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Kommunistische Häftlinge im Zuchthaus Herford

29. Januar 2024

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934–1939 (Folge 8). Titelfoto: KPD Wahlplakat in den 50er Jahren (Foto: Imago).

Nach Leonore Ansorg sind mit dem Begriff des politischen Gefangenen „diejenigen Häftlinge erfasst, die von der NS-Justiz wegen politischer Straftaten verurteilt wurden. Dazu gehörten in den dreißiger Jahren als größte Gruppe die wegen Hochverrats Verurteilten, wofür im Strafgesetzbuch 1934 die Straftatbestände ausgeweitet und die Strafmaße erhöht worden waren. Hinzu kamen im Wesentlichen die nach dem Heimtückegesetz von 1934 sowie wegen Landesverrat und Spionage Verurteilten. Mit Beginn des Krieges erweiterte sich die Gruppe der politischen Gefangenen durch das neu geschaffene Gesetz über Rundfunkvergehen im September 1939 sowie die Vielzahl von Verurteilungen nach dem Straftatbestand der Wehrkraftzersetzung (1940) und öffentlicher Wehrkraftzersetzung (1943).

Dabei ist es in diesem Kontext unerheblich, ob die Motive des politischen Gefangenen tatsächlich aus einer bewussten Gegnerschaft zum Nationalsozialismus gespeist wurden. Entscheidend ist, dass der NS-Staat ihn als solchen definierte.“ Von allen politischen Gruppierungen wurden die Kommunisten, die im „Dritten Reich“ den umfangreichsten Widerstand gegen das NS-Regime leisteten, von den Nationalsozialisten am frühesten verfolgt. Neben tausenden Funktionären und Mitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die damals hingerichtet wurden, im Konzentrationslager, in Strafanstalten oder Bewährungsbataillonen umkamen, ist noch auf die etwa 150.000 Kommunisten und Kommunistinnen hinzuweisen, die in den Jahren 1933 bis 1945 mehr oder weniger lang in einer der zahlreichen Strafanstalten des Deutschen Reiches inhaftiert waren.

Aus dem Reichstags-Handbuch. V. Wahlperiode 1930

Politische Gefangene im Zuchtaus Herford

Wie verschiedene Quellen und auch „Stolpersteine gegen das Vergessen“ belegen (siehe Folge 1 dieser Artikelserie), waren in den Jahren 1934 bis 1939 auch im Zuchthaus Herford zahlreiche politische Gefangene inhaftiert. Wie viele von ihnen damals in Herford ihre Strafe verbüßen mussten, ist unbekannt, ebenso ihr Anteil an der Gesamtzahl der Häftlinge. Nach Dr. Josef Wüllner, dem damaligen Direktor des Zuchthauses Herford, waren dort allein im Zeitraum von November 1934, dem Zeitpunkt der Umwandlung dieser Strafanstalt in ein Zuchthaus, bis etwa Mitte 1936 insgesamt 1.500 politische Gefangene inhaftiert gewesen. Berücksichtigt werden müssten demnach noch sämtliche politischen Häftlinge, die im Zeitraum von etwa Mitte 1936 bis zur Umwandlung des Zuchthauses Herford in ein Jugendgefängnis im Juli 1939 in jene Strafanstalt eingeliefert wurden. Vor diesem Hintergrund ist zu vermuten, dass die Gesamtzahl der im Zeitraum von 1934 bis 1939 im Zuchthaus Herford inhaftierten politischen Gefangenen wesentlich höher lag.

Im Rahmen der Recherchen zu der Artikelserie über das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge konnten bisher 130 Personen ermittelt werden (Stand: 1. Oktober 2023), die aus unterschiedlichen Gründen in den Jahren 1934 bis 1939 in jener Strafanstalt inhaftiert waren; mindestens 30 von ihnen waren Mitglieder oder Anhänger der KPD oder deren Nebenorganisationen. Auf drei Kommunisten, die aufgrund ihres Widerstandes gegen das NS-Regime wegen Vorbereitung zum Hochverrat bzw. Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens verurteilt und in das Zuchthaus Herford eingeliefert worden waren, soll im Folgenden näher eingegangen werden.

Walter Frank

Zu den bekanntesten politischen Häftlingen des Zuchthauses Herford dürfte sicherlich der ehemalige KPD-Reichstagsabgeordnete Walter Frank (27.7.1895 – 20.1.1971) gehören, der bereits 1933/34 in „Schutzhaft“ gewesen war. Am 10. April 1937 wurde er vom II. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einer Zuchthausstrafe von 12 Jahren verurteilt; außerdem wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zehn Jahren aberkannt. Frank, der am 7. Juni 1937 vom Gerichtsgefängnis Hamm kommend in das Zuchthaus Münster eingeliefert worden war, wurde am 4. Oktober 1938 von dort in das Zuchthaus Herford überstellt. Am 20. Juni 1939, wenige Tage vor der Umwandlung des Zuchthauses Herford in ein Jugendgefängnis, wurde Walter Frank in das Zuchthaus Siegburg überführt, wo er bis zum 1. Mai 1945 inhaftiert war.

