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Gesang- und Gebetbücher als Zeitkapseln bis heute

19. Mai 2024

An einer Domkirche wird ständig gebaut. Am Limburger Dom zeigen die grünen Schutznetze an den Westtürmen, dass eine größere Baumaßnahme dringend erforderlich ist. In solch einem Zusammenhang ist in Freiburg eine tolle Idee entstanden: Schulklassen sind eingeladen, Vorschläge für Objekte zu machen, die man in kleinen Aluminiumdosen hoch über dem Dach der Münsterkirche in ein neu gestaltetes Sandsteinelement am Chorraum einschließen will. Was sollen diese Zeitkapseln womöglich Jahrhunderte später, wenn sie einmal geöffnet werden, unseren Nachfahren über uns und unsere Zeit erzählen?

Die SchülerInnen haben große Freiheiten, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Zukunftsbotschaft gestalten, mit was die Zeitkapseln gefüllt werden sollen. Zeitkapseln ganz besonderer Art habe ich mitgebracht. Es sind die drei aufeinanderfolgenden Limburger Gebet- und Gesangbücher der letzten 70 Jahre, und sie spiegeln auf eindrucksvolle Weise, wie gläubige Menschen in der jeweiligen Zeit persönlich und miteinander beten, gemeinsam Gottesdienst feiern und ihren Glauben in Liedern und Gesängen ausdrücken wollten.

Das Gotteslob liegt sorgfältig gestalpelt im Heilig-Kreuz-Münster in Rottweil aus. Foto: Imago

Mehr zusammenfinden…

Da ist zunächst das letzte Limburger Diözesangebet- und Gesangbuch. Am Pfingstfest 1957 wurde es eingeführt. Zur Vorstellung schrieb Bischof Wilhelm Kempf: „Dem Pfingstereignis will unser neues Gebet- und Gesangbuch dienen. Es will uns, den Menschen der neuen Zeit, helfen, im Singen und Beten mit Herz und Mund die Großtaten Gottes zu preisen. Es will dazu beitragen, dass wir, die Kinder einer zerspaltenen und zerrissenen Welt, in der Gemeinschaft und in der brüderlich-liebenden Verbundenheit des neuen Gottesvolkes innerlich immer mehr zusammenfinden und zusammenwachsen“. Wie aktuell das heute noch klingt!

Veränderte Frömmigkeit- und Gottesdienstpraxis

Dieses Buch enthält viel mehr Texte als Lieder. Es war die Zeit, als die Heilige Messe noch nicht in unserer Muttersprache gefeiert werden konnte. Um aber den Mitvollzug zu ermöglichen, war das Gesangbuch zugleich ein persönliches Messbuch, in dem die wichtigsten Texte der Liturgie der Sonn- und Feiertage in Deutsch nachvollzogen werden konnten. Neue liturgische Erkenntnisse sollten der Frömmigkeit zugutekommen. Das Wort der Heiligen Schrift stand bei den konkreten Anregungen zum Gebet im Mittelpunkt. Bei der Liedauswahl mit vielen lateinischen und deutschen Gesängen gab es im Vorfeld schon verbindliche Absprachen mit anderen deutschen Bistümern. Und, was mir direkt ins Auge fällt, viele Lieder sind nur mit Text und ohne Melodien abgedruckt. Offenbar konnte man gut darauf verzichten, weil die meisten mit der Singweise ohnehin vertraut waren. […] Vor genau zehn Jahren, zu Pfingsten 2014, wurde das völlig neu erarbeitete neue Gotteslob in Limburg eingeführt – und im Vergleich zu den vorhergehenden Büchern zeigt es in seiner Gestaltung grundlegende Veränderungen in der Frömmigkeits- und Gottesdienstpraxis und in der Notwendigkeit für Erklärstücke Anzeichen der drastisch abnehmenden Kirchenbindung und Gebetspraxis vieler. Alles beginnt in diesem Buch mit Impulsen für den persönlichen und gemeinschaftlichen Umgang mit der Heiligen Schrift. […]

Gesangbuch als Kostbarkeit

Drei Bücher als Zeitkapseln. Uns heute ist das Gotteslob ein Handbuch des Glaubens. Und die früheren Gebet- und Gesangbücher erzählen, was damals als wichtig und unterstützenswert galt. Die Zeiten ändern sich – und wir uns mit ihnen. […] Gebet- und Gesangbücher als Zeitkapseln: Eine berührende persönliche Erinnerung will ich Ihnen erzählen: Zur Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 waren auch 17 brasilianische Bischöfe nach Trier eingeladen, deren Vorfahren aus Deutschland stammten und vor langer Zeit notgedrungen in die neue Welt ausgewandert waren. Beim Festgottesdienst brachte der Sprecher dieser Bischöfe das wie einen Schatz gehütete Gesangbuch seiner Vorfahren mit, das diese bei der Überfahrt und in den ersten Jahren benutzt hatten, bevor ein geregeltes gottesdienstliches Leben aufgebaut werden konnte. An diesem Gesangbuch hatten sich die  einfachen Menschen aus dem Hunsrück und dem nördlichen Saarland in der neuen Welt festgehalten, und es hat sie im Glauben bewahrt. Jetzt brachten es die Nachfahren in die alte Heimat zurück und schenkten es dem Bischof als Zeichen der Verbundenheit. Das Gotteslob ist wirklich eine Kostbarkeit. Es will dem Pfingstereignis dienen, denn, wie Bischof Wilhelm Kempf vor beinahe 70 Jahren schrieb, „es will uns, den Menschen der neuen Zeit, helfen, im Singen und Beten mit Herz und Mund die Großtaten Gottes zu preisen“. Gesamte Pfingspredigt…

Dr. Georg Bätzing | Bistum Limburg

 

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