Da fiel mir das Bild aus einem Haftraum der Justizvollzugsanstalt Heilbronn ein… und dann die Verbindung zum „Herrgottswinkel“. Den kennen ja vermutlich viele von der eher älteren Leserschaft. Sagt Ihnen das Wort „Herrgottswinkel“ etwas? Der Herrgottswinkel befindet sich meistens in einer Zimmerecke (“Winkel”) des Wohnzimmers; bewusst mitten in einem Raum des alltäglichen Lebens und oftmals gegenüber des Ofens.
Traditionell ist diese Zimmerecke mit einem Kreuz, einer Marienstatue und oft noch mit Heiligenbildern, Ikonen und Bildern von verstorbenen Angehörigen ausgestattet. Manche bewahren dort auch die Bibel, das Gesangbuch oder den Rosenkranz auf. Je nach Jahreszeit kommt etwa ein Palmzweig oder ein geweihtes Kräutersträußchen dazu. Auch im Gefängnis entdecke ich in machen Zellen immer wieder ähnlich gestaltete Winkel.
Entweder ganz offen dargestellt und frei inspirierte Ecken – wie auf dem Bild- oder versteckt angedeutet oder gar verborgen vor den Augen Dritter. Weshalb gestalten Inhaftierte mit wenig Mitteln, aber oft mit viel Kreativität und Liebe so einen besonderen Ort in ihrer Zelle? Vielleicht als eine Anlaufstelle, um zur Ruhe zu kommen, Kraft und Hoffnung schöpfen zu können, um Hilfe zu bitten oder um für schöne Momente und liebe Angehörige und Freunde zu danken.
Ich denke, uns Menschen tut gerade in schweren Zeiten ein Ort gut, der unseren Blick immer wieder in eine andere Richtung lenkt. Um mitten im Alltag oder abends nach getaner Arbeit, sich zu besinnen und inne zuhalten. Den Blick dabei gerichtet auf etwas, was Kraft und Hoffnung spendet. Haben Sie Zuhause auch so einen Ort , um Kraft und Ruhe im Alltag zu finden?
Hubertus Mayer | JVA Heilbronn