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Einlieferung von Häftlingen in das Zuchthaus Herford

4. Oktober 2023

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934–1939 (Folge 4).

Die Anzahl der Häftlinge, die von November 1934 bis Juni 1939 aus politischen, religiösen, „rassischen“ oder anderen Gründen in das Zuchthaus Herford eingeliefert wurden, ist bisher unbekannt. Unbekannt ist auch die Anzahl der größeren Transporte, mit denen die Häftlinge in diese Strafanstalt verbracht wurden. Aufzeichnungen von Häftlingen, die über ihren Transport nach Herford berichten, konnten bislang noch nicht ermittelt werden.

Aus diesem Grunde soll ersatzweise auf den Bericht des Krefelder Kommunisten Heinrich Plum zurückgegriffen werden, der im Februar 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt worden war und diese zunächst im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen verbüßen musste:

„Es war im Januar 1938. Damals wurde ich von dem Zuchthaus Lüttringhausen nach Butzbach transportiert. Das war zu einer Zeit, als die Gefangenenwagen der Reichsbahn mit politischen Häftlingen überfüllt waren. Wir saßen mit acht Kumpels in einer Zelle, die für vier Mann bestimmt war. Die Stimmung war schlecht. Müde lauschte ich auf den immer gleichbleibenden Rhythmus des Zuges. Mit meinen Gedanken war ich bei den Lüttringhauser Kameraden. Endlich durfte ich mich setzen. Abgespannt lehnte ich meinen Kopf an die Wand. Im Nebenabteil hörte ich Frauenstimmen. Alles geht durcheinander, sodaß ich von dem, was gesprochen wird, nichts verstehe. Dann wird es auch drüben ruhig. Ich denke an zu Hause und an die Menschen, die mir lieb sind. Langsam schlafe ich ein. […]“

Ernst Gnoss war einer der politischen Häftlinge. Foto: Sbosny, Inge & Schabrod, Karl: Widerstand in Solingen: Aus dem Leben antifaschistischer Kämpfer. Röderberg-Verlag GmbH Frankfurt am Main 1975. Reihe: Bibliothek des Widerstandes. Solinger Stadtarchiv.

Transporte in andere Strafanstalten

Eine bisher unbekannte Anzahl von Häftlingen war kurze Zeit nach der Verurteilung von dem jeweiligen Gerichtsgefängnis aus in das Zuchthaus Herford eingeliefert worden. Hierzu gehörten beispielsweise die aus Solingen stammenden politischen Häftlinge Ernst Gnoss, Albert Teichert, Willi Haas (siehe Folge 1 der Artikelserie) und Max Richter, sowie Otto Puchalski aus Wuppertal, Willi Gast aus Dortmund und Helmut Pöhler aus Sprockhövel. Andere Häftlinge hingegen hatten bereits einen Teil ihrer Strafe in einer anderen Strafanstalt abgesessen und wurden von dort zwecks weiterer Strafverbüßung nach Herford verlegt. Rudi Goguel, ein Kommunist aus Düsseldorf, 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren verurteilt, war vom 20. März 1935 bis 26. November 1936 im Zuchthaus Lüttringhausen eingekerkert, also zu einem Zeitpunkt, als auch die Strafanstalt in Herford für die Inhaftierung von Zuchthausgefangenen zur Verfügung stand. In seinem Buch „Es war ein langer Weg“ berichtete er ausführlich über seine dortige Haft und den ständigen Wechsel im Zuchthaus Lüttringhausen, wobei er auch die zahllosen Häftlingstransporte in andere Strafanstalten thematisierte und in diesem Zusammenhang auch das Zuchthaus Herford erwähnte:

„Gesichter kommen, Gesichter gehen. Seit Wochen schon ist der Bau mit fast 1200 Mann belegt, und immer neue Transporte rollen an. Woche um Woche werden Transporte zusammengestellt und in andere Strafanstalten dirigiert. […] Nach Siegburg, Rheinbach, nach Butzbach, Münster, Herford, nach Hameln, Celle, in die Moorlager von Papenburg und Meppen werden Gruppen von je 50 bis 100 Mann abdetachiert. […] Es ist nichts anderes als ein großes Glücksspiel, abhängig von hundert Zufälligkeiten, ob man auf Transport kommt oder nicht. Wer Pech hat, endet in Celle und wird fünf Jahre Einzelhaft absitzen. Oder er kommt ins Moor und ist vielleicht in einigen Monaten tot.“

Bereits kurze Zeit nach der Umwandlung der Strafanstalt Herford in ein Zuchthaus wurden am 14. November 1934 Häftlinge des Zuchthauses Lüttringhausen nach Herford überstellt (siehe Folge 3 der Artikelserie). Am 16. März 1936 wurden weitere Lüttringhausen-Häftlinge in das Zuchthaus Herford überführt, darunter die politischen Gefangenen Heinrich Schrynemaekers (Schrynemäkers), Anton Dal Mas, Johann Ratajczak, Sebastian Bernard und Josef Michalski und am 29. Juli 1936 die politischen Gefangenen Otto Meister, Fritz Runge und Aloys Saffert.

Verfolgungsschicksale politischer Gefangener

Aber auch von anderen Strafanstalten wurden Häftlinge in das Zuchthaus Herford überstellt. So wurden am 21. September 1935 alle 22 dort inhaftierten Gefangenen jüdischen Glaubens vom Zuchthaus Münster wegen eines anstaltsinternen Vorfalls zur weiteren Strafverbüßung in das Zuchthaus Herford verlegt. Auch am 3. Februar 1937 ging ein Sammeltransport mit Häftlingen des Zuchthauses Münster mit Ziel Herford ab; verlegt wurden unter anderem die Widerstandskämpfer Hermann Gehlen aus Wuppertal und August Huuck (Huuk) aus Gladbeck. Abschließend soll das Verfolgungsschicksal von drei Häftlingen dargestellt werden, die am 16. März 1936, 29. Juli 1936 und 3. Februar 1937 in das Zuchthaus Herford eingeliefert wurden.

