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Neue Grundordnung: Schwammige Formulierungen

5. August 2022

Kirche der Zukunft? Restaurant in einer Kirche in Bielefeld mit dem Namen Glück- und Seligkeit.

Ein halbes Jahr nach #OutInChurch gibt es eine gemischte Bilanz. Viel sei bislang mit Blick auf die Forderungen der Initiative nicht passiert. Kritik äußerte Jens Ehebrecht-Zumsande von der Initiative zum vorliegenden Entwurf für eine neue „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ der Deutschen Bischofskonferenz. Darauf muss noch einmal genauer hingeschaut werden.

Eine Kommission der Deutschen Bischofskonferenz unter der Leitung von Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln hat einen Entwurf für eine neue „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ und dazugehörige „Bischöfliche Erläuterungen“ veröffentlicht. Das Katholische LSBT+ Komitee und die Initiative #OutInChurch begrüßen, dass gleichgeschlechtliche Eheschließungen in Zukunft kein Kündigungsgrund mehr sein sollen. Sie bemängeln aber, dass Geschlechtsidentität nicht ausdrücklich berücksichtigt wird. Dies schafft ebenso wie die schwammigen Formulierungen zum „christlichen Menschenbild“ und „kirchenfeindlichem Verhalten“ neue Unsicherheiten für queere Mitarbeitende. Der Entwurf stellt positiv fest, dass alle Mitarbeitenden der Kirche unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Lebensform die unbedingte Liebe Gottes und damit die Kirche repräsentieren können. Es markiert einen entscheidenden Fortschritt gegenüber der bisherigen Grundordnung, dass „Beziehungsleben und Intimsphäre“ als „Kernbereich(e) privater Lebensführung“ einer arbeitsrechtlichen Bewertung ausdrücklich entzogen sein sollen. Die bisher geltende Rechtslage, dass das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe eine Kündigung zur Folge hat, ist damit abgeschafft.

Die Kirche ist oft in sich gefangen… Ob sich da etwas verändern lassen kann? Die Nagelprobe steht noch aus, wie weit die Deutsche Bischofskonferenz gehen möchte.

Unklarheiten in der Geschlechtsidentität

Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen wird als eine Bereicherung gewürdigt. Das könnte den Grundstein legen für die Entwicklung einer lebendigen Kultur der Diversität in der Zukunft. Die Grundordnung benennt explizit die Gleichstellung von Frauen und Männern als Aufgabe. Geeignete Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen sind seit langem überfällig, Frauenförderung, Gleichstellungsanalysen und die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen müssen angegangen werden. Unklarheiten zur Geschlechtsidentität sollen ausgeräumt werden Kritisch sehen die Netzwerke, dass der Entwurf der Grundordnung des kirchlichen Dienstes und die bischöflichen Erläuterungen das Merkmal der geschlechtlichen Identität nicht benennen und einem binären Geschlechtermodell verhaftet bleiben. Hier bleibt unklar, ob mit dem Merkmal Geschlecht zukünftig auch trans- und intergeschlechtliche und nichtbinäre ArbeitnehmerInnen vor Diskriminierungen aufgrund der geschlechtlichen Identität geschützt werden.

Werte nicht präzise definiert

Veronika Gräwe vom Katholischen LSBT+ Komitee fordert: „Der Entwurf muss dringend nachgebessert und konkretisiert werden, damit auch für trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Mitarbeitende der kirchliche Arbeitsplatz zu einem Arbeitsplatz ohne Angst wird. Gleichstellungsmaßnahmen müssen die Gleichstellung von Mitarbeitenden aller geschlechtlichen Identitäten im Blick haben.“ Jens Ehebrecht-Zumsande von der Initiative #OutInChurch erklärt zum Entwurf: „Der Entwurf wirft einige Fragezeichen auf, weil die genannten christlichen Werte nicht präzise definiert sind. Wenn jemand sich auf einer Dating-Plattformen outet, ist das schon öffentlich und damit zu sanktionieren oder noch privat? Ist z.B. die Forderung nach Frauenordination schon kirchenschädliches Verhalten, das eine Kündigung nach sich ziehen kann? Ist eine Transition von transgeschlechtlichen Menschen mit dem geforderten christlichen Menschenbild vereinbar? Hier gibt es noch einen erheblichen Klärungsbedarf.“

