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Jüdische Widerstandskämpfer im ehemaligen Zuchthaus Herford (I)

29. Juni 2024

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934 – 1939 (Folge 12).

Im Rahmen der Aufarbeitung der Geschichte des Zuchthauses Herford in den Jahren 1934 bis 1939 konnten bisher über 200 Häftlinge (Stand: 1. März 2024) ermittelt werden, die aus politischen oder anderen Gründen dort einsaßen. Unter diesen Strafgefangenen befanden sich nach derzeitigem Forschungsstand mindestens 32 jüdische Häftlinge, von denen 16 in einer auszugsweise im Online-Archiv der Arolsen Archives einsehbaren Häftlingspersonalakte genannt werden.

Diese Häftlingspersonalakte war für den jüdischen politischen Häftling Paul Bloch angelegt worden und enthält unter anderem kurze Hinweise auf jüdische politische Strafgefangene, die am 9. Juni 1936 zusammen mit Bloch im Zuchthaus Herford inhaftiert waren: Rafael Weiß, Richard Rosendahl, Ernst Ransenberg, Bernhard Schreier, Ludwig Hess, Ernst Hirsch, Markus Haber, Emanuel Roman, Siegfried Steineberg, Alfred Oppenheim, Alex Philipp, Moritz Brunner, Gottfried Ballin, Bernhard Hoffstadt und Alfred Schnog. Die Lebenswege der ermittelten jüdischen Herford-Häftlinge sollen in dieser Folge und den nächsten Folgen der Artikelserie über das Zuchthaus Herford skizziert werden. Zunächst soll jedoch in der vorliegenden Folge auf Paul Bloch und sechs weitere in der oben genannten Häftlingspersonalakte genannten jüdischen politischen Häftlinge näher eingegangen werden, die bis auf Paul Bloch alle Mitglieder einer illegalen Gruppe der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), einer linken Abspaltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, waren..

Im März 2010 ist in Herford die neue Synagoge eingeweiht worden. Der damalige NRW-Ministerpräsident Rüttgers würdigte den Synagogenbau als Zeichen des Vertrauens von Menschen jüdischen Glaubens in die Stabilität, Toleranz und Friedfertigkeit. Das im neogotischen Stil erbaute Gebäude wurde am Ort der früheren Synagoge aus dem Jahr 1851 erbaut. Fotos: Imago

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Paul Bloch

Dass die Häftlinge im „Dritten Reich“ häufig nicht nur in einer einzigen Strafanstalt ihre Strafe verbüßen mussten, sondern zum Teil eine regelrechte Odyssee über sich ergehen lassen mussten, lässt sich am Beispiel von Paul Bloch aufzeigen, der am 16. Oktober 1911 in Zürich geboren wurde und die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, wie seine 1950 vom Sonderstandesamt Arolsen ausgestellte Sterbeurkunde belegt. Er engagierte sich für die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und für die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO). Über ihn existiert eine im Internet veröffentlichte biographische Skizze, die als Haftorte Frankfurt-Preungesheim, Kassel und Gusen nennt; allerdings war Paul Bloch in weit mehr Strafanstalten und Lagern inhaftiert, wie Auszüge aus seiner oben erwähnten Häftlingspersonalakte belegen. Danach war der junge Frankfurter unter anderem auch in den Zuchthäusern Herford, Münster, Brandenburg-Görden, Werl und Celle und im Polizeigefängnis Frankfurt inhaftiert. Paul Blochs Häftlingspersonalakte enthält unter anderem vier Fotos, die ihn als Häftling zeigen, und einen Fragebogen „Lebenslauf des Strafgefangenen“, den er am 16. November 1935 im Zuchthaus Herford ausfüllen musste. Diesem lassen sich unter anderem folgende Lebensdaten entnehmen: Geboren am 16. Oktober 1911 in Zürich; wohnhaft in Frankfurt/Main; dort Tätigkeit als kaufmännischer Handlungsgehilfe (zunächst im Zeitungswesen, später in der Möbelbranche); israelitisches Religionsbekenntnis; vom 12. Mai 1933 bis zum 27. März 1934 aus politischen Gründen (nach eigenen Angaben wegen Vergehens gegen das Pressegesetz) inhaftiert. Nach einer anderen Quelle war Bloch nur bis zum 17. März 1934 im Strafgefängnis Frankfurt-Preungesheim inhaftiert.


