Kameras auf hohen Mauern, Stacheldraht über Zäunen, schwere Sicherheitstüren – dahinter eine Kunstwerkstatt. Was merkwürdig klingt, ist in Bremens Justizvollzugsanstalt Alltag. Dort arbeiten die Inhaftierten gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern an Holz, Beton oder Ton. Dabei erinnert die ehemalige Lehrbauhalle auf dem Gefängnisgelände eher an einen Flugzeughangar.
In der runden und etwas zugigen Halle entstehen verschiedene Werke: etwa eine Königin aus Holz, die per Hand aus ihrem Rumpf geschlagen wird, oder ein Käse aus gegossenem Beton. Ein Insasse arbeitet an einer Löwenmaske, die vielen Holzspäne zeigen die Spuren seiner Arbeit. „Hier hat man jeden Tag Lust zur Arbeit zu gehen“, sagt der Inhaftierte. Bei der Arbeit sehe man direkt, was man geschafft habe – Selbstwirksamkeit im sonst schnell eintönigen Alltag. Janis Mengel und Klaus Effern sind zwei der insgesamt zehn Künstlerinnen und Künstler, die die Inhaftierten bei der Arbeit unterstützen. Ihr Lob helfe, sich auch mit neuen Dingen zu beschäftigen: „Man merkt: Ton ist auch nur Knete für Große“, sagt der Gerfangene.
“Ton ist auch nur Knete für Große”
Seit mehr als 45 Jahren bietet der Verein „Mauern öffnen“ das Angebot in der Erwachsenenwerkstatt an. Wenn die Kunstwerke fertig geschnitzt und gebrannt sind, werden sie vom Team der Außenwerkstatt beim jeweiligen Kunden installiert. Vieles, was die Insassen in der von der Außenwelt abgeriegelten Werkstatt schaffen, findet seinen Weg in den öffentlichen Raum. Beton- und Tonarbeiten schmücken Parks oder Spielplätze – denn häufig gehören Schulen oder Kindertagesstätten zu den Auftraggeberinnen. Die Künstler schauen sich die Gegebenheiten vor Ort an und gestalten einen Entwurf. Die Umsetzung der Ideen ist in weiten Teilen den Inhfatierten überlassen. „Im Miteinander mit den Gefangenen stellt die Arbeit den roten Faden dar“, sagt Künstler Klaus Effern. Das Team freut sich ständig über neue Projekte, denn dadurch ergibt sich nicht nur neue Arbeit für die inhaftierten Menschen, der Verein finanziert sich auch durch Aufträge. Interessierte unterstützen den Verein mit dem Kauf von Gefängniskunst – eine Ausstellung findet mindestens einmal jährlich statt.
Königin geschnitzt
Ein weiterer Inhaftierter schnitzt an einer Königin aus Holz. Er berichtet, dass sich sein Zugang zu Kunst vollständig geändert habe: „Ich habe Kunstwerke nie aufmerksam betrachtet – jetzt bin ich selbst daran beteiligt.“ Gerade die Tatsache, dass er mit seiner Kunst Kinder glücklich machen könne, sei für ihn sinnvoll und erfüllend. Er lässt beide Hände auf die Höhe seiner Hüfte sinken, die Arbeit zeigt sich an den rauen Fingern. Er schaut auf seine aktuelle Arbeit und fragt nach einer kurzen Pause zufrieden: „Wer kann schon von sich selbst sagen, dass die eigene Kunst im öffentlichen Raum steht?“
Moritz Kalvelage, Fotos: Rene Weinitschke | Mit freundlicher Genehmigung: Weser Kurier