Im sozialen Brennglas einer Justizvollzugsanstalt kommen viele Geschichten von Menschen zusammen, die erzählt werden wollen. Oft trauen sich Inhaftierte nicht, ihre Erfahrungen in Wort und Bild auszudrücken. Und trotzdem gibt es immer wieder Projekte, die es ihnen ermöglicht, ihre Erlebnisse und Empfindungen literarisch und zeichnerisch in Szene zu setzen. Gefängnisseelsorge und andere Initiativen, wie der Literaturpreis für Gefangene, setzen sich dafür ein.

 

In Gefangenenzeitungen, die lokal in einzelnen JVA´en  gestaltet werden, sind Texte und Zeichnungen von inhaftierten Menschen zu entdecken. Viele der Printmedien kommen nicht an die Öffentlichkeit. Gefangene der JVA Berlin-Tegel produzieren ohne Zensur die Zeitung „Lichtblick„, die gegen eine Spende außerhalb abonniert werden kann. Das Heft berichtet über das, was die Gefangenen in ihrer Anstalt beschäftigt: Drogensucht, zu hohe Telefonkosten, Schulden… In der JVA Düsseldorf-Ratingen werden die Gefangenenzeitungen „Ulmer Höh´“ online gestellt. Der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis bestätigt, dass sich oft Literaten und Zeichner unten den Inhaftierten befinden.

Es gibt unterschiedliche Gefangenenzeitungen in deutschen Justizvollzugsanstalten. Sowohl von der Machart als auch von den Themen her unterscheiden sie sich stark voneinander. Sie alle suchen ihren eigenen Weg zwischen (eingeschränkter) Meinungsfreiheit, Bemühungen um Resozialisierung und Sicherheitsinteressen der Gefängnisverwaltung. Viele der Printmedien werden über die Anstaltsleitung „gegengelesen“. Manche der Texte und Zeichnungen werden eigens in dafür veröffentlichen Printmedien publiziert. Beispiel sind die „Knastliteraten“ der hessischen JVA´en Hünfeld und Fulda.

 

Ich habe VG 51¹

"Das ist hier die verordnete oder mögliche reduzierte amtliche Nichtkommunikation. Sorgenbriefe schreiben. Wenn ich etwas geschrieben habe, wird der VG 51 zum Gegenstand der Nachfrage und des Vorwurfes. „Was haben sie den? Ich versuche zu buchstabieren, was ich habe und merke beim Sprechen – es sind so viele Probleme von den Dingen die ich jetzt hier nicht mehr habe und eigentlich weiß ich nicht wie ich das sagen soll und wenn ich ein Wort gefunden habe kommt die Antwort: Das ist nicht relevant.

Das verstehe ich nicht. Der Dienst sagt etwas von Personenmangel und Krankheit. Eine Entschuldigung oder auch ein Verneinen der Möglichkeit jetzt etwas helfendes zu tun. Ich markiere meinen Zwinger und will hier nicht leben. Nicht gehört zu werden und reden zu können ist auch eine Art strukturierter Gewalt. Wie soll ich jetzt noch sagen, was hier für mich nicht verstehbar ist? Es gibt ein sozusagen die Dienstleistung, aber wenn ich sie nutzen will, werde ich klein und mundtot gemacht. Was bleibt? Mich einigeln, mit den Schwanz wedeln, bellen? Mich ritzen? Leckerlies essen, bis ich platze? Ich bin doch ein Hund und kein Ding."

¹ VG 51 ist die amtliche Bezeichung des Formulares “Antrag”. Im Vollzug müssen alle Gespräche und andere Anliegen durch dieses Formular mit der eigenen Buchnummer und den Namen schriftlich beantragt werden.

N.N. JVA Nord-Brandenburg, Wriezen

8. Dezember 2023
Einen Tag im Advent, im Knast: Sehnsucht nach etwas Neuem
Es scheint manchmal, als gäbe es auf jedes Problem eine einfache Antwort. Menschen ohne Lobby kommen dabei denkbar schlecht weg. Beispielsweise, dass Inhaftierte hart bestraft werden sollen und am besten gehören sie für immer weggesperrt! Die Probleme sind aber komplex und vielfältig. Hans-Gerd Paus, ehemaliger Gefängnisseelsorger […]
10. November 2023
Verlorener Sohn krasses Gegenteil, was nach Entlassung erfahren wird
Auf dem schwäbischen Tränenberg, dem Hohenasperg, dort wo sich das Justizvollzugskrankenhaus (JVK) befindet, habe ich in sechzehn Jahren unzählige Gefangene weinen sehen. Tränen um ein verpfuschtes Leben. Tränen um die begangene „Missetat“. Tränen der Ohnmacht, das zugefügte Leid nicht wieder gut machen zu können. Tränen der […]
26. Oktober 2023
Rap-Songs: Einer der gerne wieder in die JVA kommt…
Das Rap-Projekt, welches im Juli in der Justizvollzugsanstalt Herford im Jugendvollzug stattfand, ist ein wiederkehrendes Projekt welches durch den 45 Jährigen Berufsmusiker Danny Ohler (alias Danny Fresh) aus Heidelberg angeboten wurde. Dies wurde vom Gefängnisseelsorger Herrn King organisiert. Ein Redakteur der Gefangenenzeitung POPSHOP durfte das Rap-Projekt […]
26. September 2023
Wenn ich nach Hause komme: Gedichte aus dem Gefängnis
„Ich werde gehen. So einfach ist das.“ Und: „Ich werde nicht nach Hause kommen. So wird es sein, wenn ich nach Hause komme“. Zwei Sätze, die unter die Haut gehen, wenn man die Lebensgeschichte ihres Verfassers kennt – und wenn man weiß, dass sie im „Männerzuchthaus“ […]
15. September 2023
Das Scheitern: Keine Chance auf eine Wohnung
Zum Aktionstag „Gefängnis“ im November sind Texte von Strafgefangenen aus den Justizvollzugsanstalten Lübeck und Neumünster zum Thema „Wohnungslosigkeit und Haft“ entstanden. Die Autoren wurden in Schreibwerkstätten durch den Journalisten Peter Brandhorst angeleitet. Er ist Chefredakteur des sozialen Straßenmagazins „Hempels“ in Kiel. Resozialisierung Das Stigma einer Gefängnisstrafe […]
26. August 2023
Ständig daran erinnert, dass Du eingesperrt bist…
Als ich mich neulich für ein paar Tage in einer JVA umgeschaut habe, gab es viele Erfahrungen und Erlebnisse, die sehr eindrücklich und auch oft beklemmend waren. Zum Beispiel das dauernde Öffnen und Schließen von Türen. Alle paar Meter steckte der Gefängnisseelsorger wieder seinen großen Schlüssel […]