Häftlingsnummer 9830

Den im Online-Archiv der Arolsen Archives einsehbaren Dokumenten über Paul Bloch lassen sich weitere Haftdaten entnehmen: Vom Gerichtsgefängnis Frankfurt aus wurde er am 19. Juli 1933 in das Strafgefängnis Frankfurt-Preungesheim eingeliefert. Bloch, der nach eigenen Angaben am 30. März 1935 erneut festgenommen worden war, wurde vom Gerichtsgefängnis Frankfurt aus am 17. August 1935 als Untersuchungshäftling in das Strafgefängnis Frankfurt-Preungesheim eingeliefert und von dort am 20. Oktober 1935 in das Gerichtsgefängnis Kassel überführt. Ihm wurden die zeitweise übernommene Bezirksleitung der KPD und die Verbreitung illegaler KPD-Schriften vorgeworfen. In einem spektakulären Sammelprozess gegen 19 Widerstandskämpfer wurde Bloch am 8. November 1935 vor dem Oberlandesgericht Kassel wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren verurteilt (Aktenzeichen: O. Js. 93/35); das geplante Strafende wurde auf den 30. März 1942 festgelegt.

Einige Tage nach der Verurteilung wurde er in das Zuchthaus Herford überführt, wo er mit der typischen Gefangenenarbeit „Tütenkleben“ beschäftigt war, wobei er aber nur ein dreiviertel Pensum schaffte, wie eine „Nachweisung über Unterbringung und Beschäftigung oder Nichtbeschäftigung“ belegt. Seine Häftlingspersonalakte dokumentiert auch, dass er ab 30. Juni 1936 im Zuchthaus Herford 14 Tage Arrest verbüßen musste. Unter anderem wird anhand seiner Häftlingspersonalakte auch die damalige Überbelegung im Zuchthaus Herford ersichtlich; denn Paul Bloch musste sich die Zelle, die normalerweise für einen Häftling vorgesehen war, mit zwei weiteren Häftlingen teilen und zwar mit den jüdischen politischen Häftlingen Richard Rosendahl und Ludwig Hess. Vermutlich war Bloch bis zu seiner Verlegung in das Zuchthaus Werl am 26. Oktober 1936 im Zuchthaus Herford inhaftiert. Am 28. April 1938 wurde er (vermutlich wegen eines Gerichtstermins) in das Zuchthaus Kassel-Wehlheiden verlegt; von dort wurde er am 11. Mai 1938 zurückverlegt. Am 12. August 1938 war Paul Bloch im Zuchthaus Münster inhaftiert; die dortige Haftdauer konnte aber bis jetzt nicht ermittelt werden. Später wurde er erneut in das Zuchthaus Herford überführt. Als dieses Mitte 1939 in eine Jugendstrafanstalt umgewandelt werden sollte, gehörte auch er zu denjenigen Häftlingen, die im Juni 1939 von dort in andere Strafanstalten verlegt wurden. Am 23. Juni 1939 wurde Bloch verlegt, wahrscheinlich nach Celle. Von der Strafanstalt Celle aus wurde Bloch am 8. Dezember 1939 in das Zuchthaus Brandenburg-Görden eingeliefert, wo er den letzten Teil seiner Zuchthausstrafe verbüßte; am 30. März 1942, dem geplanten Strafende, wurde er von dort aus in das Polizeigefängnis Frankfurt überführt und am 20. April 1942 wieder in das Gefängnis Frankfurt-Preungesheim eingeliefert, wo er in „Schutzhaft“ genommen wurde. Wahrscheinlich am 10. Mai 1942 wurde er der Polizei übergeben.

