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Kommunisten aus Solingen im Zuchthaus Herford

28. Februar 2024

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934–1939 (Folge 9). Kommunist Fritz Rath mit seiner Familie im Jahre 1962. Er wurde von den Nazis wegen Hochverrats verfolgt und ins Straflager gebracht. (Titelbild: Imago).

Wie das bereits 1969 erschienene Buch von Karl Schabrod über „Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945“ belegt, gab es im „Dritten Reich“ zahlreiche Massenprozesse gegen Gegner des nationalsozialistischen Regimes. Bei größeren Prozessen wurden damals häufig mehrere der Verurteilten in dieselbe Strafanstalt verbracht, wie im vorliegenden Fallbeispiel aufgezeigt werden soll.

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Nachdem es den Nationalsozialisten gelungen war, 1933 und 1934 die traditionellen Parteistrukturen der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Solingen weitgehend zu zerschlagen, versuchten die Kommunisten dort 1935 ihre Partei neu aufzubauen. Unterstützung dafür sollten sie von den kommunistischen Instrukteuren Wilhelm Kratz (geboren am 10. Juni 1906 in (Solingen-) Wald, hingerichtet am 5. Oktober 1942 in Köln) und Erwin Lörcher (geboren am 17. Februar 1907 in München, gestorben 1991) erhalten, die beide nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in die Niederlande emigriert waren. Von dort aus reisten sie unter anderem nach Solingen, wo sie mit den ehemaligen KPD-Mitgliedern Albert Teichert und Paul Büscher zusammentrafen. Über Elfriede Kratz, die Ehefrau von Wilhelm Kratz, wurden illegale Flugblätter nach Solingen geliefert.

20 „Widerständler“ festgenommen

Ende 1936/Anfang 1937 gelang es der Gestapo, diese Widerstandsgruppe, die sich um Albert Teichert gebildet hatte, zu zerschlagen: 20 Widerständler wurden festgenommen und vor Gericht gestellt. Sie wurden angeklagt wegen des Wiederaufbaus der KPD, der Herstellung und Verbreitung kommunistischer Druckschriften und des Hörens des Moskauer Senders. Am 8. Oktober 1937 fällte der III. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm im Prozess gegen Teichert/Trimborn (Aktenzeichen: 6 O.J. 32/37) die Urteile: Nur ein Angeklagter wurde freigesprochen, die übrigen Angeklagten wurden wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu Gefängnisstrafen in Höhe von sechs Monaten bis zu zweieinhalb Jahren oder zu Zuchthausstrafen von eineinhalb Jahren bis zu acht Jahren verurteilt. Einige der Angeklagten mussten ihre Strafe zumindest zeitweise im Zuchthaus Herford verbüßen, wie folgende Beispiele zeigen.

Paul Büscher

Auch der Rasiermesserschleifer Paul Büscher, der am 14. Juli 1900 in Wald geboren wurde und später in Solingen-Wald wohnte, war Mitglied der KPD. Nachdem er bereits 1933 für einige Wochen in „Schutzhaft“ genommen worden war, wurde er vermutlich im Frühjahr 1937 erneut festgenommen und später in das Gerichtsgefängnis Hamm eingeliefert. Am 8. Oktober 1937 wurde er im Prozess gegen Teichert/Trimborn wegen Vorbereitung zum Hochverrat (Zahlung von Mitgliedsbeiträgen an die illegale KPD, Verbreitung von illegalen Schriften und Abhören des Moskauer Senders) zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren verurteilt. Zunächst im Zuchthaus Herford inhaftiert, wurde er am 20. Juni 1939, also kurze Zeit vor der Umwandlung dieser Strafanstalt in ein Jugendgefängnis, von dort in das Zuchthaus Lüttringhausen eingeliefert. Etwa am 24. November 1940 wurde er aus diesem Zuchthaus unter Bewährungsauflagen entlassen.

Max Röltgen

Der Solinger Schleifer Max Röltgen, am 8. September 1885 in Wald geboren, war Mitglied der KPD, der Roten Gewerkschaftsopposition und der Roten Hilfe. Wegen seines Widerstandes gegen das NS-Regime befand er sich zunächst in Untersuchungshaft: vom 9. bis zum 23. März 1937 in Solingen, anschließend bis zum 1. Oktober 1937 in Wuppertal und danach im Gerichtsgefängnis Hamm. Nachdem er im Prozess gegen Teichert und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren verurteilt worden war, blieb er noch in Hamm in Haft. Von dort wurde er am 1. November 1937 in das Zuchthaus Herford eingeliefert, bevor er am 16. Juni 1938 in das Strafgefangenenlager Oberems überführt wurde. Dort musste er bis zum 27. November 1940 seine Freiheitsstrafe verbüßen, wie ein Entlassungsschein belegt; die Reststrafe war ihm erlassen worden. Nach der Entlassung aus der Haft nahm er wieder die Arbeit bei seinem früheren Arbeitgeber auf. Max Röltgen starb am 31. März 1967 in Solingen.

