Zu Anfang der Weimarer Republik verändern sich das Gefängniswesen und damit auch der Gefängnisalltag. Im Gegensatz zu den vorigen Jahrhunderten sollte das Gefängniswesen »nicht den Willen des Gefangenen brechen, den Gefangenen seelisch und körperlich zermürben, sondern im Gegenteil den Willen des Gefangenen stärken und in die richtigen Bahnen lenken (Stärke). Die Strafe wurde als pädagogisches Mittel aufgefasst, mit dem ein Häftling zu einem guten Staatsbürger erzogen werden sollte.

 

Einerseits fand das Resozialisierungsprinzip Eingang ins deutsche Strafsystem, gleichzeitig wurde aber auch der Typ des „unverbesserlichen Straftäters“ entwickelt. Unter diese Kategorie fielen diejenigen, die sich den Maßnahmen zur Resozialisierung entzogen und damit als nicht gesellschaftsfähig galten. Begründet wurde das mit biologistischen Erklärungen. Dem gegenüber sah das Resozialisierungsprinzip ein Stufensystem für Gefangene mit längeren Haftstrafen vor. Durch ein System von Vergünstigungen sollten die Häftlinge in ihrem Verhalten gelenkt werden. Auch dieses Vorgehen erfüllte eine repressive Funktion. Die Angst vor dem Verlust von Privilegien stellte hier das disziplinarische Druckmittel dar.


Doch auch im Gefängnis zeigte sich ein Grundproblem der Weimarer Republik: Große Teile des Personals in Verwaltung und Justiz stehen der Demokratie ablehnend gegenüber. Die meisten GefängniswärterInnen setzten weiterhin auf strenge militärische Ordnung und Disziplin und verweigerten sich den neuen Idealen. Zudem kam es im Zuge der Wirtschaftskrise zu einem Abbau des Weimarer Wohlfahrtsstaates. Staatszuschüsse für Gefängnisse wurden gekürzt und damit auch die Grundversorgung durch Kleidung, Verpflegung und medizinische Betreuung. Ganz abgesehen von den kaum durchsetzbaren Idealvorstellungen einer humanitäreren Haft, bildete das Strafsystem der Weimarer Republik weiterhin eine gute Grundlage für den nationalsozialistischen Staat. Insbesondere der Gedanke des „unverbesserlichen Straftäters“ ließ sich einwandfrei in die nationalsozialistische Ideologie integrieren.


Breslau, den 15. September 1922

Der Vorsitzende                                            
der Fuldaer Bischofskonferenz
G.K6650

Zu den am 26. Dezember 1921 von Ew. [Euer] Hochwürden namens der „Vereinigung Katholischer Strafanstalten Preußens“ mir mitgeteilten Anträge hat die Fuldaer Bischofkonferenz am 25. August 1922 folgende Stellungnahme beschlossen:
„In Berücksichtigung eines Antrages der hauptamtlich an Gefängnissen tätigen Geistlichen beschließt die Konferenz:

  1. Die hauptamtlichen Gefängnisseelsorger erhalten den Titel „Pfarrer“
  2. Die Bischöfe delegieren servatis servandis die Gefängnisseelsorger bezüglich der Eheassistierung ad universitatem causarum, vorausgesetzt, dass eine Verständigung mit dem Heimatpfarrer bezw. mit dem Domizilpfarrer über Freiheit von Ehehindernissen und von entgegen stehenden Bedenken in Einzelfällen stattfindet.
  3. Die Taufe von Kindern gefangener Frauen und Mädchen hat in der Ortspfarrkirche zu geschehen und ist für gewöhnlich von dem Gefängnisseelsorger zu spenden.
  4. Die Gefängnisseelsorger sind zu den Dekanatskonferenzen und sonstigen Veranstaltungen des Pfarrklerus einzuladen und haben bei den Beratungen Stimmrecht, soweit es sich um Angelegenheiten von gemeinsamen Interesse handelt.“

Ew. Hochwürden ersuche ich ergebenst, Vorstehendes zur Kenntnis der Beteiligten bringen zu wollen.

