Der Synodale Weg der römisch-katholischen Kirche in Deutschland endete mit der fünften und letzten Vollversammlung im März 2023. Dabei hatten sich viele Menschen auf den Weg gemacht um nach den vernichtenden Ergebnissen der Missbrauchsstudie für die Katholische Kirche in Deutschland wichtige Reformen anzustoßen und den Missbrauch wirksam zu bekämpfen. Dabei wurde schnell deutlich, dass es kein einfaches Unterfangen würde.
Gesetzesgerechtigkeit
wird dem Gesetz gerecht
Die Pflicht ist getan,
die Vorschriften eingehalten,
alles in Ordnung!
Alles in Ordnung?
Vorschriften stecken Grenzen ab.
Das Leben ist ein weites Feld dazwischen.
Das Gesetz und die Propheten
lenken den Blick auf Gott
und auf seine Menschen.
Jesus fasst es zusammen:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen –
und deinen Nächsten wie dich selbst.
Die Frage ist dann nicht:
Was darf ich auf keinen Fall tun?
Aber: Was kann ich tun?
Denn die Kirche hat eben keine demokratischen Strukturen und am Ende müssen die Bischöfe und Rom entscheiden, was aus den Beschlüssen des „Synodalen Weges“ wird. Dabei wurde das Argument der „Einheit der Weltkirche“ immer wieder angeführt und Rom stellte sich mit diesem und anderen Argumentationen auf die Bremse. So wurde es oft zu einer Zerreißprobe für Reformwillige und Konservative. Den einen ging vieles nicht weit genug, anderen einiges zu weit. Doch was bleibt am Ende übrig, außer viel heißer Luft?
Das Hinterzimmer kommt nach vorne
Hat doch der Kirchenrechtler Prof. Lüdecke recht, wenn er meint: „Der Synodale Weg hat keine Bedeutung. Der Papst werte den Synodalen Weg als Auffälligkeit gegen Lehre und Disziplin der katholischen Kirche. Daran werde der Bischofsbesuch nichts ändern – und Reformwillige erlebten nur eine weitere Enttäuschung.“ Ist der Synodale Weg am Ende eine Täuschung der Gläubigen? Ich glaube nicht. Denn die Schwierigkeiten waren von vornherein bekannt und die Handlungstexte – ob angenommen oder nicht – sind nun einmal in der Welt. Sie werden auch weiterhin etwas bewirken. Besondere für queere Menschen wurden entscheidende Punkte auf den Weg gebracht: Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und wiederverheiratet Geschiedene beschlossen. Was bislang oft nur in Hinterzimmern, oder zumindest unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschah. Damit verlässt es die pastorale Grauzone und ist ohne Konsequenzen für den Segnenden nun in einigen Bistümern offiziell möglich, z.B. im Bistum Osnabrück oder Essen. Allerdings bedeutet Segnung noch nicht die Ehe für Alle!
Auf Antwort aus Rom warten?
Auch ein neuer Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt wurde beschlossen, der neue Standards für das Taufregister für Trans*- und Inter*Menschen beinhaltet. Darüber hinaus soll es die Möglichkeit einer Segensfeier für Trans*- und Inter*-Menschen geben und die Akzeptanz von und Sensibilisierung für geschlechtliche Vielfalt soll gestärkt werden. Auch durch den Synodalen Weg und die Aktion #OutInChurch wurde eine neue Grundordnung auf den Weg gebracht, die in vielen Bistümern gilt. Damit spielt die persönliche Lebensführung, geschlechtliche Orientierung oder Identität keine Rolle mehr für eine Anstellung bei der Kirche. Es wurde beschlossen, dass Laien in der Eucharistiefeier predigen dürfen und auch Taufen. Beschlüsse wie „Frauen in allen Ämtern der Kirche“ und die „Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester“ werden mit der Bitte zur neuen Prüfung nach Rom gegeben.
