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Im Karneval muss man das Grobe aushalten

20. Februar 2023

Eine Bischöfin und männliche Geistliche als Schweine zeigt ein Motivwagen des Kölner Rosenmontagszugs. Das Team Kritzelköpp hat ihn entworfen. Es geht um die Zukunft der katholischen Kirche. Es ist nicht der erste Wagen solcher Art, der den sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche anprangert. Der Wagen bringt es auf einen Punkt, der weh tut, so der Kölner Pfarrer Frings. Aber: „Man muss das Grobe aushalten“, sagt der Priester, der selbst Sitzungspräsident der Kölner Karnevalsgesellschaft „Die Große von 1823 e.V.“ ist.

Die Idee des Wagens dahinter ist eine katholische Bischöfin, die den Klerus für mehrere Jahre wegsperrt. Wie finden Sie diesen Wagen?

Ich habe ihn gesehen und meine Reaktion war, das zu sehen tut weh. Aber der Schmerz wird nicht durch den Wagen verursacht, sondern was der Wagen bezeichnet. Damit sind wir schon mitten in der Diskussion von Kirche und Missbrauch und allem. Denn er beschreibt etwas, das tatsächlich da ist. Es tut allerdings auch weh, wenn eine ganze Berufsgruppe so dargestellt wird. Ich muss einfach sagen, nicht alle Priester sind Schweine, es ist sogar nur eine ganz kleine Gruppe, die uns allerdings fürchterlich in Misskredit gebracht hat. Die meisten sind gut drauf.

Rosenmontag 2023 in Düsseldorf. Motiv des Karnevalswagenbau-Künstlers Jacques Tilly

Kritik an der Kirche vor allem mit Blick auf die vielen Missbrauchsskandale ist sicherlich absolut legitim. Aber es handelt sich doch um eine Verallgemeinerung, die man vielleicht ungerne hinnimmt, wenn man selber diesen Beruf ausübt. Muss man Priester und Bischöfe generell als Schweine darstellen?

Nein, muss man nicht. Allerdings glaube ich, dass man das hinnehmen muss. Der Karneval ist jetzt häufig auch etwas grob Geschnitztes. Wir haben manche Redner dazwischen, die sehr fein drechseln können in ihren Reden. Aber man muss auch das Grobe aushalten. Gerade diese Motivwagen sind welche, die es auf einen einzigen Punkt bringen müssen. Das ist die Herausforderung dieses Wagens. Sonst muss er nicht losfahren, wenn er drumherum laviert. Er bringt es auf einen Punkt, der wehtut. Und wir müssen es aushalten.

Den Begriff „Schweinepriester“ hat wahrscheinlich jeder schon mal gehört. Den gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Aber Darstellungen, bei denen die Menschen entmenschlicht und zu Tieren gemacht werden sind generell eher schwierig, oder? Wie beurteilen Sie das?

Die sind schwierig, aber jetzt reden Sie mit einem, der als ein solcher dargestellt wird. Und wenn der sich dann dagegen wehrt, hat das immer so ein bisschen was „Geschmäcklerisches“, der muss sich ja dagegen wehren. Überzeugender ist es, wenn Nicht-Priester sagen würden, das finden wir jetzt eine Spur zu stark. Wenn ich es sage, wenn meine Berufsgruppe das sagt, ist das immer schwierig, finde ich.

Auf der anderen Seite darf man sich als Institution wahrscheinlich auch nicht wundern, wenn man satirisch aufgegriffen wird. Drückt der Wagen jetzt nur das aus, was in der Gesellschaft zu gelten scheint, nämlich dass die Kirche viel an Ansehen verloren hat?

Absolut. Und wenn eine Institution, die für den Glauben steht, ihre Glaubwürdigkeit verloren hat, dann hat sie ihren Wesenskern fast verloren. Jetzt heißt es natürlich immer, wir müssen das zurückgewinnen. Ich kenne Gott sei Dank sehr viele Mitbrüder, die sich redlich darum bemühen, sich nichts haben zu Schulden kommen lassen und die keine Schweinepriester sind, sondern gute Priester.

Sie sind selber auch aktiver Karnevalist. Gibt es für Sie Grenzen auch bei Büttenreden oder Motivwagen, die man nicht überschreiten sollte oder darf?