Der Fürstbischof: gez. A. card. Bertram

An
Herrn Strafanstaltspfarrer
Limberg, Hochwürden
in Anrath

 

In der Schrift der „Tagesordnung“ des Zellengefängnisses im ostwestfälischen Herford von 1923, stehen unter den Vormeldungen ausdrücklich die Geistlichen: „An die Geistlichen in allen religiösen, kirchlichen und seelsorgerlichen Fragen, in Fragen der Aussöhnung mit den Angehörigen, der Eheschließung, der Fürsorge für sich oder die Familienmitglieder sowie des späteren Fortkommens bei vorzeitiger oder endgültiger Entlassung.“

Das Bischöfliche General-Vikariat Paderborn schrieb 1917 einen Brief an die Hochwürden im Strafvollzug, dass regelmäßig an die Ordinariate Jahresberichte aus dem Gefängnis zugesandt werden sollen. Der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz schrieb handschriftlich an die „Vereinigung katholischer Strafanstaltsgeistlicher Preußens“ 1922 einen Brief zu ihrer Rolle als Strafanstaltspfarrer (siehe links).

Orginalbrief

Die Anstaltskirche in Herford um 1883.

 

 

 

Verwaltungsvorschriften des Zellengefängnisses Herford für die Gefangenen. Artikel 53: Seelsorge, 1923.

 

17. April 2019
Erkenntnis: Du brauchst jemand, der zu Dir hält
Du brauchst jemand, der zu dir hält und dir was zutraut. Das ist das Fazit, das aus den Gesprächen mit einem ehemaligen Häftling hervorgeht. Ein Interview mit einem Entlassenen, der insgesamt ca. 13 Jahre in Haft saß und schwer drogenabhängig war. Thomas G. wird durch den Gefängnisverein […]
25. Oktober 2020
Corona-Krise: Auf Abstand nicht nur im Knast
Die inhaftierte Frau in der Justizvollzugsanstalt Würzburg ist nicht sehr versiert im Umgang mit der Bibel. Sie kennt kaum eine der biblischen Geschichten. Doch das Buch der Bücher fasziniert sie. Sie möchte mehr wissen. Und über das, was sie liest, möchte sie reden, denn sie hat […]
10. März 2019
Frei wie ein Vogel sein – Gedanken Inhaftierter
Der Gefängnisseelsorger Thomas Marin hat zusammen mit Gefangenen der JVA Berlin-Plötzensee Gedanken aus dem Knast in zwei Büchern festgehalten. Die Mauern trennen die Innen- von der Außenwelt, schützen das Eine vom Anderen. „Sie können Menschen in Haft nehmen und einengen – aber nicht ihre Gedanken,“ so […]
23. November 2020
Verklärte Advents- und Weihnachtszeit. Wie sonst auch?
Ein Christbaum in einer Abteilung der Justizvollzugsanstalt Essen. Das Weihnachtsfest im Knast feiern? Für manche jährt sich dieses Fest hinter den Mauern bereits mehrmals. Diese Erfahrung dürften im Corona-Jahr die Menschen „draußen“ ebenso machen. Im immerwährenden Lockdown der Justizvollzugsanstalt ist man es schon gewohnt, nicht mit […]
30. April 2024
Gottesdienst für Gefangene wird mit Preis ausgezeichnet
Die Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes verleiht ihren Gottesdienstpreis in diesem Jahr an die Gefängnisseelsorgerin Henrike Schmidt. Ausgezeichnet wird ein besonders gelungener Gottesdienst, der am 30. Juli 2023 hinter Gittern im Justizvollzugskrankenhaus (JVK) auf dem Hohenasperg bei Ludwigsburg gefeiert wurde. Im Mittelpunkt stand ein Satz aus […]
18. Mai 2019
Gefängnisarchitektur und Resozialisierung
96 Prozent aller Inhaftierten verlassen irgendwann das Gefängnis, 40 Prozent der Entlassenen werden innerhalb des ersten Jahres in Freiheit wieder rückfällig – das ist das große Dilemma des Strafvollzugs. Ihr Anteil steigt, je restriktiver der Strafvollzug gestaltet wird; ihr Anteil sinkt, je besser die Hilfsangebote und […]