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Über das Zuchthaus Herford ist bisher nur wenig bekannt

1. August 2023

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934–1939 (Folge 2).

Als vor 40 Jahren das Buch „Sterben um zu leben. Politische Gefangene im Zuchthaus Brandenburg-Görden 1933 – 1945“ herausgegeben wurde, wies der Historiker Hermann Weber in seinem Vorwort zu diesem Buch darauf hin, dass dieses „ein Gebiet erschließt, das in der Bundesrepublik Deutschland bisher weitgehend unbekannt blieb: die Situation der Widerstandskämpfer im Zuchthaus wird hier erstmals umfassend thematisiert. Bislang ist diese Problematik nur in der DDR beschrieben worden.“

Noch 2013 stellte die Historikerin Sylvia de Pasquale fest, dass „das Thema ‚Strafvollzug im Nationalsozialismus‘ noch nicht annähernd als ausreichend erforscht gelten“ kann: „Es fehlen umfassende Untersuchungen zu einzelnen Justizvollzugsanstalten, zu einzelnen Häftlingsgruppen (wie z.B. zum Frauenvollzug, und zur Justizhaft von politischen Gefangenen, von Juden, ‚Zigeunern‘, Ausländern und Homosexuellen), zu vielen Aspekten der Inhaftierung von Straftätern (z. B. zur Arbeit, zu den Beamten oder zur Medizin), aber auch zur Untersuchungshaft und zum Vollzug der Gefängnis- und Zuchthausstrafe sowie der Sicherungsverwahrung.“

Gefängniswesen im „Dritten Reich“

In den letzten zehn Jahren ist jedoch weitere Literatur zum Thema „Strafvollzug im Nationalsozialismus“ bzw. zu Teilbereichen dieses Themas erschienen. In einigen dieser Veröffentlichungen sind auch – allerdings meist nur knappe – Hinweise auf das Zuchthaus Herford in Ostwestfalen zu finden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass über dieses Zuchthaus und die dortigen Haftbedingungen bisher nur wenig bekannt ist. Nach einer 1935 vom Reichsjustizministerium herausgegebenen Schrift über das Gefängniswesen in Deutschland gab es am 29. Juni 1935 im „Dritten Reich“ 1.148 Strafvollzugsanstalten (Zuchthäuser, Gefängnisse, Untersuchungsgefängnisse, Anstalten für Sicherungsverwahrung und einige wenige Arbeitshäuser) mit einer Belegungsfähigkeit für insgesamt etwa 107.000 Gefangene. Zu diesen 1.148 Strafvollzugsanstalten zählte auch das Zuchthaus Herford, Eimterstraße 15, das zum Oberlandesgerichtsbezirk Hamm gehörte und 1935 über eine Belegungsfähigkeit für insgesamt 431 männliche Häftlinge verfügte.

Wenig Informationen zu Herford

Die Strafanstalt in Herford war in den Jahren 1879 bis 1883 errichtet und am 17. September 1883 offiziell eröffnet worden. Später wurde sie als Zellengefängnis genutzt, bevor sie 1934 in ein Zuchthaus und 1939 in ein Jugendgefängnis umgewandelt wurde; auch heute noch dient sie dem Jugendstrafvollzug. Zur Geschichte dieser Strafanstalt hatte bereits 1990 Horst Höke ein Werk mit dem Titel „Geschichte und Entwicklung des Strafvollzuges und der Strafanstalten in Herford. Menschen – Daten – Einsichten. Zeitsplitter aus vier Jahrzehnten“ verfasst, das allerdings nicht veröffentlicht wurde. 2008 wurde anlässlich des 125jährigen Bestehens der Strafanstalt in Herford eine umfangreiche Festschrift herausgegeben, die allerdings nur relativ wenig Informationen über die Geschichte dieser Strafanstalt während des „Dritten Reiches“ enthält. In den Printmedien und vor allem im Internet gibt es zwar mittlerweile zahlreiche Beiträge über politische Häftlinge, die in den Jahren 1934 bis 1939 im Zuchthaus Herford inhaftiert waren, aber in vielen Fällen bleibt unerwähnt, dass der betreffende Häftling in der genannten Strafanstalt eingesperrt war, wie zum Beispiel in den biographischen Skizzen über Walter Frank, Paul de Groote, Folkert Potrykus oder Martin Schwantes, die allesamt aus politischen Gründen im Zuchthaus Herford eingesperrt waren.

Armin Breidenbach

Den Schwerpunkt der Artikelserie werden die politischen Gefangenen darstellen, die damals im Zuchthaus Herford zumindest einen Teil ihrer Strafe verbüßen mussten, was vor allem auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bisher gefundenen Quellen (wie zum Beispiel Wiedergutmachungsakten) und die entsprechende Fachliteratur zurückzuführen ist. 

Quellen und Literatur

Adressbuch der Stadt Herford 1935/36
Berens, Peter: Trotzkisten gegen Hitler, Köln 2007
Das Gefängniswesen in Deutschland, hrsg. vom Reichsjustizministerium, Berlin 1935
Jahnel, Christian und Waldmann, Friedrich: 125 Jahre JVA Herford, hrsg. von der Justizvollzugsanstalt Herford, o. O. 2008
Knobelsdorf, Andreas: Das Bielefelder Landgericht 1933 – 1945, in: Juristische Zeitgeschichte Bd. 1, Justiz und Nationalsozialismus, hg. vom Justizministerium des Landes NRW, 1993
M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933 – 1945. Eine biographische Dokumentation. Mit einem Forschungsbericht zur Verfolgung deutscher und ausländischer Parlamentarier im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich, hrsg. von Martin Schumacher, 3. Aufl., Düsseldorf 1994

NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.): August Sanders unbeugsamer Sohn. Erich Sander als Häftling und Gefängnisfotograf im Zuchthaus Siegburg 1935 – 1944, Berlin 2015
de Pasquale, Sylvia: Zwischen Resozialisierung und „Ausmerze“. Strafvollzug in Brandenburg an der Havel (1920 – 1945), Berlin 2013
Sterben um zu leben. Politische Gefangene im Zuchthaus Brandenburg-Görden 1933 – 1945, hrsg. von Walter Uhlmann, Köln 1983
Weber, Hermann und Herbst, Andreas: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, 2. Aufl., Berlin 2008
Wever, Dieter: Das Zuchthaus Münster im Nationalsozialismus. Eine Recherche zur Vollzugsrealität in den Jahren 1933 – 1945, hrsg. von der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Münster


Artikelserie

29. Folgt demnächst…

 

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