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Würdigung vielfältiger Berufungen mit ihren Charismen

26. Mai 2024

Die Anstaltskirche der JVA Herford mit dem angedeuteten „Tauf-Baum“. Über viele Jahrhunderte war und ist bis heute die JVA-Kirche ein Ort, an dem Menschen, unabhängig eines Bekenntnisses, Hoffnung schöpfen können.

„Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ – mit diesen Worten Jesu aus dem Matthäusevangelium sieht die Kirche ihren Missionsauftrag begründet, der aus einer kleinen Gemeinschaft ein weltweites Unternehmen werden ließ.

Zugleich aber ist mit diesen Worten Jesu viel Leid erzeugt worden. Von den christlichen Kreuzzügen vor Jahrhunderten bis hin zum Gebaren eines Pfarrers heute, der die Kinder vor der Erstkommunion zur Beichte im dunklen Beichtstuhl verpflichtet, damit alles seine Gültigkeit habe. Gottes Heil und Segen versprechen, und doch nur am eigenen Machterhalt interessiert sein – was für ein Widerspruch zum Evangelium Jesu!

Gleichgültigkeit und Macht

Machtübernahme und Herrschaft sind einer der beiden Abgründe, zwischen denen der Pfad des Evangeliums wie eine Gradwanderung führt. Der andere Abgrund ist die Gleichgültigkeit, das belanglos gewordene Aufsagen eines Glaubensbekenntnisses, das mit dem Leben nichts mehr zu tun hat. Dazwischen das Evangelium – es lohnt sich, dessen Botschaft genauer anzuschauen. Es heißt, elf Jünger Jesu versammelten sich auf einem Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Womöglich ist es der Berg der so genannten Verklärung Jesu, der Ort, an dem sie die unmittelbare Gottverbundenheit in der Gegenwart Jesu spüren konnten. Vielleicht wollten sie diese Erfahrung erneuern zur Bekräftigung und Ermutigung in ihrem Glauben. Doch einige hatten Zweifel, nüchtern betrachtet werden von den elf Freunden mindestens zehn Zweifel gehabt haben: wie soll es weiter gehen? Wo und wie können wir Jesu Evangelium leben? Werden wir in all den Herausforderungen unseren Glauben leben können?

Vielfalt der Menschen

Im Zulassen dieses Zweifels taucht im Suchen und Fragen eine ermutigende wie herausfordernde Botschaft auf: sie hören, dass sie gehen sollen, und zwar zu allen Völkern. Statt sich selbst auf dem heiligen Berg festzusetzen, sollen sie aufbrechen in die Welt, hin zu den Menschen, die fremd sind und anders. Alle Völker, das meint die ganze bunte Vielfalt der Menschheit, vielgestaltig in Lebensweisen, beglückend, erstaunlich und manchmal auch verstörend, doch immer liebenswürdig. Und sie sollen die Menschen taufen auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Im Evangelium Jesu bedeutet die Taufe das leibhaftige Zeichen der Gotteskindschaft jedes Menschen. Es ist wie bei Jesus selbst: da öffnet sich der Himmel über dem Menschen und im Herzen klingt die göttliche Botschaft: du bist meine geliebte Tochter, mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden!

Kein oben und unten

Die Taufe ist keine Heilstat der Kirche, sie bezeugt vielmehr, was im Menschen von Gott her ohne jede Bedingung schon geschenkt ist: geliebt zu sein und zu lieben. Wenn es eine Taufpflicht gibt, kann es nur die Verpflichtung der Kirche selbst sein, jede getaufte Person in ihrer Gemeinschaft zu würdigen in ihren vielfältigen Berufungen und mit ihren Charismen. Da darf es kein Oben und Unten geben, kein Aufteilen nach Geschlecht, kein Aussondern von alternativen Lebensweisen. Davon ist unsere Kirche noch weit entfernt. Vielleicht ergeht es ihr wie den Jüngern damals: verunsichert hat sie sich festgemacht in ihren heiligen Stätten aus Angst, in den Herausforderungen der Welt den Glauben zu verlieren. Das Evangelium lehrt uns aber, dass Verunsicherung und Zweifel wie Türöffner sind, um neu aufzubrechen.

Christoph Kunz | Matthäus 28, 16-20

 

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