Die Initiative „Freiheitsfonds“ zur Entkriminalisierung von Schwarzfahren in Bus und Bahn kauft Gefangene aus Gefängnissen frei. Besonders das Datum ist historisch: Am 1. September 1935 wurde jenes Gesetz eingeführt, das bis heute Menschen wegen fehlender Tickets in Bus und Bahn ins Gefängnis bringt. Am Freedom Day hat die Initiative aus Berlin bundesweit ca. 100 inhaftierten Menschen deren Geldstrafe bezahlt.
Das Fahren ohne ein gültiges Ticket ist in Deutschland eine Straftat. Tausende Menschen landen jedes Jahr im Gefängnis, weil sie sich kein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr leisten konnten. Bis zu ein Jahr können Menschen deswegen in Haft kommen. Die Betroffenen sind überwiegend arbeitslos, ohne festen Wohnsitz oder gar suizidgefährdet. Der Straftatbestand wurde 1935 von den Nationalsozialisten eingeführt. Bis heute werden dadurch Menschen für das Fahren ohne Ticket häufig härter bestraft als z.B. Menschen, die angetrunken am Straßenverkehr teilnehmen.
9.000 Menschen mit Ersatzfreiheitsstrafen
Die Initiative fordert, dass der veraltete Paragraf aus dem Jahr 1935 mit dem § 265a des Strafgesetzbuches (StGB) gestrichen wird. Fahren ohne Ticket muss entkriminalisiert und langfristig eine kostenlose Nutzung des öffentliche Personennahverkehrs (ÖPNV) ermöglicht werden, so die Argumentation. Die Verkehrsunternehmen sollen die Verfolgung von Menschen einstellen, die ohne Fahrschein fahren. Der Sprecher des Freiheitsfonds aus Dortmund, Leonard Ihßen, fordert die Bundesregierung auf, den entsprechenden Strafrechtsparagrafen, der das Schwarzfahren unter Strafe stellt, zu reformieren. „Die Entkriminalisierung muss jetzt verändert werden“, mahnte er mit Blick auf den Paragrafen 265a des StGB mit dem sogenannten „Erschleichen von Leistungen“. Der Initiative zufolge sitzen jährlich schätzungsweise rund 9.000 Menschen in Deutschland in Gefängnissen Ersatzfreiheitsstrafen wegen fehlender Tickets in Bus und Bahn ab. Studien zufolge koste die Strafverfolgung für das Fahren ohne Ticket den Staat jährlich rund 120 Millionen Euro, schreibt die Initiative. Der Freiheitsfonds hat nach eigenen Angaben bislang durch das Zahlen von Geldstrafen 1.288 Menschen „aus dem Knast befreit“.
21 Millionen Euro sparen
Mithilfe von Spendengeldern übernimmt der Verein die Geldstrafen und kann so die inhaftierten Menschen freikaufen. Die Aktion fand bereits zum 14. Mal statt. Seit Gründung des Projekts Ende 2021 seien rund 100.000 Haft-Tage verhindert worden, so die Berliner Initiative. Allein an Haftkosten seien damit 21 Millionen Euro an Steuergeld gespart worden. Eine geplante Entkriminalisierung von „Fahren ohne Fahrschein“ begrüßt der Freiheitsfonds ausdrücklich. Die Strafverfolgung betrifft vor allem Menschen mit geringem oder keinem Einkommen und zieht schwerwiegende soziale Folgen nach sich. Die Justiz und der Haushalt von Bund und den Ländern sollen durch die geplante Streichung des Straftatbestandes spürbar entlastet werden. Die frühere Ampelkoalition hatte geplant, das Schwarzfahren zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Der Gesetzentwurf kam aber nach dem Bruch der Koalition nicht mehr zur Abstimmung.
Quelle: Freiheitsfonds
1 Rückmeldung
Ich empfinde es als eine Ungerechtigkeit, dass Menschen wegen Schwarzfahren (und des nicht bezahlen können des Bußgeldes) in das Gefängnis müssen. Einmal widersprechen diese juristischen Entscheidungen dem Grundprinzip einer echten Demokratie-der erhältnismäßigkeit. Zudem hat das Gesetz seine historischen Wurzeln in einem diktatorischen Unrechtsstaat und die Gefängniskosten werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Sodass das Fehlverhalten eines Einzelnen auf die „Schultern“ aller Bürger abgewälzt wird, was meines Erachtens nur in äußerster Notlage der Fall sein sollte.
Zudem handelt es sich ja bei den „Transportunternehmen“, die die Kontrollen durchführen und die Strafen erteilen, ja oft um kommunale und städtische Unternehmen, die ja auch von der Allgemeinheit über Steuergelder bereits finanziert werden. Es ist also ein mehrfaches „Abkassieren“ der Allgemeinheit und des Steuerzahlers. Zudem wäre es für Ihre Spendenden nicht viel angenehmer, wenn direkt das wesentlich günstiger Bussgeld (40-60 Euro) bezahlt werden würde und nicht die viel kostspieliger Auslösung aus dem Gefängnis? Es wird Zeit, dass es zu einer Ordnungswidrigkeit wird, wie im Rest Europas…warum gilt hier nicht sowieso gleiches europäisches Recht, wie in so vielen anderen Lebensbereichen?