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Katholische Arbeiter leisten Widerstand im NS-Regime (Teil II)

31. Juli 2025

Im Rahmen der Artikelserie über das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge von 1934 bis 1939 wurden bisher Tausende von Häftlingskarteikarten verschiedener Strafanstalten überprüft, die im Arolsen Archiv einsehbar sind.  Aufgrund dieser Recherchen konnten etwa 600 Strafhäftlinge ermittelt werden, die aus unterschiedlichen Gründen in den Jahren 1934 bis 1939 in jener Strafanstalt inhaftiert waren; mindestens 470 von ihnen saßen dort nachweislich aus politischen Gründen dort ein, verurteilt wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Dieser Artikel Nr. 26 (Teil II) erzählt von vier weiteren katholischen Arbeitern.

Über den Massenprozess wurde in der Ausgabe des Remscheider General-Anzeigers vom 15. November 1935 unter der Überschrift „Hochverräter vor Gericht” berichtet.

 

Georg Krebs

Nach fünf Jahren Erwerbslosigkeit hatte sich Georg Krebs 1934 in Duisburg mit einer eigenen Bäckerei selbständig gemacht. Einige Zeit später wurde in einem Nebenraum seiner Backstube eine illegale Druckerei eingerichtet, in der nachts mit Hilfe eines Abziehapparats Schriften der illegalen Kommunistischen Parte Deutschlands (KPD) in hoher Auflage hergestellt wurden, wie zum Beispiel das „Ruhrecho” oder der „SA-Mann-Kruse-Brief”. Die erforderlichen Matrizen wurden regelmäßig von Kunden der Bäckerei in den Einkaufstaschen mitgebracht. In der Backstube von Georg Krebs wurden aber auch die von Rheinschiffern nach Duisburg gebrachten Pakete mit illegalen kommunistischen Schriften umgepackt, damit sie an Verteilergruppen in anderen Städten des Ruhrgebiets weitergeleitet werden konnten. Die Verbindungen der Duisburger Zentrale reichten teilweise sogar bis nach Thüringen.

Nachdem es der Gestapo Mitte Februar 1935 gelungen war, diese überörtliche Organisation zu zerschlagen, folgte laut Kuno Bludau „eine Serie von Verhaftungen”, in deren Verlauf die festgenommenen Widerstandskämpfer auch gefoltert wurden; einige von ihnen begingen wenig später Selbstmord. Im Massenprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm gegen Georg Krebs und andere waren nach Angaben von Karl Schabrod 141 Personen angeklagt. Insgesamt wurden in diesem Prozess 295 Jahre und sechs Monate Strafhaft verhängt; sechs Angeklagte wurden freigesprochen. Über diesen Massenprozess wurde in der damaligen Tagespresse berichtet, so zum Beispiel im Remscheider General-Anzeiger vom 15. November 1935 unter der Überschrift „Hochverräter vor Gericht.”:

„[…] Wegen Vorbereitung hochverräterischer Unternehmen, wegen Beihilfe zu einem solchen Verbrechen und Vergehens gegen die Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. Februar 1933 erhielten die meisten Angeklagten Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Der Hauptangeklagte wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt. Vier Angeklagte erhielten Zuchthausstrafen von je 15 Jahren. Weitere Angeklagte wurden zu Zuchthausstrafen von 2 bis 8 Jahren und zu Gefängnis von 9 Monaten bis zu 2 Jahren verurteilt. Außerdem wurden mehreren Angeklagten die bürgerlichen Ehrenrechte auf 5 oder 10 Jahre aberkannt. Vier Angeklagte wurden freigesprochen.”

Wegen der großen Anzahl an Angeklagten wurde nur ein Teil der Urteile am 13. November 1935 verkündet; in den Gerichtssitzungen vom 30. November 1935 und 21. Dezember 1935 wurden die restlichen Urteile verlesen. Während Georg Krebs, der am 13. November 1935 zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren (unter Anrechnung von einem Jahr Untersuchungshaft) und zu zehn Jahren Ehrverlust verurteilt worden war, seine Strafe vom 11. Dezember 1935 bis zum 19. April 1945 oder 19. Mai 1945 im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen verbüßen musste, wurden nach bisherigem Forschungsstand mindestens 37 der in diesem Verfahren Verurteilten vom Gerichtsgefängnis Essen aus zwecks Strafverbüßung zum Zuchthaus Herford überführt; zu diesen zählten unter anderem auch Josef Konstanziak, Paul Kubitza und Josef Schulz. Auf diese drei Widerstandskämpfer, die der katholischen Kirche angehörten und die am 30. Dezember 1935 vom Gerichtsgefängnis Essen aus zum Zuchthaus Herford überstellt wurden, soll im Folgenden näher eingegangen werden.