Was nun aus all diesen Beschlüssen wird, muss die Realität zeigen. Die ersten Bischöfe haben schon reflexartig erklärt sie in ihrem Bistum erst einmal nicht umsetzen zu wollen, sondern auf eine Antwort aus Rom warten, ob dieses auch möglich ist. Und natürlich kamen aus Rom schon die ersten Einwände und man prüfe die Beschlüsse. Ich bin mir sicher, dass die Kurie in Rom die meisten Beschlüsse wieder kassieren wird. Daher bin ich meinem Bistum und Bischof Bode um so dankbarer, dass er die Beschlüsse sofort in die Tat umgesetzt und nicht gewartet hat. Diese neue Realität wird – auch nach seinem erfolgten Rücktritt – ein neuer Bischof nicht einfach zurückdrehen können.
Ausführung mit Fußfessel?
Mir persönlich kommt immer wieder die Bibelstelle Mt. 5, 17 ff in den Sinn: „Denkt nicht, ich sei gekommen um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen…“ Die Verhinderer von Reformen werden darüber jubeln, denn das Gesetz und die Vorschriften müssen erfüllt werden und nicht davon wird vergehen. Im Gegenteil die Schrauben werden noch einmal angezogen und das Gesetz und die Gebote verschärft. Mich erinnert dieses an die Fesselung von Inhaftierten bei Ausführungen mit einer Fußfessel, damit sie nicht flüchten können. Damit wird jegliche großartige und schnelle Bewegung verhindert. Das Gesetz und die Vorschriften als Fessel? Aber was löst oder öffnet diese Fessel? Was macht die Kirche menschlich? Die LIEBE.
Denn schon Jesus fasst seine Botschaft so zusammen: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen – und deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn das die Kirche und ihrer Verantwortlichen mehr und mehr beherzigen und erkennen, dann würde sich die Kirche wirklich verändern und wäre für alle eine Kirche ohne Angst in der wirklich jeder Mensch willkommen ist. Vielen gehen die Beschlüsse des Synodalen Wegs verständlicherweise nicht weit genug und andere wiederum interessiert die römisch-katholische Kirche längst nicht mehr. Doch die Beschlüsse haben auch Auswirkungen. Wenn auch zu spät, wenn auch zu zögerlich und nicht weit genug: die römisch-katholische Kirche in Deutschland hat mit dem Synodalen Weg Reformwillen und ein klein wenig mehr Menschenfreundlichkeit bewiesen.
Frank Kribber | JVA Lingen
2 Rückmeldungen
Der Synodale Weg hat nur gezeigt, dass der Vatikan und bestimmte Bischöfe in Deutschland sektiererischere Tendenzen an den Tag legen. Die überwiegend „alten Männer“ oder neokonservative junge Kleriker wollen an der katholischen Amtstheologie nichts ändern…
Das Bestehende als „Gott gewollt“ verkaufen, das ist die Linie, die durch die gesamte Diskussionen sehr deutlich wurde. Das ist seit Jahren nichts Neues. Doch wofür gegen diese theologischen Windmühlen kämpfen? Das ist aussichtslos. Es werden neben all den konservativen Strukturen neue Pflänzchen wachsen, die trotz der Mauern gedeihen. Immerhin wurde die kirchliche Dienstordnung für das pastorale Personal geändert. Alles auf Druck von außen. Die so genannte Volkskirche ist nicht zu retten.
Auf der Rückreise von der Tagung #kircheohneangst saß ich in der Bahn in einem so genannten Stille Abteil, als ein junger Mensch fortwährend laut telefonierte, wobei auch die Stimme des Angerufenen zu hören war. Irgendetwas schien er immer wieder zu erklären in einem fordernden und aggressiven Tonfall. Viele Reisende in dem gut gefüllten Abteil waren sichtlich genervt, und auch in mir kam Ärger auf. Dann standen zwei Reisende auf und halfen freundlich und sehr bestimmt einer jungen Person, die für mich bisher gar nicht sichtbar neben dem lauten Menschen saß, aus der für sie so bedrängenden Situation, sie weinte und war offensichtlich sehr erschreckt. Sie begleiteten sie in ein anderes Abteil, trugen ihr den Koffer nach und informierten das Bahnpersonal. Später, beim nächsten Halt des Zuges, wurde der vormals so laute Mensch, der nun allein und still dort saß, von Sicherheitsbeamten aus dem Zug gebracht und auf dem Bahnsteig von der Polizei empfangen. Wie ist es der Person, die hier so belästigt und bedrängt wurde, ergangen? Hatte sie weiter Hilfe bekommen? War sie jetzt wirklich sicher? Und wie ist es der anderen Person ergangen, die von der Polizei festgesetzt wurde? Was ist mit ihr? Und die beiden, die geholfen haben, was für eine Kraft ist da in ihnen, so aufmerksam und zugewandt Hilfe zu leisten? Wie schaffen sie es, in einer aggressiven Situation nicht selbst aggressiv zu werden?
