Was schreiben Sie Inhaftierten in US-Gefängnissen?

16. September 2020

Sich engagieren für Menschen, die Schuld auf sich geladen haben? Briefe schreiben mit einer Mörderin in den USA?  Das Ehepaar Monika und Henry Toedt aus Hammelburg bei Würzburg kennt keine Hürden. Sie treten brieflich in Kontakt mit Menschen, die in aussichtsloser Lage sind. Und das, weil sie es selbst verschuldet haben! Das schreckt die Beiden ganz und gar nicht ab. Ihr Engagement, ihre Lebensaufgabe, wie die beiden 67-Jährigen es nennen, ist nur ein Teil der Geschichte. Die beiden wissen nur zu gut, wie es ist abzustürzen. Vor allem mit Gefangenen in den USA sind sie eng verbunden. Ihr Glaube an das Gute und Ihr christlicher Glaube treibt sie an. Sie erfahren feine Zwischentöne und tiefgreifende Geschichten.

Das Ehepaar Monika und Henry Toedt lebt bei Würzburg. Sie schreiben Briefe an Menschen hinter Gittern. Vor allem in den USA und Großbritannien.

In unserer norddeutschen Heimat sagt man:“ Wat geit mi dat an?“ und meint damit: „Es interessiert mich nicht.“ Doch dürfen wir als Christen so denken, so gleichgültig umgehen mit der Natur, mit Menschen, die sich in Not befinden? „Ich vermisse meine Familie so sehr, ich muss mit Fremden Weihnachten feiern an diesem so schlimmen Ort“ schreibt uns Dawn aus Texas, die sechs Monate lang Tankstellen und Kioske überfallen hat, um Geld für ihren Drogenkonsum zu haben. 8000 Jahre Gefängnis hat sie dafür bekommen! Dabei erzählt sie gern aus ihrer Vergangenheit, von Louisiana, von New Orleans, dieser so tollen Stadt mit den Musikkneipen und Cafes in der Bourbon Street, wo der Jazz und die Soulmusik erfunden wurden. Aber jetzt ist Weihnachtszeit, und da ist alles anders. „Sehr gern nehme ich Eure Einladung an“ verspricht Amber aus Los Angelos, die wegen Beihilfe am Raubmord ihrer Mutter lebenslang bekommen hat, sie erzählt gern von Hollywood, von den Filmstudios, in denen sie so oft war, und sie interessiert sich für deutsche Geschichte und für den schönen bayerischen Märchenkönig Ludwig II. Die wundervollen Schlösser möchte sie auf jeden Fall besuchen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, denn lebenslänglich bedeutet in den USA einsitzen bis zum Tod. Auf was hofft man, wenn man die restliche Zeit seines Lebens im Hochsicherheitstrakt verbringen muss?

Über was schreiben Sie bloß?

Auf was hofft Lisa Jo, die im Drogenrausch zwei Menschen ermordet und deren Leichen in der Tiefkühltruhe aufbewahrt hat, die uns schreibt: „Ich liebe Euch wie verrückt“ und uns liebevoll gemalte Bilder schickt? Wann sie in Mississippi hingerichtet werden soll, weiß sie auch nach 20 Jahren Einzelhaft immer noch nicht. Sie beschreibt uns ihre Heimat Oregon, die Ruhe und diese abwechslungsreiche Landschaft, die es dort gibt. „Die haben es nicht verdient, Mitglied der Gesellschaft zu sein…“ Solche Kommentare hören wir so oft, sie sind uns unerträglich geworden.

Wer sich als Christ bezeichnet, sollte christlich handeln. Sagt Jesus nicht: “ An den Taten sollt Ihr sie erkennen, nicht an den Worten!“ Der Journalist, der über unsere Lebensaufgabe im Januar berichtete, fragte: “ Was, zweihundert Briefe schreiben Sie pro Jahr? Mein Gott, über was schreiben Sie denn bloß?“ Themen gibt es genug. Giovanna lebt seit 12 Jahren in der Forensik in Tennessee, sie hat ein Kind sexuell missbraucht und getötet. Sie erzählt von ihrer Heimat Peru und von ihrer Familie, die in New York lebt und mit ihr nichts mehr zu tun haben will. Sie fragt, wie weit Hammelburg von Barcelona entfernt ist und beendet ihre Briefe mit. „Ich liebe Euch“ auf Spanisch.

Todesstrafe schreckt niemanden ab

Khesha sitzt seit 10 Jahren im Staatsgefängnis Idaho ein, noch weitere 10 Jahre liegen vor ihr, weil sie mit Drogen dealte. Zu Weihnachten häkelt sie Mützen und Schals, die ihre Mutter in Alaska an die Armen der Gemeinde verschenkt mit lieben Grüßen von jemandem, der noch ärmer ist, der alles verloren hat, was ihm heute noch so lieb und teuer ist, der uns mit „meine lieben Engel“ anspricht. Hinter jeder Straftat steckt ein Mensch mit einer eigenen Geschichte, mit einer oftmals lieblosen Kindheit, die geprägt wurde durch Gewalt, Missbrauch und vergeblich erbettelter Liebe. „Wegsperren!“ und keiner fragt nach dem „Warum.“ Jeder von diesen Gefangenen hat etwas sehr Schlimmes getan, hat dafür seine Strafe bekommen, das ist völlig okay, doch irgendwann hat auch er eine zweite Chance verdient. „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ ist die Maxime der amerikanischen Justiz, doch das hat schon im Alten Testament nicht funktioniert.

Seit Donald Trump Präsident ist, wurde alles nur noch schlimmer. Die Gefängnisse in den USA sind fast alle privatisiert, in vielen ist sexuelle Gewalt, auch durch das Personal, an der Tagesordnung. Anzeigen wird nur schleppend nachgegangen. Geholfen hat dieses restriktive Verhalten in keinster Weise, es gibt mehr als 60.000 Drogentote im Jahr, der schwunghafte Handel mit dem weißen Gift geht munter weiter, die Todesstrafe schreckt nicht ab. Das Wort Resozialisierung existiert im Land der unbegrenzten Möglichkeiten weitgehend nicht. Eine Ausnahme ist Carolyn, eine Indianerin vom Stamm der Lakota Sioux, Häuptling Crazy Horse war ein Vorfahre von ihr. Die Flucht nach 4 Morden mit ihrem Freund dauerte 7 Tage und führte durch 8 Bundesstaaten. Nach 20 Jahren in der Todeszelle in Pennsylvania wurde sie zu lebenslänglich „begnadigt“. Sie lebt nun seit fast 30 Jahren im Knast, durfte vor 3 Jahren eine Therapie mit Hundewelpen begonnen und ist erst jetzt, als Frau von gut 50 Jahren in der Lage, über ihre schlimme Kindheit im Reservat zu berichten. Es sind Schicksale wie diese, die uns antreiben. Passend dazu erhielten wir den Gruß: „Wer sein Glück nur in der Ferne sucht, ist nie zu Hause, wenn es anklopft!“

Als wir mit unserer Lebensaufgabe vor nunmehr 8 Jahren begannen, sagte ein guter Freund: „Wer reichlich sät, wird reichlich ernten.“ Wie recht er hat, erleben wir jeden Tag. Die Liebe ist das höchste Gut, das Gott den Menschen gegeben hat.

 

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