Josef Konstanziak

Der katholische Arbeiter Josef Konstanziak wurde am 20. Januar 1902 in Pirschütz geboren, das bis 1919 zum preußischen Landkreis Pleschen in der Provinz Posen gehörte. Später zog er nach Gelsenkirchen-Buer. Auch er war nach 1933 am Widerstand gegen das NS-Regime aktiv. Nachdem es der Gestapo gelungen war, die Organisation, die sich um Georg Krebs gebildet hatte, zu zerschlagen, wurde auch er festgenommen. Von Gelsenkirchen aus wurde er als Untersuchungshäftling am 22. November 1935 in das Gerichtsgefängnis Essen eingeliefert. Zu wie vielen Jahren Zuchthaus er verurteilt wurde, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Am 30. Dezember 1935 wurde er zusammen mit Paul Kubitza, Josef Schulz und weiten Verurteilten aus diesem Prozess von Essen aus zum Zuchthaus Herford überführt. Wie lange er dort inhaftiert war, ist ebenso unbekannt wie sein weiterer Lebensweg.

Paul Kubitza

Der Schneider Paul Kubitza, der am 10. April 1911 in Bochum-Harpen geboren wurde und später in Gelsenkirchen-Buer wohnte, war ebenfalls Mitglied der katholischen Kirche. Wie eine Häftlingskarteikarte des Gerichtsgefängnisses Recklinghausen belegt, wurde er am 15. Januar 1935 von der Polizei dort eingeliefert. Anschließend musste er folgende auf der Häftlingskarteikarte befindliche Erklärung unterschreiben:

„Ich wurde darauf hingewiesen, daß die Angaben, die ich hier über meine Person mache, richtig sind, und daß ich mich durch falsche Angaben der intellektuellen Urkundenfälschung schuldig und strafbar mache, ferner, daß ich die Hausordnung zu befolgen habe.”

Vom Gerichtsgefängnis Recklinghausen aus wurde Paul Kubitza am 13. November 1935 als Untersuchungshäftling in das Gerichtsgefängnis Essen eingeliefert. Auch in seinem Falle ist das Strafmaß, das ihm auferlegt wurde, bisher nicht bekannt. Dies gilt auch für seine Haftzeit im Zuchthaus Herford und seinen weiteren Lebensweg.

Josef Schulz

Der katholische Bergmann Josef Schulz, der am 19. März 1896 in Sternberg, Kreis Heilsberg, Ostpreußen, geboren wurde, wohnte später mit seiner Familie in Marl. Da er in Verdacht geraten war, sich nach 1933 hochverräterisch betätigt zu haben, wurde er festgenommen und in das Gerichtsgefängnis Gelsenkirchen eingeliefert. Von dort aus wurde er am 15. Januar 1935 in das Gerichtsgefängnis Recklinghausen überführt und am 12. November 1935 zum Untersuchungsgefängnis Essen verlegt. Auch in seinem Fall sind die Höhe des Urteils, die Haftdauer im Zuchthaus Herford sowie sein weiterer Lebensweg bisher nicht bekannt.

Armin Breidenbach
Titelbild: Gefangen unter Hitler, Ausstellung der Gedenkstätte Andreasstraße Erfurt

 

Quellen und Literatur

Arolsen Archives, Online-Archiv: Verschiedene Dokumente
Bludau, Kuno: Widerstand und Verfolgung in Duisburg 1933 – 1945, Duisburg 1973
Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland, Duisburg: Gerichte Rep. 0331 Nr. 4, Haftanstalt Remscheid-Lüttringhausen, Gefangenenkarteikarte
Landesarchiv NRW, Münster: Generalstaatsanwalt Hamm, Erstinstanzliche Strafsachen, Massenprozess gegen Georg Krebs und Genossen (5 OJs 40 – 35)
Remscheider General-Anzeiger vom 15.11.1935, S. 9
Schabrod, Karl: Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945, Hrsg.: Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969


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