Was macht Angst?
Mich hat diese Erfahrung sehr bewegt. In mir klangen sehr verschiedene Erfahrungen – wo ich bedrängt wurde, aber auch wo ich selbst bedrängt habe, und auch von dort, wo ich helfen konnte. Und zuvor war ich in Begegnungen der Tagung „Kirche ohne Angst“. Wie oft ist ausgerechnet auch ein „Abteil“ Kirche nicht sicher, sondern macht Angst? Situationen tauchen auf: wo laute Stimmen die leisen beherrschen, wo Personen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihres Lebenswandels als nicht „in Ordnung“ oder gar als Sünder verurteilt werden, wo Menschen mit tiefsitzenden Zuschreibungen wie „du darfst so nicht sein!“ still in sich weinen, wo die eigentlich so lebendige und sich wandelnde Kraft des Glaubens und Vertrauens in eine Zwangsjacke von Gehorsam eingepresst ist, wo das Entweder-oder-Denken mit seinem in Rollen festhaltenden Dualismus Vielfalt und nicht binäres Miteinander verhindern, wo Macht betoniert ist in alleinigem Wahrheitsanspruch und dem Gesetz des „Es war immer schon so!“. Dabei ist doch ein „Abteil“ Kirche gerade jenes, in das ich mich begebe, um sicher zu sein und aufgehoben in der Suche meines Glaubens und meiner Hoffnung! So wie ich mich gern in das Abteil „Stille“ der Bahn setze, um dort gut mit all dem zu sein, was in mir gerade so klingt.
Erfahrungen von Aufbrüchen
Kirche ohne Angst: da sind viele leidvolle Erfahrungen von Menschen, die zu not-wendigen Veränderungen aufrufen. Zugleich gibt es viele Erfahrungen hilfreicher und ermutigender Aufbrüche, erzeugt in einem achtsamen und wertschätzenden Miteinander. Diese geschehen nicht selten jenseits der traditionellen Kirchenräume und -gebiete, in denen die gewohnten Rituale in festen Rollenzuschreibungen und Machtverteilungen in Liturgie und Verkündigung noch allzu präsent sind. Da wir nur mit der Angst gut umgehen können, wo wir sie auch ansehen und würdigen, braucht es „sichere“, das heißt vertrauensvolle Begegnungen, in denen das Suchen und Fragen vorkommen darf, ohne Bewertungen oder Ratschlägen, in denen persönliche Erfahrungen gleichberechtigt gelten, um Lebensvielfalt zu ergründen – in denen dann auch die Schattenseiten sein dürfen und beginnen, Licht zu atmen.
Plötzlich Neues?
Und wo ich dies so beschreibe, fällt mir ein, wie oft ich schon solche Begegnungen erlebt habe – auch und gerade außerhalb der Kirche. Da hier bei uns mit einer verschwindenden Minderheit von Christ*innen die Grenzen der Kirche ohnehin ganz schnell erreicht sind, sind solche Begegnungen nicht selten. Womöglich lehren uns gerade jene Begegnungen außerhalb der traditionellen kirchlichen Verfasstheit ganz viel von dem, was es heißt, einfach ganz menschlich miteinander umzugehen – ohne den Anspruch die oder den anderen belehren oder missionieren zu müssen. Und noch mehr: vielleicht erahnen wir die Wirklichkeit Gottes, um die es uns doch eigentlich geht, am ehesten dort, wo wir unsere Vorstellungen und Ansprüche ihr gegenüber loslassen. Kirche ohne Angst – für mich kurz gesagt so: einander begleiten in Achtsamkeit und Wertschätzung und sich überraschen lassen, wie aus einem Sowohl-als-auch plötzlich Neues wird.