Da kommt immer wieder der Satz, was darf Satire? Alles. Wenn wir anfangen, Grenzen aufzuzeigen, wird es schwierig, die einzuhalten. Ich habe persönlich noch keine ausschweifenden Verletzungen erlebt. Ich habe Grenzen erlebt. Ich habe auch gemerkt, dass Punkte dabei sind, wo es verdammt weh tut. Aber ich habe noch nicht einen Moment gehabt, wo ich gesagt habe, das verbitte ich mir, das möchte ich nicht. Den habe ich noch nicht erlebt.

Können Sie sich vorstellen, dass dadurch, dass es so auf den Punkt gebracht wird, man auch ins Gespräch, in die Diskussion kommt und man auch letzten Endes vielleicht was Positives bewegen kann, wenn das so plakativ dargestellt wird?

Das wäre auf jeden Fall zu hoffen! Es ist immer wieder schwierig, wenn ein Priester selbst das sagt. Aber den Missbrauch gibt es in der Gesellschaft, den gibt es nicht nur in der Kirche, den gibt es nicht nur durch Priester. Nur sind wir eine Institution, deren Fallhöhe die höchste ist und deren Aufprall am lautesten ist und die als Institution dingfest zu machen ist. Das geht bei den Lehrern oder bei dem Sport einfach nicht. Deswegen müssen wir das aushalten. Es wäre gut, wenn die Gesellschaft nicht als erstes die Kirche in den Blick nimmt, sondern den Missbrauch, und zwar den ganzen Missbrauch.

Das Interview führte Dagmar Peters | Quelle: domradio.de

 

1 Rückmeldung

  1. Mönkebüscher sagt:

    Täusche ich mich oder stimmt es, dass bei den Missbrauchsgutachten der Bistümer, die so nach und nach erscheinen, ein anderer Ton auch in der Aufnahme und Kommentierung seitens der lebenden Bischöfe und anderer Menschen in der Kirche dabei ist, je nachdem ob belastete Bischöfe noch leben oder schon verstorben sind?
    Täusche ich mich oder stimmt es, dass wir uns an diese zutage tretenden Fakten gewöhnt haben und sie auch die Öffentlichkeit nicht mehr so aufwühlen wie noch etwa 2018?

    Täusche ich mich oder stimmt es, dass man heute vermutlich einen „Synodalen Weg“ nicht mehr ins Leben rufen würde, weil die Bezweiflung der systemischen Ursachen nicht abgenommen sondern eher zugenommen hat und Teile der Weltkirche inclusive Vatikan sich nicht wirklich ernsthaft auseinandersetzen und an notwendige Veränderungen und Korrekturen in Lehre und Leben herangehen wollen?

    Täusche ich mich oder stimmt es, dass das Prinzip des Schützens von Kirche und Lehre zu Lasten von Menschen und ihren Lebensgeschichten weiterhin Ohr und Herz von kirchlich Verantwortlichen nicht bei den Menschen sein lässt (in dem nach wie vor Frauen (mit dem „marianischen“ Prinzip belehrt) und queere Männer (die ja nicht zum Priester geweiht werden können) diskriminiert, Transmenschen erst gar nicht ernst genommen sondern geleugnet werden? (Vorgestern noch hatte ich ein Gespräch mit einem queeren kirchlichen Mitarbeitenden, der mir sagte: wenn meine Vorgesetzten mich nicht wollen als queeren Menschen, finden sie schon eine andere Begründung, um mich loszuwerden.)

    Täusche ich mich oder stimmt es, dass die männerbündischen Verbindungen
    Immer noch befangen machen und wirkliche Aufarbeitung erschweren, auch weil der eine was gegen den anderen „in der Hand“ hat – ohne zu unterscheiden, was Verbrechen sind und was nicht?

    Täusche ich mich oder stimmt es, dass die fehlende Unterscheidung zwischen Verbrechen (Missbrauch) und Zölibatsverstoß dazu geführt hat, dass Priester, die sich verliebt haben, oftmals ungnädig entlassen und fallen gelassen wurden (bis vor nicht langer Zeit gar verhindert wurde, dass sie irgendwie auch beruflich und gesellschaftlich wieder Fuß fassen konnten), während Missbrauchstaten als Ausrutscher behandelt wurden, die das System Kirche nicht so sehr in Frage stellen wie eine liebevolle Beziehung? Anders gefragt: Täusche ich mich oder stimmt es, dass die Kirche sich leichter tut mit sexuellen Betätigungen ihrer Priester, sofern sie zu keiner dauerhaften Beziehung führen?

    Täusche ich mich oder stimmt es, dass so manche Verantwortliche in der Kirche lieber selbst reden und dozieren anstatt wirklich zu hören?

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