Die Justizvollzugsanstalt Herford wurde in den Jahren 1879 bis 1883 als preußischer Kreuzbau errichtet. Die integrierte Kirche aus dieser Zeit befindet sich am Kopfende dieses Gebäudekomplexes. Die JVA Herford ist eine von vier Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Jugendvollzugs in Nordrhein-Westfalen. Sie ist für die sichere Unterbringung junger Untersuchungsgefangener im Alter zwischen 14 und 21 Jahren und zur Vollstreckung von Jugendstrafen zuständig. Die Anstalt verfügt über 355 Haftplätze, wovon seit einigen Jahren etwa 220 belegt sind. Eine Welt hinter den Mauern, die ein Spiegelbild und ein sozialer Brennpunkt der Gesllschaft darstellt.
Mit mehr als hundert Ausbildungsplätzen im Jugendvollzug ist die JVA einer der größeren Ausbildungsbetriebe der Region in Ostwestfalen. Gegenwärtig werden Ausbildungen in mehr als zehn handwerklichen und industriellen Sparten angeboten. Die Lehrausbildungen enden mit dem Gesellen- oder Facharbeiterbrief. Für Inhaftierte mit kürzeren Haftstrafen ist die Ausbildung in Lehrabschnitten oder in Lehrgängen mit Teilqualifikation möglich. Um den Gefangenen nach der Haft einen möglichst nahtlosen Übergang in die Arbeitswelt zu ermöglichen, werden die beruflichen Förder- und Eingliederungsprogramme der Arbeitsämter und Bildungsträger für ehemalige Strafgefangene genutzt. In diesem Zusammenhang ist das Sonderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, MABIS, zu erwähnen.
Resozialisierung
Der Vollzug gliedert sich in fünf so genannten Flügeln mit der Aufnahmeabteilung, Untersuchungshaft, der Sozialtherapeutischen Abteilung, (SoThA) und einer Abteilung für die Vorbereitung zur Suchtherapie mit vorzeitiger Entlassung in eine entsprechende Einrichtung außerhalb des Vollzuges. Trotz des expliziten Erziehungsauftrages im Jugendvollzug ist im System eine autoritäre und hierarchische Struktur vorgegeben. In der JVA Herford ist nach Genehmigung eine klassische Gitarre auf dem Haftraum erlaubt. Sogar Wasserkocher und eine Pflanzenpalme anstelle von Plastikblumen gibt es. Dennoch: Trotz aller „Vorzüge“ und Zugeständnisse sind die Lebensthemen in allen Knästen gleich. Personalmangel ist ein chronisches Thema. Im Jugendvollzug ist der Stellenschlüssel an SozialarbeiterInnen, FreizeitpädagogInnen und PsychologInnen höher. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es ein Gefängnis ist, in der die Freiheit fehlt. Reglementierungen sind an der Tagesordnung, auch wenn die soziale Sicherheit ein Thema ist, das den Verantwortlichen wichtig ist.
Erziehungsmaßnahmen greifen oft ins Leere, da die Jugendlichen bereits eine Sozialisation mitbringen, die nicht unbedingt mit dem konform ist, was man mit der “Resozialisierung” erreichen möchte. Es gibt offizielle und inoffizielle „Spielregeln“ und beide können ein Eigenleben und eine Eigendynamik entwickeln, mit denen man umgehen muss. Die Maßnahmen dürfen die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht gefährden. Interessenkonflikte zwischen Jugendlichen, Bediensteten und der Sicherheit will in aller Widersprüchlichkeit ausgehalten werden.
Inhaftierte
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 24 Jahren kommen zum größten Teil aus unterschiedlichen Migrationshintergründen. Sie sind ihren kulturellen- und religiösen Verbindungen entwurzelt worden. Einige erinnern sich wenig oder nur durch Erzählungen anderer an ihre Wurzeln oder besinnen sich wieder neu durch ihre Inhaftierung auf ihre Herkunft. Manche haben in ihrer Kindheit ein Wechselspiel zwischen Oma, Stiefvater, der leiblichen Mutter, Aufenthalte in Kinderheimen oder Kinder- und Jugendpsychiatrien hinter sich. Aus den Biographien der Jugendlichen und deren Delinquenzen wird deutlich, dass sie eine Unzahl an Entbehrungen und Benachteiligungen, Naivität und Sorglosigkeit, Aggressionen und Beeinflussungen ausgesetzt waren und sind. Mangelnde Zuwendung, zerrüttete Familien, Kulturschock, keine oder nur eine bruchstückhafte Schulbildung haben sie gelehrt, ihren Mangel durch zweifelhafte und schließlich kriminelle Strategien zu kompensieren.
Jugendliche Täter sind oft selbst Opfer geworden. Es mag vielleicht eine der Arten sein, sich eine eigene Welt zu schaffen, sich denen zu entziehen, die mit ihren Schlüsseln Zugang zu den Türen haben. Die Gefängnisseelsorger gehören dazu. Ob die Schlüssel zum Zugang eines Jugendlichen mit Empathie und mit Sensibilität passen, erweist sich im konkreten Miteinander. Das gegenseitige Sich-Hochschaukeln und subkulturelle Tendenzen fördern kaum eine Achtung und Akzeptanz untereinander. Hinter den Straftaten stehen junge Menschen mit ihrer Geschichte und Erkrankungen. Manche zeigen Reue, manche überspielen und manche lehnen jegliche Aufarbeitung ab. Der harte Umgang untereinander und gewaltübergreifendes Verhalten erübrigt oft eine positive Wendung hin zu mehr Menschlichkeit.
Die Unterbringung erfolgt im Einzelhaftraum, bei Suizid- oder Selbstgefährdungsgefahr in Doppelhafträumen. In der Aufnahmeabteilung werden Jugendliche in der ersten drei bis vier Wochen ihrer Inhaftierung begutachtet, beobachtet und anschließend wird dementsprechend ein Vollzugsplan (früher Förderplan) erstellt. Darin geht es um seine Lebensgeschichte, seine Möglichkeiten der Förderung durch Berufschul- oder Lehrausbildung, die Förderung durch ein Anti Gewalt Training (BiG), einer angemessenen Beschäftigung und um mögliche Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen.
Michael King | JVA Herford