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Alte Bücher geben Hinweise auf die Häftlingsgesellschaft

27. September 2025

Bei den Recherchen für die Beitragsreihe über „Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934-1939” konnte sowohl auf zahlreiche Publikationen, als auch auf unterschiedliche Archivalien zurückgegriffen werden, wie aus den jeweiligen veröffentlichten Beiträgen ersichtlich wird. Dabei wurde bereits in Folge 19 unter anderem auf die besondere Bedeutung des Online-Archivs der Arolsen Archives für die Geschichtsforschung zum Zuchthaus Herford näher eingegangen. (Folge 28)

 

Von großer Bedeutung für die Erforschung der Häftlingsgesellschaft des genannten Zuchthauses waren und sind aber auch verschiedene Archivalien, die sich in den Abteilungen Duisburg, Münster und Detmold des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen befinden; dies gilt auch für die Informationen, die die Archive der KZ-Gedenkstätten in Mauthausen und Sachsenhausen und verschiedene Stadtarchive in NRW und in anderen Bundesländern bisher für dieses Projekt zur Verfügung gestellt haben. Eine wesentlich kleinere Rolle bei der Geschichtsforschung zum Zuchthaus Herford und seinen Häftlingen spielten bisher die Tageszeitungen aus den Jahren 1934 bis 1939, die trotz ihrer Kontrolle durch das NS-Regime aber ebenfalls einen erheblichen Informationswert besitzen, wie in mehreren Fällen bereits aufgezeigt wurde.

Ein- und Auszahlungsbücher

Eine Quelle ist jedoch bei der Aufarbeitung der Geschichte des Zuchthauses Herford und seinen Häftlingen bisher kaum in Erscheinung getreten, nämlich das Archiv der jetzigen Justizvollzugsanstalt Herford. Dort sind, wie sich in der letzten Zeit herausstellte, noch zahlreiche Archivalien aus der Zeit des „Dritten Reiches” vorhanden, wie zum Beispiel mehrere Jahrgänge des „Ein- und Auszahlungsbuchs über Gefangenengelder”, die unter anderem zahlreiche Namen von Häftlingen des Zellengefängnisses, des Zuchthauses und auch des späteren Jugendgefängnisses enthalten. Einige Seiten aus diesen Ein- und Auszahlungsbüchern konnten bereits ausgewertet werden, sodass die Zahl der bisher ermittelten Häftlinge des Zuchthauses Herford mittlerweile auf über 700 angestiegen ist. Eine systematische Auswertung dieser „Ein- und Auszahlungsbücher über Gefangenengelder” würde ermöglichen, die Liste mit den Namen der Häftlinge des Zuchthauses Herford erheblich zu ergänzen bzw. auch zu korrigieren. Angaben zu den Straftaten und den verhängten Strafen erhalten die genannten Bücher allerdings nicht. Auf drei Häftlinge, die in den Ein- und Auszahlungsbüchern des Zuchthauses Herford erwähnt werden, soll im Folgenden näher eingegangen werden.


Friedrich Mahnstein

Friedrich Mahnstein, der am 7. Februar 1872 in Agnesenhof, Friedland, geboren wurde, lebte später mit seiner Familie in Essen-Kray, wo er als Bergmann arbeitete. Im „Dritten Reich” leistete er Widerstand gegen das NS-Regime und wurde einige Zeit später festgenommen. Als Hauptangeklagter in einem Massenprozess mit insgesamt 91 Angeklagten wurde er am 26. Mai 1937 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren (unter Anrechnung von sieben Monaten und sieben Tagen Untersuchungshaft) und zu drei Jahren Ehrverlust verurteilt (Aktenzeichen: 5 O.Js. 339/36). Das geplante Strafende wurde für ihn auf den 19. Oktober 1940 festgelegt. Insgesamt wurden in diesem Verfahren 157 Jahre und drei Monate Strafhaft verhängt. Bei vier Angeklagten wurde das Verfahren eingestellt; 18 Angeklagte wurden freigesprochen. Von der Untersuchungshaftanstalt Essen aus wurde Friedrich Mahnstein am 19. Juli 1937 zum Zuchthaus Herford überführt. Im Rahmen der damals bevorstehenden Umwandlung dieses Zuchthauses in ein Jugendgefängnis wurde er am 20. Juni 1939 von Herford aus in das Zuchthaus Siegburg verlegt. Von dort wurde er am 19. Juni 1940 vorzeitig nach Hause entlassen. Sein weiterer Lebensweg ist nicht bekannt.

