Mehr als die Hälfte aller Strafgefangenen werden nach ihrer Haftentlassung wieder rückfällig. Ein Übergangsmanagement für die Zeit nach der Haft könnte eine Option sein, Fehlentwicklungen im Strafvollzug entgegenzusteuern. Ist die Tatsache, dass wahrscheinlich mehr als jeder zweite Haftentlassene rückfällig wird, ein Indiz für deren individuelles Versagen? Oder ist er vielmehr Ausdruck eines Strafvollzugs, der weit davon entfernt ist, seine Resozialisierungsaufgabe wirksam wahrnehmen zu können?
Bei der Verhängung einer Haftstrafe wird in Kauf genommen, dass die sozialen Netzwerke der Betroffenen stark beeinträchtigt beziehungsweise zerstört werden. Das hat Auswirkungen auf den sozialen Nahraum wie die Familie und den Freundes- und Bekanntenkreis, aber auch auf die Erwerbstätigkeit und andere Lebensbereiche. Aufgabe des Strafvollzugs ist es, mit den Inhaftierten diese biografischen Brüche zu kompensieren. Er soll soziale Lernprozesse initiieren, soziale Netzwerke erhalten beziehungsweise neu erschließen und neue Straffälligkeit vermeiden. All dies sind Aufgaben, an denen der Strafvollzug in der überwiegenden Zahl der Fälle scheitert. Begründet liegt das nicht nur in den schwierigen Arbeitsbedingungen, sondern auch in einer Klientel, die mit multiplen sozialen und psychischen Problemen massiv belastet und deswegen in ihrer Mitwirkungsfähigkeit stark beeinträchtigt ist.
Eine Untersuchung in Bielefeld hat ergeben, dass deutlich mehr als 80 Prozent der Inhaftierten im geschlossenen Vollzug psychiatrisch relevant beeinträchtigt sind. Fast 60 Prozent sind akut behandlungsbedürftig. Neben Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen wurden Persönlichkeitsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und anderes mehr diagnostiziert.
Beitrag der Straffälligenhilfen
In der sozialen Strafrechtspflege ist der Begriff des Übergangsmanagements bekannt. Tatsächlich ist der Übergang aus der Haft ein neuralgischer Zeitpunkt im Resozialisierungsprozess. Die durchstrukturierten, “korsettierenden” Rahmenbedingungen des vollzuglichen Alltags entfallen und die Betroffenen sind, falls keine soziale Unterstützung bereitsteht, auf sich allein gestellt. Besonders Betroffene mit multiplen Problemen sind in dieser Situation schnell überfordert, resignieren trotz guter Vorsätze und orientieren sich zum Teil zurück in gefährdende Submilieus. Das Rückfallrisiko steigt. Für die soziale Hilfe des Vollzugs sind sie dann nicht mehr, für Nachsorgeeinrichtungen noch nicht zu erreichen.
Komplexe Aufgabe
Resozialisierung wird dort nicht mehr als zeitlich befristete und zuständigkeitsabhängige Aufgabe eines Fachdienstes einer Institution begriffen, sondern als komplexe Aufgabe kooperierender Dienste. Ziel ist es, im gemeinsamen Planen und Handeln für eine nachhaltige Integration Haftentlassener zu sorgen. Die Integrationsplanung beginnt frühzeitig vor der Entlassung. Sie endet nicht an der Gefängnisschleuse, sondern wirkt darüber hinaus. Sie bindet die ambulanten Dienste der Justiz genauso ein wie Einrichtungen der Straffälligenhilfe oder Dritte. Die Integrationsplanung endet idealerweise erst dann, wenn der Integrationsprozess erfolgreich abgeschlossen ist.