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Einkaufsmöglichkeiten im ehemaligen Zuchthaus Herford

15. November 2025

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1933-1939 (Folge 29).

Einige Archivalien aus dem „Dritten Reich” sind heute noch einsehbar, wie zum Beispiel die Jahrgänge des „Ein- und Auszahlungsbuchs über Gefangenengelder”. Diese Bände enthalten unter anderem Namen von Häftlingen des Zellengefängnisses, des Zuchthauses und des seit 1939 geführten Jugendgefängnisses in Herford.

Fahrkarte nach Hause

Zu diesen Archivalien aus den Jahren 1933 bis 1945 gehört auch ein Band mit der Aufschrift „Nachweis über die den Gefangenen abgenommenen Gelder.”, der unter anderem auch Aufschluss über die „Einkaufsmöglichkeiten” der Gefangenen innerhalb der Zuchthausmauern von Herford gibt. Nach sechs Monaten Haft konnten die Zuchthausverwaltungen im Deutschen Reich den Gefangenen per Bestellung den Einkauf von zusätzlichen Lebensmitteln oder von Kautabak erlauben; Voraussetzung war jedoch, dass die Gefangenen genügend Geld verdient und sich gut geführt hatten, um dieses Recht in Anspruch nehmen zu dürfen.

Allerdings dauerte es oft erheblich länger, bis die Gefangenen tatsächlich derartige Einkäufe tätigen konnten, da beispielsweise zunächst ein Teil des Lohnes einbehalten wurde, damit der Gefangene nach der Entlassung ausreichend Geld hatte, um eine Fahrkarte zu seinem Heimatort zu bezahlen. Nach Ute Vergin konnten sich die Häftlinge in den Strafanstalten die Hälfte ihres Lohnes auszahlen lassen, um bestimmte Konsumartikel wie zum Beispiel Seife, Zahnpasta oder Schreibutensilien kaufen zu können. Oder sie konnten ihre Verwandten bitten, einen Geldbetrag zu Gunsten des betreffenden Häftlings auf ein bestimmtes Postscheckkonto zu überweisen.

Schadenszahlungen von Tassen

Darüber hinaus dürfte es – ähnlich wie beispielsweise im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen – auch im Zuchthaus Herford gestattet gewesen sein, dass Besucher eines Häftlings anlässlich ihres Besuchs im Zuchthaus dort Geld zugunsten des betreffenden Gefangenen einzahlen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Essener Sozialdemokraten Otto Meister, der am 9. Juli 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden war. Meister war zunächst für etwa zwei Wochen im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen inhaftiert, bevor er anschließend in das Zuchthaus Herford eingeliefert wurde, wo er für ein bekanntes Hagener Unternehmen Tüten kleben musste:

„Die Tagesleistung (Pensum) betrug 300 Stück. Sie wurde mit 4 Reichspfennigen bezahlt. Nicht etwa, daß diese Bettelpfennige nach Monatsschluß ausbezahlt wurden, nein, sie wurden beiseite gelegt, denn es galt zuerst eine Summe von 25 Reichsmark anzusammeln, damit man bei der späteren Entlassung auch das Fahrgeld selbst bezahlen konnte. Des weiteren mußten auch zu Bruch gegangene Krüge, Tassen und Kübel von diesem Geld bezahlt werden. War der obengenannte Betrag aufgebraucht, so konnte man jeden Monat von der Hälfte seines ‚Verdienstes’ einkaufen. [….] Es war eine Ausplünderung der Strafgefangenen in der vollendetsten Form.”


Dem eingangs erwähnten Band mit der Aufschrift „Nachweis über die den Gefangenen abgenommenen Gelder.” konnten beispielsweise die Angaben zu folgenden fünf Häftlingen entnommen werden, die anscheinend alle 1935 vom Gefängnis Dortmund aus in das Zuchthaus Herford eingeliefert worden waren und deren Straftaten und Haftzeiten nicht bekannt sind:

Der Häftling Ambrosius Weller, im Gefangenenbuch des Zuchthauses Herford unter der Nummer 405/35 registriert, erhielt bei seiner Entlassung am 5. Januar 1937 einen Betrag von 0,63 Reichsmark ausgezahlt.

Heinrich Schelker (Gefangenenbuchnummer 392/35) erhielt am 27. November 1935 für seinen Einkauf im Zuchthaus Herford 0,29 Reichsmark ausgezahlt.

Bruno Michaelis, der im Gefangenenbuch des Zuchthauses Herford unter der Nummer 414/35 registriert worden war, wurde vermutlich im November 1935 zum Zuchthaus Hameln überführt.

Mehr Angaben liegen zu Josef Roderfeld vor, der unter der Nummer 415/35 im Gefangenenbuch des Zuchthauses Herford registriert worden war. Ihm wurden für den Einkauf im Zuchthaus und für den Erhalt von Briefmarken entsprechende Beträge berechnet.

Die meisten Angaben zu Einnahmen und Ausgaben lassen sich für den Häftling Willi Kleinschmidt (Gefangenenbuchnummer 413/35) nachweisen: Er hatte nicht nur zweimal Geldanweisungen erhalten, sondern in seinem Fall wurden auch verschiedene Ausgaben konkret benannt: für Briefmarken, für einen Kalender, für einen Einkauf und für mehrere Ausgaben der Häftlingszeitung „Leuchtturm”. Diese Gefangenenzeitung war ab Mai 1935 die einzige zugelassene Gefangenenzeitung im Deutschen Reich. Ihr Umfang schwankte ebenso wie der Preis (10, 15 oder 20 Pfennig im Monat). Die Gefangenenzeitung wurde auch von den Häftlingen im Zuchthaus Herford gelesen.

Armin Breidenbach | Titelbild: Sanierung des Mauerturms 2025


Quellen und Literatur

Joerger, Gernot: Die deutsche Gefängnispresse in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 197
Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland, Duisburg: Gefangenenkartei der Strafanstalt Remscheid-Lüttringhausen zur NS-Zeit
Leo, Annette: Briefe zwischen Kommen und Gehen, Berlin 1991
Pasquale, Sylvia de: Zwischen Resozialisierung und „Ausmerze”. Strafvollzug in Brandenburg an der Havel (1920 – 1945), Berlin 2013

Privatarchiv Armin Breidenbach: Kopie eines Briefes von Ernst Fastenrath aus dem Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen vom 3.1.1937
Schmidt, Ernst: Lichter in der Finsternis. Widerstand und Verfolgung in Essen 1933 – 1945. Erlebnisse – Berichte – Forschungen – Gespräche, Frankfurt/M. 1979
Vergin, Ute: Die nationalsozialistische Arbeitsverwaltung und ihre Funktionen beim Fremdarbeiter(innen)einsatz während des Zweiten Weltkriegs, Diss. Osnabrück 2008, online einsehbar hier…

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