Willi Heinzemann

Der Wuppertaler KPD-Funktionär Willi Heinzemann, geboren am 14. Januar 1903 in Barmen und von Beruf Färber, war im April 1933 nach Hessen geflüchtet und lebte bis März 1934 in Süddeutschland in der Illegalität. Später war er wieder in Wuppertal wohnhaft, wo er am 25. März 1935 festgenommen wurde. Im Gefängnis Wuppertal-Bendahl befand er sich in Untersuchungshaft. Am 11. März 1936 wurde er vom III. Senat des Oberlandesgerichts Hamm im Verfahren gegen Kutschat, Bender und Genossen wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte er bis zum 25. März 1937 im Zuchthaus Herford. 1943 wurde er in Wuppertal ausgebombt und verzog deshalb nach Schlesien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnte Willi Heinzemann in Remscheid und wurde wieder Mitglied der KPD.

Arthur Hönemann

Artur Hönemann, der am 7. August 1893 in Solingen geboren wurde und später dort als selbständiger Schleifer arbeitete, gehörte der KPD an. Bereits 1933 war er von SA-Leuten überfallen und für einige Tage in einem SA-Heim und im Polizeigefängnis Solingen misshandelt und festgehalten worden. Bis Anfang 1937 war er an der Verbreitung von Flugschriften der illegalen KPD beteiligt. Am 4. März 1937 wurde er festgenommen und bei den anschließenden Verhören so stark misshandelt, dass er häufig ohne Bewusstsein in seiner Zelle lag. Am 8. Oktober 1937 wurde Hönemann vom III. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm im Prozess gegen Albert Teichert und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt (Aktenzeichen: 6 O.Js. 32/37). Anschließend wurde er vom Gerichtsgefängnis Hamm aus in das Zuchthaus Herford eingeliefert, wo er bis Weihnachten 1937 inhaftiert war. Danach wurde er zusammen mit anderen Häftlingen des Zuchthauses Herford mit dem Zug in ein Moorlager in Ostfriesland verlegt und von dort im Juli 1941 in das Zuchthaus Hameln. Nach Strafverbüßung sollte Hönemann in ein KZ eingewiesen werden, wegen seines schlechten Gesundheitszustandes wurde er aber aufgrund der Untersuchung eines Wuppertaler Polizeiarztes 1942 aus der Haft entlassen. Artur Hönemann, der 1945 als Angestellter des Ernährungsamtes in den Dienst der Stadt Solingen übernommen worden war, starb am 2. Januar 1968 in Solingen, wo seit einiger Zeit ein „Stolperstein gegen das Vergessen“ an ihn erinnert.

Armin Breidenbach


Quellen und Literatur

  • Albel, Ursula und Schott, Christian: Verfolgt, Angeklagt, Verurteilt. Politischer Widerstand und oppositionelles Verhalten in Wuppertal 1933-1945. Dokumentation biografischer Daten, Verfahren und Anklagen, Bocholt und Breedevoort 2001
  • Ansorg, Leonore: Politische Häftlinge im nationalsozialistischen Strafvollzug: Das Zuchthaus Brandenburg-Görden, Berlin 2015
  • Historisches Zentrum Remscheid: Wiedergutmachungsakte Nr. 9606 (Willi Heinzemann)
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Detmold: Schriftliche Mitteilung vom 24.7.2023
  • M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933 – 1945. Eine biographische Dokumentation. Mit einem Forschungsbericht zur Verfolgung deutscher und ausländischer Parlamentarier im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich, hrsg. von Martin Schumacher, 3. Aufl., Düsseldorf 1994
  • Nelles, Dieter: Die Familien politisch Verfolgter im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, in: Bildung, Gesellschaftstheorie und Soziale Arbeit, hrsg. von Rita Braches-Chyrek, Dieter Nelles, Gertrud Oelerich und Andreas Schaarschuch, Opladen, Berlin und Toronto 2013, S. 225 – 236
  • Reichstags-Handbuch. V. Wahlperiode 1930, hrsg. vom Bureau des Reichstags, Berlin 1930
  • Schulte, Armin: „Man soll mich nur nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen – Schicksale 1933 – 1945, hrsg. vom Stadtarchiv Solingen, Remscheid 2020

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  • .Stolpersteine erinnern an ehem. Häftlinge des Zuchthauses – Folge 1
  • Über das Zuchthaus Herford ist bisher nur wenig bekannt – Folge 2
  • Widerstand gegen das NS-Regime führte zu hohen Zuchthausstrafen – Folge 3
  • Einlieferung von Häftlingen in das Zuchthaus Herford – Folge 4
  • Zeitungen im „Dritten Reich“ über Prozesse gegen Antifaschisten – Folge 5
  • Über Ort und Dauer der Inhaftierung keine Informationen – Folge 6
  • Der Direktor des Zuchthauses Herford: Dr. Josef Wüllner – Folge 7
  • Kommunistische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 8
  • Solinger Kommunisten als Strafgefangene im Zuchthaus Herford – Folge 9
  • Sozialdemokratische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 10

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