Der Zeitpunkt der Inhaftierung kommt für den Betroffenen fast immer unerwartet, selbst wenn er von dem Haftbefehl weiß und er grundsätzlich mit einer Inhaftierung rechnen muss. Entsprechend wenig ist er sowohl von seiner inneren Einstellung noch von den äußeren Bedingungen her auf eine Inhaftierung vorbereitet. Wer unmittelbar nach der begangenen Tat verhaftet wird, steht nicht selten – besonders bei Gewaltdelikten – unter Schock, Verdrängung oder Schuldgefühlen seiner mutmaßlichen Tat.

 

Die ersten Vernehmungen, in der er wiederholt mit der Tat konfrontiert wird, belastet und verunsichert jemanden zusätzlich. In diesem physisch und besonders psychisch stark angeschlagenen Zustand wird er in Untersuchungshaft genommen. Dort beginnt für ihn die abrupte Trennung von der Außenwelt. Obwohl in Untersuchungshaft – d.h., es ist weiter von der Unschuldsvermutung auszugehen bis zu seiner Verhandlung – werden alle für ihn bisher lebenswichtigen Beziehungen zunächst unter- wenn nicht sogar abgebrochen. Der Briefverkehr wird vom Richter kontrolliert, Telefonate müssen ebenfalls genehmigt werden. Die von der Anzahl und der Zeit her spärlichen Besuche können nach § 119 akustisch wie visuell überwacht werden.

 

Der gewohnte Lebensstandard wird auf ein Minimum reduziert. Selbstverständliches wird zum Luxus oder ist verboten. Der Tagesablauf ist reglementiert. Zu jeder Zeit kann mit dem Durchsuchen des Haftraumes gerechnet werden. Obwohl noch nicht rechtmäßig verurteilt, wird er oft auf seine mutmaßliche Tat reduziert. Positive Persönlichkeitsanteile werden wenig wahrgenommen oder gegenüber der Tat relativiert. Bis zu 6 Monaten kann die U-Haft aufgrund von Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr oder Verdunklungsgefahr dauern.

Eine Belastung und Gefährdung bedeutet für den Inhaftierten die möglichen subkulturellen Tätigkeiten im Gefängnis. Manches Mal ordnen Mitinhaftierte entsprechend der Tat ein und man wird bewertet. Gegenüber den Bediensteten erlebt man sich in der Rolle des "Bittstellers". Für alles muss ein schriftlichen Antrag gestellt werden. Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind ihm weitestgehend entzogen. Anpassung wird verlangt. Es greift wieder das Eltern-Kind-Schema: Bin ich brav, werde ich belohnt - bin ich unartig, werde ich mit Entzug bestraft. Diese – hier nur skizzierten – Umstände, vor dem Hintergrund der Fragen: Wie geht es weiter? - Was passiert draußen? - Wann ist mein Gerichtstermin? - Wie hoch wird die Strafe sein? -, stürzt ihn in ein Gefühlschaos, das er nach außen nicht sichtbar machen darf.

Im weiteren Verlauf der Untersuchungshaft stabilisiert sich die psychische Verfassung allmählich - bis nach Abschluss der Ermittlungen die Anklageschrift verfasst wird und Anklage erhoben wird. Das Wissen um den bevorstehenden Gerichtstermin bedeutet einerseits Entlastung - endlich geht die Ungewissheit über die bevorstehende Haftzeit zu Ende - andererseits wird alles, was bei der Bewältigung des Gefängnisalltages etwas verdrängt werden konnte, nun wieder ins Bewusstsein gehoben. Das führt nicht selten zu einer erneuten Krise.

9. Februar 2021
Der dunkle Ort des Gefängnisses wirkt durch den Schnee heller
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28. März 2019
Es ist fast wie ein Zimmer in einem Wohnheim
Manchmal hilft Gustav’s * Sarkasmus. „Ich bin so wertvoll, dass ich nachts im Tresor schlafe“, sagt er. Gustav grinst kurz verschmitzt und guckt dann auf den Boden. Er sitzt im Knast. Für versuchten Totschlag ist er für 6 Jahre und 3 Monate in der Justizvollzugsanstalt (JVA) […]
31. Oktober 2021
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17. März 2024
Hey, lieber Gott, verzeih mir meine Sünden
Er bricht ein weil er Schulden hat, sie begeht einen bewaffneten Raubüberfall, er verkauft Drogen und sitzt schon das zweite Mal hinter Gittern. Es ist falsch Drogen zu verkaufen, Menschen auszurauben, oder einzubrechen. Vor allem nach christlichen Maßstäben. Domradio.de hat Gefangene gefragt: „Was bedeutet Ihnen der […]
19. Mai 2019
„Kommste Kirche“ oder bist Du „auf Transport?“
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7. August 2020
Petition an das Bayerische Staatsministerium der Justiz
Bayerische Strafgefangene dürfen gemäß Artikel 35 BayStVollzG Absatz 1 nur ,,in dringenden Fällen“ mit ihren Angehörigen telefonisch in Kontakt treten. Diese „dringenden Fälle“ beschränken sich laut Rechtsprechung auf Todesfälle, Fristen oder ähnliche Ausnahmesituationen, in denen ein Brief nicht ausreichen würde. Mit anderen Worten: erst muss ein […]