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Katholische Arbeiter leisten Widerstand im NS-Regime (Teil III)

26. August 2025

Das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge 1934-1939 (Folge 27).

Bereits in Folge 25 der Artikelserie über das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge wurde darauf hingewiesen, dass sehr viele der im „Dritten Reich” wegen Vorbereitung zum Hochverrat Verurteilten längst aus der Kirche, der sie früher angehört hatten, ausgetreten waren. Auf den Häftlingskarteikarten dieser Widerständler findet sich unter der Rubrik „Bekenntnis” bzw. „Religion” häufig der Eintrag „dissident” (bzw. „diss.” oder „d”), zuweilen in Verbindung mit der früheren Religionszugehörigkeit.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus überraschend, Häftlingskarteikarten von „Hochverrätern” zu finden, die diesen Dokumenten zufolge zum Beispiel noch der katholischen Kirche angehörten. Auf zwei dieser katholischen Widerständler soll im Folgenden näher eingegangen werden. Es sei an dieser Stelle aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich in diesen Fällen keineswegs um „religiösen” Widerstand aus Kreisen der katholischen Kirche handelt. Vielmehr betreffen die im Folgenden geschilderten Fälle den kommunistischen Widerstand, wobei damit noch längst nicht belegt ist, dass die Betreffenden bis 1933 tatsächlich Mitglied oder zumindest Anhänger der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) oder deren zahlreichen Nebenorganisationen, wie etwa der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) oder der „Roten Hilfe”, gewesen waren. Um dies noch genauer bestimmen zu können, wären noch weitere Recherchen nötig.

Paul Glinde

Paul Glinde, der am 6. Juni 1912 in Scherlebeck, Kreis Recklinghausen, geboren wurde, katholisch war und später mit seiner Familie in Bottrop lebte, leistete dort nach 1933 Widerstand gegen das NS-Regime. Im Winter 1935/36 ging die Gestapo mit einer großangelegten Verhaftungsaktion gegen Bottroper Kommunisten vor. Im Zeitraum vom 7. November bis zum 17. Dezember 1935 wurden insgesamt 52 Personen verhaftet und in die Gerichtsgefängnisse von Bottrop, Bochum, Essen und Gelsenkirchen überführt. Auch Paul Glinde gehörte zu den Festgenommenen; von Bottrop aus wurde er am 17. August 1936 als Untersuchungshäftling in das Gerichtsgefängnis Essen eingeliefert. Im Massenprozess gegen Janicki und andere (Aktenzeichen: 5 O.Js. 576/35), in dem sich insgesamt 52 Angeklagte vor Gericht verantworten mussten, wurden am 26. September 1936 insgesamt 130 Jahre und acht Monate Strafhaft verhängt.

Die beiden Hauptangeklagten, Siegfried Janicki und Ignatz Mikolajewski, wurde zu je einer Zuchthausstrafe von acht Jahren verurteilt; die Strafen der übrigen Angeklagten in diesem Massenprozess reichten von acht Monaten Gefängnis bis zu sechs Jahren Zuchthaus. Paul Glinde, der in diesem Massenprozess ebenfalls verurteilt worden war, wurde am 3. Oktober 1936 vom Gerichtsgefängnis Essen aus zum Zuchthaus Herford überführt. Außer ihm mussten noch mindestens sieben weitere der in diesem Massenprozess verurteilten Widerstandskämpfer ihre Strafen später im Zuchthaus Herford verbüßen: der Waldarbeiter Anton Jaroniak, der Dachdecker Johann Kwasigroch, der Verputzer Erich Pawlik, die Bergleute Franz Guzicki, Erich Hoffmann, Alfons Gräser und der Berufslose Heinrich Mannel. Wie lange Paul Glinde im Zuchthaus Herford inhaftiert war, ist bis jetzt ebenso unbekannt wie sein weiterer Lebensweg.

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland. Vg.-Nr.: R3 2025-0011482

Georg Thrum

Der Händler Georg Thrum, der am 11. August 1902 in Kalkar, Kreis Kleve, geboren wurde und katholischen Glaubens war, wohnte später mit seiner Familie in Wesel. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 beteiligte er sich am Widerstand gegen dieses Regime. Zu einem bisher nicht bekannten Zeitpunkt wurde er festgenommen; Ende 1935 musste er sich im Massenprozess gegen den Bergmann Kurt Spindler (Aktenzeichen: 5 O.Js. 380/35) zusammen mit 94 weiteren Angeklagten vor Gericht verantworten. Am 14. Dezember 1935 wurden die Urteile in diesem Massenprozess gegen eine überörtlich agierende Widerstandsgruppe vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm verkündet: Insgesamt wurden in diesem Verfahren 314 Jahre und elf Monate Strafhaft verhängt. Kurt Spindler wurde als Hauptangeklagter wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren verurteilt, die er zunächst im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen und später im Strafgefangenenlager Esterwegen verbüßen musste. 1943 wurde er im KZ Wesermünde ermordet, wie dem für ihn vor einigen Jahren in Duisburg verlegten „Stolperstein gegen das Vergessen” zu entnehmen ist.

Georg Thrum wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (unter Anrechnung von sechs Monaten und 27 Tagen Untersuchungshaft) verurteilt; sein geplantes Strafende wurde auf den 18. November 1937 festgelegt. Vom Gerichtsgefängnis Essen kommend, wurde er am 15. Januar 1936 zunächst in das Zuchthaus Lüttringhausen eingeliefert. Bereits zwei Monate später, am 16. März 1936, wurde er von dort (zusammen mit weiteren politischen und nicht politischen Lüttringhausen-Häftlingen wie zum Beispiel Sebastian Bernard, Anton Dal Mas, Josef Michalski, Johann Ratajczak, Alois Thiemel und Antonio T.) zum Zuchthaus Herford überführt. Georg Thrum, der nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Händler und später als Schausteller tätig war, starb am 29. Juli 1973 in Wesel. Abschließend sei noch auf drei weitere politische Häftlinge im Zuchthaus Herford hingewiesen, die im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv waren und der katholischen Kirche angehörten. Es handelt sich hier um Nikolaus Franz, Heinrich Schrynemaekers und Franz Kr., deren Verfolgungsschicksal bereits in den Folgen 6, 18 und 22 der Artikelserie über das Zuchthaus Herford und seine Häftlinge dargestellt wurde, ohne dass in jenen Beiträgen die Religionszugehörigkeit erwähnt wurde.

Armin Breidenbach


Quellen und Literatur

Arolsen Archives, Online-Archiv: Verschiedene Dokumente
Bludau, Kuno: Widerstand und Verfolgung in Duisburg 1933 – 1945, Duisburg 1973
Kreisarchiv Wesel: Schriftliche Auskunft vom 18.6.2025
Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland, Duisburg: Gefangenenkartei der Strafanstalt Remscheid-Lüttringhausen zur NS-Zeit

Lesczenski, Jörg: „Ab heute scheide ich von euch für immer.” Widerstand und Resistenz in Bottrop 1933 – 1945, Bottrop 2005
Schabrod, Karl: Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945, Hrsg.: Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969
Stadtarchiv Kalkar: Schriftliche Auskunft vom 22.4.2025
Stolpersteine WDR | Kirche Duisburg


Artikelserie

29. Folgt demnächst…

 

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