Am 23. Mai 1942 wurde Paul Bloch in das KZ Mauthausen überführt, dort bekam er die Häftlingsnummer 9830 zugeteilt. Am 1. Juni 1942 wurde er von dort in das Mauthausen-Zweiglager Gusen überstellt, wo vor allem in den Jahren 1940 bis 1942 die Gefangenen zu Tausenden systematisch ermordet wurden oder an den elenden Haftbedingungen zugrunde gingen. Bloch kam dort am 16. Juni 1942 um oder wurde getötet und gehört somit zu den etwa 31.000 Menschen, die die KZ-Haft in Gusen nicht überlebten. Obwohl Paul Bloch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, wird er weder im 2006 vom Bundesarchiv herausgegebenen „Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945“, noch in der Online-Version dieses Gedenkbuchs erwähnt. Seit 2018 erinnert vor dem Haus Schützenstraße 2 in Frankfurt/Main ein „Stolperstein gegen das Vergessen“ an Paul Bloch. In der Häftlingspersonalakte von Paul Bloch werden unter anderem auch sechs junge Juden aus Köln erwähnt, die als Mitglieder einer illegalen SAPD-Gruppe im Bereich Groß-Köln Widerstand gegen das NS-Regime geleistet hatten und deswegen am 31. Mai 1935 in einem Prozess gegen insgesamt 18 Angeklagte vom IV. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu Zuchthausstrafen verurteilt wurden (Aktenzeichen: 5 O Js 3/35). Gegen zwei Angeklagte wurde das Verfahren eingestellt, die übrigen 16 Angeklagten wurden zu Zuchthausstrafen von 20 Monaten bis zehn Jahren verurteilt. Die jüdischen Angeklagten in diesem Prozess waren Richard Rosendahl, Ernst Ransenberg, Gottfried Ballin, Ernst Hirsch, Alfred Schnog und Rafael Weiß; sie alle gehörten zu den 22 im Zuchthaus Münster inhaftierten Strafgefangenen jüdischen Glaubens, die am 21. September 1935 vom Zuchthaus Münster aus wegen eines Vorfalls, der den dort als Seelsorger für die jüdischen Gefangenen tätigen Rabbiner betraf, zur weiteren Strafverbüßung in das Zuchthaus Herford verlegt wurden.


Richard Rosendahl

Der Jude Richard Rosendahl, der 1915 in Illingen/Saar geboren wurde und später in Köln-Nippes wohnte, hatte nach dem 1933 absolvierten Abitur eine kaufmännische Lehre begonnen. Durch Gottfried Ballin bekam er Kontakt zum Jugendverband der SAPD und war vermutlich ab 1934 an der Verbreitung illegaler Schriften beteiligt. Bereits im September 1934 wurde er im Rahmen der Ermittlungen gegen den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) festgenommen und am 12. November 1934 mit einem Sammeltransport (darunter befanden sich auch seine Mitstreiter Gottfried Ballin und Ernst Hirsch) in das Gestapo-Gefängnis Steinwache in Dortmund überführt. Am 31. Mai 1935 wurde er in dem oben erwähnten Prozess wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren verurteilt; außerdem wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von zehn Jahren aberkannt. Das geplante Strafende wurde auf den 10. September 1944 festgesetzt. Einige Zeit nach der Verurteilung wurde er dem Zuchthaus Münster überstellt. Richard Rosendahl gehörte zu den 22 dort inhaftierten Strafgefangenen jüdischen Glaubens, die am 21. September 1935 zur weiteren Strafverbüßung in das Zuchthaus Herford verlegt wurden. Von dieser Maßnahme waren unter anderem auch seine Mitangeklagte Gottfried Ballin, Ernst Hirsch, Ernst Ransenberg, Alfred Schnog und Rafael Weiß betroffen. Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Umwandlung dieser Strafanstalt in ein Jugendgefängnis wurde er am 20. Juni 1939 von dort in das Zuchthaus Siegburg eingeliefert. Noch vor dem Ende der geplanten Strafhaft wurde er von Siegburg am 12. Februar 1943 in das KZ Auschwitz überführt. Ende Januar 1945 musste er an einem Todesmarsch zum KZ Groß-Rosen teilnehmen; im Februar (?) 1945 wurde er in Zittau befreit. Richard Rosendahl starb 1974 in Hemer/Sauerland. In Köln, Vogelsanger Straße 1, erinnert ein „Stolperstein gegen das Vergessen“ an ihn.


Ernst Ransenberg

Der jüdische Student Ernst Ransenberg, der am 10. September 1908 in Köln geboren wurde, gehörte 1934 in Köln der illegalen SAPD-Gruppe um Richard Rosendahl an. Am 31. Mai 1935 wurde er im Verfahren gegen Rosendahl und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von sechs Jahren verurteilt, wobei das geplante Strafende auf den 10. November 1940 festgelegt wurde; außerdem wurden ihm für fünf Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Vermutlich wurde er nach der Verurteilung von Hamm aus zunächst in das Zuchthaus Münster überstellt. Ransenberg wurde zusammen mit 21 weiteren dort inhaftierten Strafgefangenen jüdischen Glaubens am 21. September 1935 von dort in das Zuchthaus Herford verlegt. Vom Zuchthaus Herford aus wurde er am 20. Juni 1939 in das Zuchthaus Siegburg eingeliefert, aus dem er am 10. November 1940 nach Köln entlassen wurde. Nach einem handschriftlichen Vermerk auf seiner Häftlingskarteikarte sollte er sich „nach der Entlassung sofort bei der Gestapo Köln melden“. Nachdem er etwa ein Jahr in „Freiheit“ gelebt hatte, wurde Ernst Ransenberg im Dezember 1941 von seiner Heimatstadt Köln aus in das Ghetto von Riga deportiert. Später wurde er in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt, wo er ermordet wurde, wie der vor dem Haus Eifelstraße 6 in Köln für ihn verlegte „Stolperstein gegen das Vergessen“ dokumentiert.

