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Was ist aus dem Franziskanerpater Richard Rohr geworden?

16. März 2023

Über Jahrzehnte gab Richard Rohr, der US-amerikanische Franziskanerpater, Impulse für die christliche Männerarbeit. Damit auch für die Gefängnisseelsorge. Auf Umwegen stößt der ehemalige Gefängnisseelsorger Alfons Zimmer von der JVA Bochum seit Jahren wieder auf Richard Rohr. Der deutschstämmige Franziskanerpater (*1943) ist Vorkämpfer für die kirchliche Erneuerung. Richard Rohr wird am 20. März achtzig Jahre alt.

In Deutsch gibt es bis zu vierzig Bücher von Richard Rohr.

Ist es gut, wenn das Volk sich seine Bischöfe wählt? Die Frage stelle sich der Autor und lande schnell bei biblischen Führerpersönlichkeiten, Mose z.B. und Jeremia. Hätten sie zur Wahl gestanden, wären sie bei ihren eigenen Leuten durchgefallen oder nachträglich abgewählt worden. Sie waren nicht nett genug. Dazu hat der männerbewegte Richard Rohr auch etwas dazu gesagt. Ein Dutzend Werke von ihm finde ich in meiner Kellerbibliothek. Alle sind versehen mit Eselsohren und zahlreichen Unterstreichungen. Tatsächlich. Über Mose findet sich einiges bei ihm. Der deutschstämmige Franziskanerpater (*1943) ist Vorkämpfer für kirchliche Erneuerung in den USA, Männerseelsorger, gesuchter Exerzitien-Leiter, charismatischer Redner, Gründer eines Zentrums für Aktion und Kontemplation, geistlicher Autor. Anfang der Neunziger hat er mich sehr beeinflusst. Sein Enneagramm half mir, vermeintlich unbedeutendere Fähigkeiten als Stärken zu erkennen. Die Frage taucht auf: Was ist eigentlich aus Rohr geworden?

Der wilde Mann

In den ersten Jahren der Gefängnisseelsorge in den Bochumer Haftanstalten, einem herausfordernden Feld der Männerseelsorge, begleiteten mich seine Vortragsbücher. Im Bestseller „Der wilde Mann“ stellt er fest, dass Feminismus und Frauenbewegung wichtig waren. Dass aber auch christliche Männer ihre Spiritualität finden müssen, eine männliche. Rohr spricht von zwei Reisen für Männer. Einer inneren Reise des Lieblingsjüngers Johannes, einem eher weichen gefühlsbetonten Typ. Und von einer Reise des rauen Täufers Johannes, der sich nicht nach dem richtet, was gerade „in“ ist. Beide Reisen seien für Männer wichtig, damit sich keine falsche Männlichkeit entwickelt.

Tiefe Erfahrung gemacht

Eine Woche lang konnte ich vor dreißig Jahren mit über 100 Männern in einem norddeutschen Haus mit Rohr verbringen. Unvergessen ist mir die große Runde mit am Körper aufgeklebten roten Punkten, den Wunden des Lebens. Auf allen Körperteilen waren sie zu finden. Männer bis dreißig sollten zuerst aufstehen und kurz erzählen über ihre roten Punkte, dann die bis vierzig usw. Als die über sechzig dran waren und die über siebzig sprachen, die „Alten“, ihre Tränen kaum verbergend, da schluchzte der ganze Saal. Ein Lied nahm ich mit in die Gefängnisgottesdienste, „Sanfter Gott, wir loben dich“ nach bekannter Melodie. Die Inhaftierten dichteten den neuen Text noch einmal um: Statt „Supermänner brüsten sich…“ schmetterten sie laut „Staatsanwälte…“. Für einige Zeit ließ ich das Lied in der Schublade verschwinden. Zurück zu Rohr. Lebt er noch? Ist er noch aktiv?

Noch mit christologischen Bekenntnis vereinbar?

Am 20. März 2023 wird Rohr achtzig Jahre alt. Mit 69 beendete er seine regelmäßigen Vortragbesuche in Deutschland. Was man vom Franziskanerpater in letzter Zeit hört, ist in wichtigen Teilen m.E. nicht mehr mit dem katholischen Bekenntnis vereinbar, vor allem dem christologischen. Christus verrutscht. Er verkleinert sich zu einem Symbol für etwas Kosmisches, noch Größeres, in dem alle Religionen eins werden. Durch seinen Tod auf Kalvaria habe sich nichts für uns geändert. Durch das Kreuz könne sich nur unsere Einstellung ändern. Die altkirchlichen Väter nannten dies Gnosis. Christliche Erlösungslehre ist es jedenfalls nicht mehr, stellt einer von Rohrs Verehrern und besten Kennern fest, der Augsburger Theologe Johannes Hartl. Hartl verabschiedet sich nach Jahrzehnten in einem Blog-Beitrag traurig von Rohr als seinem Lehrer. Rohr sagte einmal, dass vielen Männern, die eine Leiterrolle und Vaterrolle haben, ein Groß-Vater fehle, der Mut macht, einfach weil er da ist und den Weg vorgegangen ist. Wenn Rohr sich von den altkirchlichen Konzilien entfernt, dann fällt er für diese Groß-Vater-Rolle aus. Das ist sehr schade.

Richard Rohr OFM, Claudius Verlag

Alfons Zimmer 

Im Oktober 2022 gab Pater Rohr bekannt, dass er sich „aus dem öffentlichen Leben zurückzieht“, nachdem Krebs in seinen Lymphknoten diagnostiziert wurde. „In dieser Phase meines Lebens“, schrieb Pater Rohr, „möchte ich Raum schaffen für diejenigen, die diese Arbeit in die Zukunft tragen.“ Richard Rohr wurde am 20. März 1943 in Topeka im ländlichen Kansas in den USA geboren. Mit 14 ging er von zu Hause weg und zog nach Cincinnati. Dort trat er mit 18 Jahren in den Franziskaner-Orden ein. Er hat unzählige Bücher geschrieben und gilt heute als einer der bedeutendsten christlichen Mystiker und spirituellen Lehrer unserer Zeit.

 

1 Rückmeldung

  1. Ivan Nolte sagt:

    Aber vielleicht ist Richard Rohr deshalb ein gutes Vorbild, wenn er sich von festgefahrenen Erkenntnissen lossagen kann und Dinge anders sieht. Leben heißt Veränderung. Wahrscheinlich würde Rohr in seinen Büchern heute einiges anders schreiben. Ich finde das nicht schade, sondern bereichernd.

    Das Enneagramm ist ein uraltes spirituelles Modell der Selbsterkenntnis, der inneren Heilung und des seelischen Wachstums. Im Jahre 1989 haben es Richard Rohr und der evangelische Pfarrer Andreas Ebert im deutschsprachigen Raum als das Standardwerk zugänglich gemacht. Wo würde sich Rohr heute einordnen?

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