Ernst Klapp

Ernst Klapp, der am 8. Juli 1886 in Ronsdorf geboren wurde und in den 1930er Jahren als selbständiger Bandwirkermeister in Wuppertal-Ronsdorf lebte, war 1932 Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) geworden. Als nach dem Reichstagsbrand Tausende von Kommunisten und Sozialdemokraten festgenommen wurden, gehörte auch er zu diesem Personenkreis; im März 1933 befand er sich für etwa drei Wochen in „Schutzhaft”. Im Rahmen der Ermittlungen der Geheimen Staatspolizei gegen Wuppertaler Regime-Gegner wurde er am 30. November 1935 als Untersuchungshäftling in das Gefängnis Wuppertal-Elberfeld eingeliefert. In dem in Wuppertal stattfindenden Massenprozess gegen Paul Bender und andere, in dem sich insgesamt 99 Angeklagte vor Gericht verantworten mussten, wurden am 11. März 1936 vom 3. Senat des OLG Hamm insgesamt 132 Jahre Strafhaft verhängt (Aktenzeichen: 6 O.Js. 303/35).

Wie dem Urteil im Prozess gegen Paul Bender und andere zu entnehmen ist, wurde Ernst Klapp nachgewiesen, dass er 1934 unter anderem zwei illegale Schriften erhalten hatte, bei denen es sich um die „Rote Fahne”, die Zeitschrift der KPD, gehandelt haben könnte. Aus diesem Grunde wurde Klapp zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt. Um diese zu verbüßen, wurde er am 26. März 1936 vom Gefängnis Wuppertal-Elberfeld aus zum Zuchthaus Herford überführt. Wie lange er dort in Haft war, ist nicht bekannt, auch sein weiterer Lebensweg nicht. Ernst Klapp starb am 2. Februar 1981 in Remscheid-Lüttringhausen.

Karl Schäfer

Auch der Wuppertaler Arbeiter Karl Schäfer, der am 14. Juli 1892 in Elberfeld geboren wurde, beteiligte sich nach dem 30. Januar 1933 am Widerstand gegen das NS-Regime. Er wurde festgenommen und am 18. Januar 1936 im Massenprozess gegen Emil Löhde und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt (Aktenzeichen: 6 O.Js. 346/35). Insgesamt wurden in diesem Verfahren mit 80 Angeklagten vom 2. Senat des OLG Hamm 172 Jahre und ein Monat Strafhaft verhängt; vier Angeklagte wurden freigesprochen. Wie lange Karl Schäfer im Zuchthaus Herford eingesperrt war, ist ebenso unbekannt wie sein weiterer Lebensweg.

Armin Breidenbach

Quellen und Literatur

 

Albel, Ursula und Schott, Christian: Verfolgt, Angeklagt, Verurteilt. Politischer Widerstand und oppositionelles Verhalten in Wuppertal 1933 – 1945. Dokumentation biografischer Daten, Verfahren und Anklagen, Bocholt und Breedevoort 2001
Arolsen Archives, Online-Archiv: Verschiedene Dokumente
Schabrod, Karl: Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945, Hrsg.: Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969
Stadtarchiv Wuppertal: Schriftliche Auskünfte vom 17.9.2025 und 23.9.2025.
Stracke, Stephan: Schriftliche Auskunft vom 15.9.2025


Artikelserie

29. Folgt demnächst…

 

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