Keine Einladung zum Dialog

Unzufrieden zeigt sich Ehebrecht-Zumsande mit den Möglichkeiten der Partizipation und der Transparenz des Verfahrens: „Bis heute wurde die Expertise von queeren katholischen Organisationen nicht in die Beratung einbezogen. Wir sehen auch jetzt keine Einladung zum Dialog. Wollen Bischöfe und Arbeitsgruppe hinter verschlossenen Türen beraten? Offen bleibt zudem, wie und wann die Prinzipien der Grundordnung auf die Verleihung der Missio canonica für Religionslehrkräfte übertragen werden.“ Veronika Gräwe macht auf eine Konsequenz der neuen Regelungen aufmerksam: „Zahlreiche Berichte von LSBTIQ* Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst belegen die enormen psychischen Belastungen, die für sie mit einer Tätigkeit im kirchlichen Dienst verbunden sind. Wo Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, wie in dem Entwurf vorgesehen, die Gesundheit in den Blick nehmen, müssen im Hinblick auf LSBTIQ* auch Minderheitenstress und internalisierte Homonegativität und Transfeindlichkeit als Risikofaktoren in Gefährdungsbeurteilungen miteinfließen.“

System reagiert nur auf Druck

Im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im März 2022 im bayerischen Vierzehnheiligen habe es einen Termin mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und dem Essener Weihbischof Ludger Schepers gegeben. Dabei habe die Initiative angeboten, sich an den Gesprächen zur neuen Grundordnung zu beteiligen. „Doch es gab bis heute leider kein Gesprächsangebot. Das ist schade“, betonte der Essener Mitinitiator Rainer Teuber. Der Kunsthistoriker verbuchte es als Erfolg, dass bislang keinem Beteiligten bei #OutInChurch von einem kirchlichen Arbeitgeber gekündigt worden sei. Die Bischöfe und Generalvikare hätten stattdessen sehr schnell auf #OutInChurch reagiert und „ihre Liebe zu ihren queeren Mitarbeitern entdeckt“. Dies bewertete Teuber jedoch ebenfalls kritisch: „Warum entdecken die Kirchenverantwortlichen ihre Wertschätzung für queere Mitarbeiter nach Kampagnenstart und nicht schon vorher? Es ist wie so oft in der Katholischen Kirche: Das System reagiert nur auf Druck“ , sagt Teuber. Wenn die katholische Kirche in Deutschland ein Arbeitsrecht verabschiede, dass transidente non-binäre Personen anerkenne, verstößt sie damit gegen die römische Lehrmeinung.

Quelle: Pressemitteilung #OutInChurch

Die Initative

Im Rahmen von #OutInChurch hatten sich Ende Januar 2022 zuerst 125 Mitarbeiter der Katholischen Kirche öffentlich als queer geoutet, etwa als homosexuell oder transgender. Inzwischen sind es mehr als 600. Sie forderten unter anderem eine Überarbeitung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen der Kirche, damit etwa in einer homosexuellen Partnerschaft lebende Beschäftigte keine Kündigung fürchten müssten. Als Reaktion auf die Forderungen und ähnliche Diskussionen beim Synodalen Weg legte die Bischofskonferenz Ende Mai den Entwurf für eine neue Grundordnung vor.

Demnach sollen die private Lebensgestaltung, das Beziehungsleben und die Intimsphäre der Beschäftigten keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten. Die Beratungen über das neue Arbeitsrecht sollen noch 2022 abgeschlossen werden. Die arbeitsrechtlichen Bedingungen für die rund 1,3 Millionen Mitarbeiter der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände in Deutschland unterscheiden sich erheblich von den für andere Arbeitnehmer geltenden Bestimmungen. Grundlage dafür ist das Grundgesetz, das den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht einräumt.

 

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