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Gottfried Ballin

Der jüdische Buchhandlungsgehilfe Gottfried Ballin, geboren am 9. April 1914 in Berlin, wohnte in Köln, wo er Mitglied der SAPD war. 1933 hatte er das Abitur bestanden. Als Mitglied der in Köln aktiven illegalen SAPD-Gruppe um Richard Rosendahl wurde er 1934 festgenommen und am 12. November 1934 mit einem Sammeltransport in das Gestapo-Gefängnis Steinwache in Dortmund verbracht. Am 31. Mai 1935 wurde er in Hamm im Verfahren gegen Richard Rosendahl und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt; geplantes Strafende: 17. September 1939. Die Strafverbüßung erfolgte zunächst im Zuchthaus Münster, später im Zuchthaus Herford. Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Umwandlung dieser Strafanstalt in ein Jugendgefängnis wurde er am 20. Juni 1939 von dort in das Zuchthaus Siegburg eingeliefert, wie seine Häftlingskarteikarte dokumentiert. Nach Strafende war Ballin dort ab dem 17. September 1939 in „Schutzhaft“, um am 19. Oktober 1939 in das Polizeigefängnis Dortmund überführt zu werden. Am 2. November 1939 wurde er in das KZ Sachsenhausen deportiert; einige Zeit später wurde er in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo er am 4. März 1943 ermordet wurde. In Köln, Steinfelder Gasse 8 und Vogelsanger Straße 1, erinnert je ein „Stolperstein gegen das Vergessen“ an Gottfried Ballin; allerdings wird auf beiden „Stolpersteinen“ fälschlicherweise als Haftort „Gefängnis Herford“ angegeben, obwohl Ballin damals nachweislich im Zuchthaus Herford inhaftiert war. Außerdem wurde ein Haus der ehemaligen Etzelkaserne in Köln-Junkersdorf nach Gottfried Ballin benannt.


Ernst Hirsch

Der jüdische Verkäufer Ernst Hirsch, der am 7. August 1913 in Köln geboren wurde, war ebenfalls Mitglied der illegalen SAPD-Gruppe in Köln. Einige Wochen nach seiner Festnahme wurde er am 12. November 1934 mit einem Sammeltransport (darunter auch Gottfried Ballin und Richard Rosendahl) in das Gestapo-Gefängnis Steinwache in Dortmund verbracht. Im Verfahren gegen Rosendahl und andere wurde er am 31. Mai 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Laut Angaben des Landesarchivs NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Detmold, wurde damals das geplante Strafende auf den 31. August 1938 festgelegt, Ernst Hirsch sei aber bereits am 10. Dezember 1937 entlassen worden. Seine Strafe musste Ernst Hirsch zunächst im Zuchthaus Münster und ab September 1935 im Zuchthaus Herford verbüßen. Später wurde er in „Schutzhaft“ genommen und am 19. Februar 1938 in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert, wo er die Häftlingsnummer 13532 erhielt. Bereits am 30. Mai 1938 kam Ernst Hirsch im KZ Dachau ums Leben.

Alfred Schnog

Auch der jüdische Gebrauchsgraphiker Alfred Schnog, der am 28. Februar 1913 in Köln geboren wurde und dort auch wohnhaft war, gehörte der illegalen Kölner SAPD-Gruppe an. Von seinem Schulfreund Richard Rosendahl erhielt er die illegalen Schriften „Banner“ und „Arbeiterkampf“. Im November 1934 festgenommen, war er zunächst für kurze Zeit im Kölner Gefängnis Klingelpütz und später im berüchtigten Dortmunder Gestapo-Gefängnis Steinwache inhaftiert, wo er mehrere seiner Mitstreiter traf, die Spuren von Misshandlungen aufwiesen. Vermutlich bis Mai 1935 war er in Dortmund eingesperrt, bevor er in das Gerichtsgefängnis Hamm verlegt wurde. Am 31. Mai 1935 wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat im Prozess gegen Rosendahl und andere zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei ihm sechs Monate Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet wurden. Zunächst war er im Zuchthaus Münster inhaftiert; zusammen mit 21 weiteren dort inhaftierten Strafgefangenen jüdischen Glaubens wurde er am 21. September 1935 zur weiteren Strafverbüßung in das Zuchthaus Herford verlegt, aus dem er Ende November 1936 entlassen wurde.