Heinrich Schrynemaekers

Der Glasmacher Heinrich Schrynemaekers (Schrynemäkers), der 1911 in Oberhausen geboren wurde und die niederländische Staatsangehörigkeit besaß, war Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gewesen. Am 22. Juni 1935 wurde er vom III. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm im Prozess gegen Eduard Tödheide und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren verurteilt (Aktenzeichen: 5 O.J. 66/34). Am 10. Juli 1935 wurde er von Hamm kommend in das Zuchthaus Lüttringhausen eingeliefert und am 16. März 1936 von dort in das Zuchthaus Herford überführt. Nachdem er die Strafe in Herford verbüßt hatte, wurde er am 13. Dezember 1938 in die Niederlande ausgewiesen.

Aloys Saffert

Der Bergmann Aloys Saffert, geboren am 29. Mai 1888 in Koblau/Kreis Ratibor und später wohnhaft in Bottrop, war am 9. Juli 1936 vor dem Oberlandesgerichts Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden (Aktenzeichen: 6 O Js 596/35); geplantes Haftende: 12. März 1938. Von Duisburg kommend wurde er am 13. Juli 1936 in das Zuchthaus Lüttringhausen eingeliefert. Bereits etwa zwei Wochen später, am 29. Juli 1936, wurde er von dort zusammen mit anderen Lüttringhausen-Häftlingen in das Zuchthaus Herford überführt.

Ewald Lenz

Der Schlosser Ewald Lenz, geboren am 27. Dezember 1896 in Lüttringhausen, war ab 1918 Mitglied der KPD und wurde später auch Mitglied der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). 1934 war er an der Verbreitung kommunistischer Flugschriften beteiligt und unterstützte außerdem die RGO und Rote Hilfe finanziell. Am 10. September 1935 wurde er festgenommen und in das Polizeigefängnis Wuppertal eingeliefert, wo er misshandelt wurde. Ab 20. Februar 1936 war er im Gefängnis Hamm inhaftiert, um am 7. März 1936 vom II. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in einem Massenprozess wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren verurteilt zu werden (Aktenzeichen: 6 O.Js. 555/35); geplantes Haftende: 7. September 1938. Von Hamm aus wurde er am 10. März 1936 in das Zuchthaus Münster eingeliefert und am 3. Februar 1937 von dort in das Zuchthaus Herford überstellt. Anschließend war er ab dem 28. Juli 1937 im Zuchthaus Lüttringhausen inhaftiert; dort wurde er am 2. Juli 1938 vorzeitig aus der Haft entlassen. Ab Mitte Mai 1945 gehörte Ewald Lenz dem neu gebildeten Verwaltungsbeirat der Stadt Remscheid als Mitglied an. Nach der Wiederzulassung politischer Parteien wurde Lenz wieder Mitglied der KPD. Für diese kandidierte er bei der Gemeindewahl in Remscheid vom 13. Oktober 1946, ohne jedoch gewählt zu werden. Ewald Lenz starb am 5. Juni 1962 in Remscheid-Lüttringhausen.

Armin Breidenbach

Quellen und Literatur

  • Arolsen Archives: Online-Archiv (verschiedene Dokumente)
  • Billstein, Aurel: Der eine fällt, die andern rücken nach… Dokumente des Widerstandes und der Verfolgung in Krefeld 1933 – 1945, Frankfurt/M. 1973
  • Goguel, Rudi: Es war ein langer Weg. Ein Bericht, Singen (Hohentwiel) o. J. (um 1947)
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Duisburg: Gerichte Rep. 331, Nr. 1 – 10 (Gefangenenkartei der Strafanstalt Remscheid-Lüttringhausen zur NS-Zeit); RW 58-27751 und RW 58-50264 (Ewald Lenz)
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Detmold: Schriftliche Mitteilung vom 24.7.2023
  • Stadtarchiv Solingen: Wiedergutmachungsakten SG 16552, SG 15565 und SG 16238
  • Stadtarchiv Dortmund: Schriftliche Mitteilung vom 26.9.2023
  • Stadtarchiv Wuppertal: Schriftliche Mitteilung vom 20.9.2022
  • Wir „Hoch- und Landesverräter“. Antifaschistischer Widerstand in Oberhausen. Ein Lesebuch, Oberhausen 1983

  • Brauweiler Kreis | Stadt Sprockhövel | JVA Münster | waterboelles.de
  • Stolpersteine erinnern an ehem. Häftlinge des Zuchthauses – Folge 1
  • Über das Zuchthaus Herford ist bisher nur wenig bekannt – Folge 2
  • Widerstand gegen das NS-Regime führte zu hohen Zuchthausstrafen – Folge 3
  • Einlieferung von Häftlingen in das Zuchthaus Herford – Folge 4
  • Zeitungen im „Dritten Reich“ über Prozesse gegen Antifaschisten – Folge 5
  • Über Ort und Dauer der Inhaftierung keine Informationen – Folge 6
  • Der Direktor des Zuchthauses Herford: Dr. Josef Wüllner – Folge 7
  • Kommunistische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 8
  • Solinger Kommunisten als Strafgefangene im Zuchthaus Herford – Folge 9
  • Sozialdemokratische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 10

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