Um zu Gefangenen auf dem Hohenasperg bei Stuttgart zu gehen, musste ich morgens kein Opfer bringen. Ich bin gerne zu den Gefangenen gegangen. Was ist es, was mich zu Menschen hinzieht, die andere abstoßen? Wie kann ich mich wohl fühlen unter Kriminellen? Das mag kein gutes Licht auf mich werfen, aber zu mir gehören auch dunkle Seiten.

 

Wenn ich meine Fantasien, heimlichen Wünsche anschaue, sehe ich, dass ich eine Menge krimineller Energie in mir habe. In meiner Fantasie habe ich auch schon das eine oder andere Ding gedreht, eine Bank überfallen. Und ich habe auch schon ein paar Leichen im Keller. Nun gibt es Menschen, die das getan haben, was ich manchmal auch gerne tun möchte. Heimlich sympathisiere ich mit ihnen, bewundere sie vielleicht sogar, weil sie das tun, wozu ich viel zu viel Angst habe. Aufgrund meiner Sozialisation und Erziehung sind bei mir Sicherungen und Bremsen eingebaut, die mich daran hindern, mein kriminelles Ich auszuleben.

Freund der Sünder

In manchem Straftäter begegne ich meinem nicht gelebten Leben. Und das kann durchaus anziehend sein. Manche Tat mag noch so verwerflich sein, sie zeigt aber, wozu wir Menschen fähig sind. Kinderschänder, Mörder oder Betrüger sind keine zugeschrieben Bestien, sondern Menschen. Auch wenn ihnen dies oft aberkannt werden will. Ein wichtiger Beweggrund, die Inhaftierten in ihren Zellen aufzusuchen, war für mich der Freund der Sünder, Jesus von Nazareth. Ich will unvoreingenommen auf die Gefangenen zugehen, ohne Berührungsangst, und ohne die Absicht, sie bekehren zu wollen. Ich selbst bin durch die so genannten "Gottlosen" Jesus näher gekommen als durch mein Theologiestudium. „Ich war im Gefängnis, und du bist zu mir gekommen“ - frei nach Matthäus 25, 36.

Petrus Ceelen

 

22. März 2025
Wenn aus der Frage Warum ein Wozu werden kann
„Ich habe doch gesund gelebt, war nie krank – und jetzt das. Warum straft mich Gott?“, sagte mir ein Patient in der Universitäts-Klinik nach der Diagnose Krebs. „Warum ich?“ – eine Frage, die in dieser Situation nur eine unbarmherzige Frage ohne Antwort bleiben kann. Es bleibt […]
3. März 2025
Pastoralpsych. Assoziationen zur fragwürdigen Praxis des Ablasses
Existentielle Grunderfahrungen des Lebens, wie Leben und Tod, Bindung und Trennung, Schuld und Vergebung, beschäftigen die Menschen seit jeher. Sie finden Ausdruck im reichhaltigen Schatz der „Traditionals“ der Menschheit, in den Ritualen, Mythen und Erzählungen, in den Heiligen Schriften der Religionen, wie auch in den Inszenierungen […]
22. Februar 2025
Liebt eure Feinde: Der erste Feind bin ich selbst
„Liebt eure Feinde“ – das Gebot schlechthin von Jesus kommt ausgerechnet am Wahlsonntag zum neuen Bundestag im Evangelium. Wo es doch in diesen aufgeheizten Tagen so wichtig scheint, mit aller Macht auf bewährte Freund-Feind-Aufteilungen zu pochen, um die je eigene Weltsicht zu untermauern. Schließlich ist das […]
8. Februar 2025
Fahr hinaus, wo es tief ist und entdecke wieder neu
Die Leute am See Genezareth drängten zu Jesus, das Wort Gottes zu hören, so beschreibt es das Lukasevangelium. Was anderes hören als Gerede und Gerüchte, was anderes als Katastrophenmeldungen – etwas hören, das wirklich ermutigt, das aufbaut, das die Seele nährt. Die Sehnsucht der Leute muss […]
11. Januar 2025
Da ist ein Riss in allem, so kommt das Licht hinein
In einem Interview mit der Zeitung „The New Yorker“ erzählte der 82-jährige und an Krebs schwer erkrankte Musiker Leonard Cohen, dass er „bat kol“ höre. Der Ausdruck erscheint in vielen Geschichten des Talmud, der jüdischen Auslegung der Thora, und bedeutet wörtlich übersetzt: die Tochter der Stimme. […]
5. Januar 2025
Gott lässt sich ein in die Enge, das Leid und das Scheitern
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gezeltet (Joh 1, 1–18). So klingt die Weihnachtsbotschaft im Evangelium des Johannes. Es nimmt uns als Hörende dieser Botschaft hinein in eine geheimnisvolle Erfahrung. Da ist das Wort, „logos“ in der griechischen Übersetzung, was auch Weisheit […]
Knastschlüssel