Alfred Schnog, der seit 1938 verheiratet war, emigrierte Ende 1938 zusammen mit seiner Ehefrau nach Belgien. Nachdem die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 im sogenannten Westfeldzug unter anderem auch das neutrale Belgien überfallen und besetzt hatte, wurde Schnog nach eigenen Angaben nach Südfrankreich deportiert, wo er zunächst im Lager Saint-Cyprien und ab Ende Oktober/Anfang November 1940 in Gurs interniert war. Vermutlich von dort gelang ihm Anfang Februar 1941 die Flucht, sodass er das Kriegsende überlebte. 1948 wurde seine Ehe in Brüssel geschieden. Sechs Jahre später erlangte er wieder die ihm entzogene deutsche Staatsbürgerschaft; sein weiterer Lebensweg ist nicht bekannt.

Rafael Weiß

Der jüdische, seit 1934 arbeitslose Handlungsgehilfe Rafael Weiß, geboren am 12. Dezember 1912 in Köln und dort auch wohnhaft, besaß die polnische Staatsangehörigkeit. Auch er gehörte zu der illegalen SAPD-Gruppe um Richard Rosendahl. Anfang 1935 festgenommen, wurde er am 31. Mai 1935 im Prozess gegen Rosendahl und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei ihm vier Monate Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet wurden. Nach der Verurteilung wurde er zunächst in das Zuchthaus Münster eingeliefert. Von dort wurde er zusammen mit 21 weiteren im Zuchthaus Münster inhaftierten jüdischen Strafgefangenen am 21. September 1935 in das Zuchthaus Herford verlegt. Nach Verbüßung der Strafe wurde er am 31. Januar 1937 aus der Haft entlassen. Später emigrierte Rafael Weiß nach Belgien und von dort in die USA. Sein weiterer Lebensweg konnte bis jetzt nicht ermittelt werden.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Informationen über Alfred Schnog und Rafael Weiß freundlicherweise von Dr. Thomas Roth vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln zur Verfügung gestellt wurden. Die Informationen selbst hatte der 2021 verstorbene Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Dr. Ulrich Eumann, im Rahmen seiner Recherchen zum Kölner Widerstand gesammelt oder sie waren von Mitarbeit*innen des NS-Dokumentationszentrums in der Datenbank zur jüdischen Bevölkerung Kölns eingetragen worden.

Armin Breidenbach


Quellen und Literatur

  • Arolsen Archives, Online-Archiv: Verschiedene Dokumente
  • Bilz, Fritz: Erich Sander – Fotograf und unbeirrbarer Widerstandskämpfer (1903 bis 1944), in: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.): August Sanders unbeugsamer Sohn. Erich Sander als Häftling und Gefängnisfotograf im Zuchthaus Siegburg 1935 – 1944, Berlin 2015, S. 197 – 234
  • Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945, bearbeitet und herausgegeben vom Bundesarchiv, 2. Aufl., Koblenz 2006, Band I – IV
  • Grünewald, Guido: Opposition und Widerstand gegen das NS-Regime: das Beispiel Köln, in: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.): Kölner WiderstandskämpferInnen heute in Portraits der Arbeiterfotografie Köln. Gegen den braunen Strom. Ausstellung von NS-Dokumentationszentrum und Arbeiterfotografie Köln in der Alten Wache des Kölnischen Stadtmuseums, Zeughausstraße 1 – 3, Köln o. J., S. 183 – 205
  • Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt/Main: Schriftliche Auskunft vom 19.4.2024
  • KZ-Gedenkstätte Mauthausen: Datenbankauszug zu Paul Bloch (Stand: 16.6.2021)
  • Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Münster: Schriftliche Auskunft vom 13.5.2024
  • Landesarchiv NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Detmold: Schriftliche Auskunft vom 26.3.2024
  • Mausbach-Bromberger, Barbara: Arbeiterwiderstand in Frankfurt am Main. Gegen den Faschismus 1933 – 1945, Frankfurt am Main 1976
  • NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.): August Sanders unbeugsamer Sohn. Erich Sander als Häftling und Gefängnisfotograf im Zuchthaus Siegburg 1935 – 1944, Berlin 2015
  • NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln: Schriftliche Auskunft vom 28.2.2024
  • NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln: Datenbanken „Ersatzdokumentation“, „Jüdische Bevölkerung“ und „Widerstand“
  • Wever, Dieter: Schriftliche Mitteilungen vom 10.2.2021 und 21.2.2021

 

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