Vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. November 2006 – StB 15/06 – und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. Januar 2007 – 2 BvR – 26/07 – hat die Rechtskommission des Verbandes der Diözesen Deutschlands  einen Leitfaden entwickelt, damit SeelsorgerInnen den rechtlichen Rahmen kennen, in dem sie ihre Aufgaben im Justizvollzug erfüllen können. Eine funktionierende Strafrechtspflege setzt die Verpflichtung des Bürgers voraus, der Strafjustiz als Zeuge zur Verfügung zu stehen.

 

Ohne diese Verpflichtung zur Aussage wäre dem Gericht die Wahrheitsfindung im Strafprozess nur unter sehr großen Schwierigkeiten möglich. Gleichwohl kennen die Prozessordnungen auch Ausnahmen von dieser Verpflichtung zur Zeugenaussage. Diese betreffen zunächst alle Bürger, die in einem bestimmten Sonderverhältnis zur Prozesspartei, zum Beschuldigten oder Angeklagten stehen, z.B., weil sie mit diesem verwandt sind. Auch solche Personen, die sich der Gefahr aussetzen, sich selbst durch die Aussage belasten zu müssen, haben insoweit das Recht auf die Verweigerung der Aussage.

Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht

Es geht um diejenigen Zeugnisverweigerungsrechte, die sich aus der beruflichen Stellung als SeelsorgerIn ergeben sowie um die  Verschwiegenheitsverpflichtung, die sich aus der Dienststellung der Seelsorge ergibt. Die Wahrung des Beichtgeheimnisses gilt bedingungslos. Da jeder Fall anders geartet ist, bedarf es einer jeweils gesonderten Bewertung. Zeugnisverweigerungsrechte und Schweigepflichten gelten in jedem Stadium des staatlichen Verfahrens (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht). Im Hinblick auf die eventuell bestehenden Aussagegenehmigungspflichten muss stets vor einer Aussage Kontakt mit dem Generalvikariat, Bischöflichen Ordinariat, Ordensoberen aufgenommen werden. Außerhalb gerichtlicher Verfahren, z.B. gegenüber der Polizei oder einem Anstaltsleiter, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, Mitteilung zu machen. Spontane, unüberlegte Aussagen können sich schädlich auswirken. Deshalb sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aussage stets sorgfältig zu prüfen. Aussagen, die einmal getätigt wurden, sind in der Welt, da es, was solche Aussagen betrifft, keine Beweisverwertungsverbote gibt.

Geistliche im Sinne des Gesetzes

Zeugnisverweigerungsrechte ergeben sich aus der Stellung als Geistlicher (§ 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO) sowie aus der Stellung des Berufshelfers eines Geistlichen (§ 53a Absatz 1 Satz 1 StPO). Eine Schweigepflicht besteht für öffentlich (kirchlich) Bedienstete (§ 54 Absatz 1 StPO). Voraussetzung ist, dass die betreffenden Personen einer Religionsgemeinschaft angehören, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist. Vor anderen Gerichten (u. a. Zivil-, Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichten) gibt es gleichfalls Zeugnisverweigerungsrechte, die aber in der Praxis von weitaus geringerer Bedeutung sind. Als Grundnorm gilt hier § 383 Absatz 1 Nr. 6 ZPO.

Darüber hinaus sind Geistliche unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Pflicht befreit, durch das Gesetz bestimmte, schwere Straftaten anzuzeigen (§ 139 Absatz 2 i.V.m. § 138 StGB). Die Zeugnisverweigerungsrechte stehen den Geistlichen zu. Sie dürfen das Zeugnis über das verweigern, „was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist“ (§ 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO). Der Schutz des Seelsorgegeheimnisses einschließlich des Beichtgeheimnisses ist verfassungsrechtlich verankert und durch staatskirchenrechtliche Verträge abgesichert.

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