Ein Vierteljahrhundert vor 25 Jahren am 25. Mai 1995 veröffentlichte Papst Johannes Paul II. die Enzyklika „Ut unum sint“, ein päpstliches Rund- und Lehrschreiben. Das Schreiben befasst sich mit den Fragestellungen zur Ökumene zwischen den christlichen Kirchen. Es wird der Wunsch nach der Einheit aller Christen bekräftigt und zum Dialog aufgerufen. Aus Anlass des Jahrestages betont Bischof Dr. Gerhard Feige vom Bistum Magdeburg und Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz: „Ich bin dankbar für die Gemeinschaft, die unter den Christen gewachsen ist.“
Vor 25 Jahren hat Papst Johannes Paul II. seine programmatische Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene vorgelegt. Mit den titelgebenden ersten Worten Ut unum sint (Damit sie eins sind) verankert er gleich zu Beginn den Aufruf zum Engagement für die Einheit der Christen im Wort Jesu, das im Johannesevangelium überliefert ist (Joh 17,21). In seiner Enzyklika macht sich der Papst das ökumenische Anliegen als ein Grundthema des Zweiten Vatikanischen Konzils zu eigen und führt es weiter. Was Johannes Paul II. darin der katholischen Kirche mit auf den Weg gegeben hat, ist nach wie vor aktuell. Es zeugt von einer großen ökumenischen Weite im Denken und von einer großen geschwisterlichen Offenheit im Herzen des Heiligen. Bis heute kann es uns Ermutigung und Ansporn sein.
Tiefe Wertschätzung aller christlichen Kirchen
In Aufnahme des Zweiten Vatikanischen Konzils hebt der Papst hervor, dass die Einheit der Christen in der Taufe gründet. Christinnen und Christen sind einander Schwestern und Brüder, weil sie durch die Taufe mit Christus vereint und so einander verbunden sind. Diese Aussage ist ekklesiologisch von hoher Bedeutung, weil die Taufe für die ‚Aufbauarbeit der Kirche‘ (Nr. 42) grundlegend ist. Daher geht die wechselseitige Anerkennung der Taufe ‚weit über einen ökumenischen Höflichkeitsakt hinaus‘; sie ‚stellt‘ – so die Enzyklika – ‚eine ekklesiologische Grundaussage dar‘ (Nr. 42). Von daher ist die Magdeburger Erklärung von 2007, in der in Deutschland elf Kirchen offiziell festgestellt haben, dass sie die in ihnen gespendeten Taufen wechselseitig anerkennen, nicht hoch genug einzuschätzen und in ihren ekklesiologischen Konsequenzen weiter auszuloten.
Bezeichnend ist die tiefe Wertschätzung, die Johannes Paul II. den Gütern und Gaben, die in den verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vorhanden sind und gelebt werden, entgegenbringt. So spricht die Enzyklika vom ökumenischen Dialog als einem ‚Austausch von Gaben und Geschenken‘ (Nr. 28) und von ‚gegenseitiger Bereicherung‘ (Nr. 87). Eine Ökumene, die im Geist von Ut unum sint nicht an Defiziten orientiert ist, sondern die Gaben im Blick hat, die die anderen in das gemeinsame christliche Haus einbringen, schafft Zuversicht. Dieser Geist muss uns auch künftig leiten, wenn wir auf dem Weg zur vollen Einheit voranschreiten wollen.
Das Papstamt soll nicht trennend sein
Größte Aufmerksamkeit hat die Einladung von Papst Johannes Paul II. an die Geschwister in den getrennten Kirchen und Gemeinschaften erfahren, in einen Dialog über die Art und Weise der Ausübung des päpstlichen Primats einzutreten (vgl. Nrn. 95, 96). Damit hat er, ohne das Papstamt als solches infrage zu stellen, eine Perspektive eröffnet, gemeinsam nach einer Form zu suchen, in der es seinen Einheitsdienst für alle Christen erfüllen kann. Aus dieser Einladung sind in der Diskussion der Folgezeit weitreichende Impulse erwachsen, die konsequent aufgegriffen und vertieft werden müssen.
