Zollikofer hingegen war bereits am 10. September 1939, also zehn Tage nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, in dieses KZ verschleppt worden und hatte dort die Häftlingsnummern 8016 und 12162 erhalten.

Denkmal

Aber Büker und Zollikofer, die zu einer Widerstandsorganisation im KZ Sachsenhausen gehörten, arbeiteten weiterhin gegen das NS-Regime. Diese Aktivitäten blieben jedoch der Lagerführung von Sachsenhausen nicht verborgen, wie einem Beitrag anlässlich der Einweihung eines Denkmals am 12. Oktober 2014 für die 27 ermordeten Widerstandskämpfer zu entnehmen ist: “Am 27. März 1944 entdeckte die SS im KZ Sachsenhausen eine Rundfunk-Abhörstelle sowie im Lager hergestellte Flugblätter. Hierauf begann eine Sonderabteilung des Reichssicherheitshauptamtes mit ihren Untersuchungen, um die internationale Widerstandsorganisation im Lager zu zerschlagen. Trotz mehrmonatiger Ermittlungen und des Einsatzes zahlreicher Spitzel gelang der Kommission aber nur der Nachweis, dass deutsche Kommunisten eine Solidaritätsaktion unter den Häftlingen durchgeführt hatten. Nach Abschluss der Untersuchungen ermordete die SS am Abend des 11. Oktober 1944 in der ‘Station Z’ vierundzwanzig deutsche und drei französische Häftlinge. 102 weitere Häftlinge wurden am 20. Oktober in das KZ Mauthausen abgeschoben.” Zu den am 11. Oktober 1944 Erschossenen gehörten auch Wilhelm Ludger Zollikofer und Friedrich Büker.

Insgesamt waren im KZ Sachsenhausen in den Jahren 1936 bis 1945 “etwa 200 000 Häftlinge aus annähernd 40 Nationen eingesperrt: politisch und rassisch Verfolgte, darunter viele Angehörige des Widerstands, Juden (vor allem 1938–42 und 1944/45), Sinti und Roma, Kriegsgefangene, Homosexuelle, sogenannte „Arbeitsscheue“ und sogenannte „Berufs-, Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher“ . Zehntausende überlebten das Lager nicht. Sie erlagen den schlimmen Haftbedingungen, Hunger, Kälte, Krankheiten, Arbeitshetze, wurden exekutiert, bei medizinischen Versuchen ermordet oder auf den “Todesmärschen” bei der Evakuierung des Lagers erschossen. Neben dem bereits erwähnten 2014 eingeweihten Denkmal gibt es auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen eine noch aus DDR-Zeiten stammende steinerne Gedenkplatte mit den Namen der 27 Ermordeten.

Armin Breidenbach

Quellen und Literatur

  • Arolsen Archives, Online-Archiv: verschiedene Dokumente
  • Endlich, Stefanie, Goldenbogen, Nora, Herlemann, Beatrix, Kahl, Monika und Scheer, Regina: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Bd. II, Bonn 1999, online einsehbar.
  • Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen (Archiv), Oranienburg: Schriftliche Auskunft vom 30.9.2024; Auskunft zu einem ehemaligen Häftling des KZ Sachsenhausen (Friedrich Büker) (Stand: 30.9.2024); Auskunft zu einem ehemaligen Häftling des KZ Sachsenhausen (Ludger Zollikofer) (Stand: 30.9.2024)
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Ostwestfalen-Lippe, Detmold: Schriftliche Auskunft vom 8.6.2021
  • Niedersächsisches Landesarchiv, Abteilung Hannover, Hannover: Schriftliche Auskunft vom 10.10.2024
  • Schabrod, Karl: Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945, Hrsg.: Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969
  • Schmidt, Ernst: Lichter in der Finsternis. Widerstand und Verfolgung in Essen 1933 – 1945. Erlebnisse – Berichte – Forschungen – Gespräche, Frankfurt/Main 1979
  • Wever, Dieter: Schriftliche Auskunft vom 9.6.2021
  • Widerstand in Lippe und Detmold. Ein Gespräch mit dem Stadtarchivar Dr. Andreas Ruppert, in: dietheaterzeitung, Ausgabe 16 vom Januar/Februar 2013, S. 5, online einsehbar.
  • KZ Sachsenhausen | Archiv der sozialen Demokratie | Totenbuch

  • Stolpersteine erinnern an ehem. Häftlinge des Zuchthauses – Folge 1
  • Über das Zuchthaus Herford ist bisher nur wenig bekannt – Folge 2
  • Widerstand gegen das NS-Regime führte zu hohen Zuchthausstrafen – Folge 3
  • Einlieferung von Häftlingen in das Zuchthaus Herford – Folge 4
  • Zeitungen im „Dritten Reich“ über Prozesse gegen Antifaschisten – Folge 5
  • Über Ort und Dauer der Inhaftierung keine Informationen – Folge 6
  • Der Direktor des Zuchthauses Herford: Dr. Josef Wüllner – Folge 7
  • Kommunistische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 8
  • Solinger Kommunisten als Strafgefangene im Zuchthaus Herford – Folge 9
  • Sozialdemokratische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 10
  • Sozialdemokrat Fritz Steinhoff im Zuchthaus Herford – Folge 11
  • Jüdische Widerstandskämpfer im Zuchthaus Herford (Teil I) – Folge 12
  • Jüdische Widerstandskämpfer im Zuchthaus Herford (Teil II) – Folge 13
  • Jüdische Widerstandskämpfer im Zuchthaus Herford (Teil III) – Folge 14
  • Jüdische Häftlinge im ehemaligen Zuchthaus Herford – Folge 15
  • Vor 80 Jahren: Ehem. Häftlinge im KZ Sachsenhausen erschossen – Folge 16
  • “Gewöhnliche” kriminelle Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 17
  • Ausländische und staatenlose Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 18

 

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