Albert Teichert

Der Solinger Schlosser Albert Teichert, der am 18. März 1902 in Grünberg/Schlesien geboren wurde, wohnte in Solingen-Ohligs und gehörte der KPD als Mitglied an. Wegen seiner illegalen Tätigkeit befand er sich vom 13. März 1933 bis zum 26. Oktober 1933 in „Schutzhaft“ (in Solingen, in der Strafanstalt Anrath und im KZ Börgermoor). Am 29. Dezember 1936 wurde er erneut festgenommen. Während der Untersuchungshaft war er in den Gerichtsgefängnissen Solingen, Duisburg und Hamm inhaftiert. Am 8. Oktober 1937 wurde Teichert in Hamm in einem Prozess mit insgesamt 20 Angeklagten wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine Strafe musste er zunächst vom 1. November 1937 bis zum 28. Dezember 1937 im Zuchthaus Herford verbüßen. Weitere Haftorte waren das Kommando Abelitzmoor (Verw. Wiesmoor), das Strafgefängnis Lingen, aus dem er am 15. April 1939 (zusammen mit seinen Mitangeklagten Arthur Hönemann und Wilhelm Morsbach) in das Zuchthaus Hameln eingeliefert wurde. Von dort wurde er am 15. Juni 1942 in die Strafanstalt Celle überführt, aus der er am 29. Dezember 1942 entlassen wurde. Am 29. Juni 1943 wurde er zum Bewährungsbataillon 999 eingezogen, dem er bis zum 18. Januar 1945 angehörte; eingesetzt war er in Griechenland.


Wilhelm Morsbach

Auch der Metallschleifer Wilhelm Morsbach, geboren am 5. Mai 1900 in Gräfrath und später wohnhaft in Solingen, hatte sich am Widerstand gegen das NS-Regime beteiligt. Vom 5. März bis zum 5. Oktober 1937 befand er sich deshalb zunächst im Gerichtsgefängnis Solingen in Untersuchungshaft und anschließend im Gerichtsgefängnis Hamm. Durch den III. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm wurde er am 8. Oktober 1937 wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 5. November 1937 wurde er vom Gerichtsgefängnis Hamm aus in das Zuchthaus Herford überführt, wo er bis zum 8. Dezember 1937 einen Teil seiner Strafe verbüßte. Anschließend war Wilhelm Morsbach im Lager Abelitz-Moor und danach im Strafgefängnis Lingen inhaftiert. Von dort wurde er am 15. April 1939 zusammen mit Albert Teichert und Wilhelm Morsbach in das Zuchthaus Hameln eingeliefert, aus dem er am 5. März 1941 nach Solingen-Wald entlassen wurde. Am 1. Juli 1944 wurde er zum Bewährungsbataillon 999 (Baupionierbataillon IV, 2. Kompanie) eingezogen; dieser Sonderformation der deutschen Wehrmacht gehörte er bis zum 29. März 1945 an. Anschließend befand sich Wilhelm Morsbach bis zum 16. Juni 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Er starb am 8. Juni 1992 in Solingen.

Auch Willi Haas und Artur Hönemann, die ebenfalls im Prozess gegen Teichert/Trimborn wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt worden waren, mussten diese zeitweise im Zuchthaus Herford verbüßen. Auf die Darstellung ihres Verfolgungsschicksals soll an dieser Stelle verzichtet werden, da wir über diese beiden Solinger Antifaschisten bereits in der Folge 1 und Folge 8 dieser Artikelserie berichtet hatten.

Armin Breidenbach

Quellen und Literatur

  • Keller-Holte, Mario: Schriftliche Auskunft vom 26.2.2024
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Münster: Schriftliche Auskunft vom 24.1.2024
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Duisburg: Gerichte Rep. 331, Nr. 1 – 10 (Gefangenenkartei der Strafanstalt Remscheid-Lüttringhausen zur NS-Zeit)
  • Sbosny, Inge und Schabrod, Karl: Widerstand in Solingen. Aus dem Leben antifaschistischer Kämpfer, Frankfurt/M. 1975
  • Schabrod, Karl: Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945, Hrsg.: Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969
  • Stadtarchiv Solingen: Schriftliche Auskunft vom 9.1.2024; Wiedergutmachungsakten SG 15309, SG 16054, SG 16259 und SG 16552
  • Raumdernamen Mauthausen

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  • Stolpersteine erinnern an ehem. Häftlinge des Zuchthauses – Folge 1
  • Über das Zuchthaus Herford ist bisher nur wenig bekannt – Folge 2
  • Widerstand gegen das NS-Regime führte zu hohen Zuchthausstrafen – Folge 3
  • Einlieferung von Häftlingen in das Zuchthaus Herford – Folge 4
  • Zeitungen im „Dritten Reich“ über Prozesse gegen Antifaschisten – Folge 5
  • Über Ort und Dauer der Inhaftierung keine Informationen – Folge 6
  • Der Direktor des Zuchthauses Herford: Dr. Josef Wüllner – Folge 7
  • Kommunistische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 8
  • Solinger Kommunisten als Strafgefangene im Zuchthaus Herford – Folge 9
  • Sozialdemokratische Häftlinge im Zuchthaus Herford – Folge 10

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