Die Linie, die sich vom Zweiten Vatikanischen Konzil zu Papst Johannes Paul II. zieht, haben auch seine Nachfolger Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus mit je eigenen Akzenten fortgeschrieben. Heute, 25 Jahre nach Ut unum sint, „bin ich dankbar für die Gemeinschaft, die unter den Christinnen und Christen gewachsen ist“, sagt der Magdeburger Bischof.
Corona-Krise stärkt ökumenischen Zusammenhalt
Als Christen verschiedener Kirchen gehören die Gemeinschaften zusammen. Das zeigt sich in diesen Tagen angesichts der Corona-Krise, in der es auf unterschiedlichen Ebenen eine Vielzahl ökumenischer Aktivitäten gibt. Dazu gehören gemeinsame Gottesdienste und Gebetinitiativen, Aufrufe und Erklärungen – wie etwa das Wort ‚Beistand, Trost und Hoffnung‘ des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, und des Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz, Metropolit Augoustinos – oder andere Gesten der Aufmerksamkeit und Ermutigung.
Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat es schneller und brutaler sichtbar gemacht, als alle wissenschaftlichen Studien zu Klimaveränderung, sozialen Verwerfungen, kirchlichen und staatlichen Machtinteressen, Artensterben und Fluchtursachen es vermocht hätten. Noch können wir viele Entwicklungen steuern. Anstöße gibt es aus der katholischen Soziallehre, der Enzyklika „Laudato si“; sie treffen sich aber auch mit der protestantischen Sozialverkündigung und dem Abschlusstext der letzten Ökumenischen Weltversammlung im südkoreanischen Busan. Gemeinwohlorientierung, solidarische Verantwortung und Nachhaltigkeit gelten ihnen als Werte, die nicht verhandelbar sind. Innerhalb dieser Grundausrichtung werden viele verschiedene, vielleicht einander sogar widersprechende Meinungen, Ideen, Bilder, Hoffnungen, Entscheidungen, Vernetzungen dringend gebraucht. Ökumene auf einem guten Grundfundament – trotz aller Unterschiedlichkeit.
Im interreligiösen und humanistischen Dialog
In der Gefängnisseelsorge ist „Ökumene“ in diesem Sinne längst überholt. Die ökumenische Zusammenarbeit ist in den staatlichen Einrichtungen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine Selbstverständlichkeit und Grundbestandteil der seelsorgerischen Arbeit. Die Realitäten hinter Mauern geben konzentriert das Spiegelbild unserer Gesellschaft wieder. Kaum jemand gehört aktiv einer christlichen Konfession an. Interreligiöser und humanistischer Dialog zwischen Menschen verschiedener Weltanschauungen, Religionen und kulturellen Prägungen stehen im Vordergrund.
Die Enzyklika „Ut unum sint“ kann unter der Rubrik Publikationen als pdf-Datei heruntergeladen oder als Broschüre bestellt werden. Weitere Informationen sind auf der Themenseite Ökumene der Deutschen Bischofskonferenz zu finden.
1 Rückmeldung
Es ist löblich, dass sich der Papst Johannes Paul II Gedanken über die Ökumene gemacht hat. Allerdings ist eine Diskussion um das Papstamt gar nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr geht es darum, dass ChristInnen gemeinsam feiern können. Leider gibt es dahingehend auch nach 25 Jahren deutliche Rückschritte. Allen voran von der Katholischen Kirche. In der Praxis hat sich die ökumenische Zusammenarbeit und das gemeinsame gottesdienstliche Feiern längst etabliert. Die trennenden Elemente amtstheologischer und liturgischer Art werden von der Mehrheit nicht verstanden und mitgetragen. Einer der Folgen ist ein stiller Abschied aus den Kirchen. Mit Ausnahme freikirchlicher Gruppierungen, die aber gar nicht so frei sind, wie sie angeben. Sie wollen klare Antworten geben. Die Probleme liegen gesellschaftlich anders. Es interessiert kaum jemand, welche Gedanken sich Kirchen in internen Kreisen machen. Fasziniert schaut man vielleicht noch auf den Papst Franziskus, der in schwierigen Zeiten ein Fels in der Brandung zu sein scheint. Doch von geöffneten Fenstern wie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist nichts (mehr) in der Katholischen Kirche zu spüren. Ich denke, dies dürfte auch in fast jeder anderen christlichen Kirche so sein, die angibt, die Wahrheit zu kennen.