„Knast ist kein Hoffnungsort“, schreibt Dennis, einer derer, die sich einmal wöchentlich in der Kirche der JVA Herford treffen, um Musik zu machen. Es tut den jugendlichen Inhaftierten wie Dennis gut, für ein, zwei Stunden die Gitter zu vergessen. „In der Musikband bin ich ein normaler Mensch und kein Häftling“, sagt Elbruz. Trotz Gitter, Freiheitsentzug und ständiger Kontrolle gibt es Hoffnung, denn „die Hoffnung aufzugeben bedeutet, nach der Gegenwart auch die Zukunft preiszugeben.“ (Pearl S. Buck). Die Musikband wird vom Bonifatiuswerk in Paderborn finanziell unterstützt.
Aus einem Jugendknast hinter Mauern und hohen Zäunen können nur schräge Töne kommen, so mag manch einer denken. Die jungen Menschen, die in der Justizvollzugsanstalt Herford „einsitzen“ kommen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Da treffen verschiedene Töne, Überzeugungen und harte Geschichten aufeinander. Es sind Jugendliche wie „draußen“ auch, nur dass sie von einem Gericht zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. Strafe alleine kann im Jugendvollzug aber nicht im Vordergrund stehen. Musik ist eine Art des Zuganges zu jungen Menschen mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen.
Der Titel „Kreative Zelle – Musik im Jugendstrafvollzug“ war die Idee von Musiklehrer Roland Reuter. Er stand zum ersten Mal in seinem Leben als Gast in einer Zelle und spürte wie es ist, eingesperrt zu sein. Die drei Musiklehrer der Musikschule Herford, die dieses Projekt begleiten, haben mit verschiedenen Projekten bereits Erfahrungen mit der Zielgruppe „Jugendliche im Strafvollzug“ gewonnen. Unter den jugendlichen Gefangenen konnten Begabungen ausgemacht werden, die sich in beeindruckender Weise mit Sprache, Rhythmus und Musik (insbesondere im Stilbereich Hip Hop) kreativ auseinandersetzten. Sie nehmen Bezug zu ihrer Situation, ihrer Umgebung und ihrer Geschichte.
„Mir gibt Hoffnung, dass meine Eltern hinter mir stehen und ich bald aus dem Jugendknast herauskomme. Ich habe auch Hoffnung, dass ich mich in meinen Gedanken verbessere. Musik, Sport und die Arbeit geben mir Kraft.“ Samu
„Meine Hoffnung ist, dass ich das, was ich verbockt habe, wieder gut machen kann. Ich habe Deutsch gelernt und kann mich immer besser ausdrücken. Knast ist kein Hoffnungsort. Ich mache Musik, weil es mir Spaß macht.“ Dennis
„Mein Glaube an Gott gibt mir Kraft, auf eine andere Zukunft ohne Knast und auf ein Leben in Straffreiheit zu hoffen. Ich hoffe auf eine gute Karriere mit meiner Musik und darauf, ein normales Leben führen zu können. Musik ist ein gutes Ventil, um Emotionen zu zeigen und das zu verarbeiten, was mich beschäftigt.“ Madmax
„Ich hoffe, dass die Musik mich weiterbringt für die Zeit, auf die ich lange warten muss bis zur Entlassung. Ich hoffe auf eine Zukunft ohne Straftaten.“ Kurdi
„Ich habe Hoffnung dass meine Familie draußen gesund ist und ich gesund aus dem Gefängnis heraus komme. Musik lässt mich den Knast vergessen. Die Kirche bietet mir Hoffnung, weil sie mich als Person ernst nimmt.“ Sarp
„Ich will meine Träume verwirklichen, in Deutschland bleiben zu können. Hoffnung schöpfe ich zum Beispiel aus dem Langzeitbesuch, den ich von meiner Freundin erhalte. Die Ausbildung als Elektrofacharbeiter gibt mir Hoffnung auf eine Arbeit. Im Gefängnis werde ich stark kontrolliert. Meine Hoffnung ist, dass ich auch ohne Kontrolle mein eigenes Leben leben kann. In der Musikband bin ich ein normaler Mensch und kein Häftling. Ich habe Fehler gemacht, ich mache das Beste daraus. Gefangene können auch Künstler sein, sie sind nicht immer die schlimmsten Menschen. Musik gibt mir die Hoffnung, dass ich den richtigen Weg gehen kann. Und dass ich nicht ganz verloren bin.“ Elbruz
„Meine Familie und meine Tochter geben mir Hoffnung. Ich darf meine Tochter nicht sehen und trotzdem vertraue ich darauf, dass ich sie in ein paar Jahren sehe und ihr von mir berichten kann. Meine Religion des Islam gibt mir Hoffnung.“ Yazan
„Ich komme zur Musikgruppe, weil es für mich ein Stück Freiheit ist“, betont ein Jugendlicher der JVA Herford. Er ist Schlagzeuger, spielt aber auch schon einmal Bass. Er kennt sich aus mit der Anlage und dem Equipment in der Anstaltskirche. Dies ist der Ort, an dem wöchentlich bis zu 10 Gefangene Musik machen können ohne dass ein Vollzugsbediensteter dabei ist. „Hier kann ich meinem Geist freien Lauf lassen“, erzählt der Jugendliche und greift sich die Bassgitarre.
Sr. Theresita M. Müller
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Seit 2014 werden in Kooperation mit der Musikschule Herford inhaftierte Jugendliche der JVA Herford an typischen Bandinstrumenten sowie Gesang und das gemeinsame Musizieren in einer Band durch zwei Musiklehrer und einer Musiklehrerin begleitet. Musik ist insbesondere im Strafvollzug eine Ebene, auf der man die uns anvertraute schwierige Klientel emotional gut ansprechen und damit ins Gespräch kommen kann, aber auch eine Möglichkeit für unsere Inhaftierten, aus sich herauskommen zu können.
Inhaftierte junge Menschen profitieren durch die Arbeit der Musiklehrer in hohen Maße, nicht zuletzt indem sie durch den Musikunterricht – möglicherweise erstmals in ihrem Leben – eine intensive persönliche Zuwendung erfahren, sich dabei ernstgenommen fühlten und Vertrauen zu ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln. Mit Fingerspitzengefühl, Engagement und Sensibilität, Empathie und Durchsetzungsvermögen gehen die Musiklehrer der Musikschule mit jugendlichen Inhaftierten um. Sie tragen als Honorarkräfte von außen mit großer Wertschätzung dazu bei, die Persönlichkeit straffällig gewordener Jugendlicher positiv zu beeinflussen. Sie erfüllen damit eine für unsere Gesellschaft wichtige und verantwortungsvolle Arbeit.
Ohne die Musikschule Herford wäre diese Arbeit hinter der Mauer mitten in der Stadt Herford so nicht möglich. Als Gefängnisseelsorger gratuliere ich gemeinsam mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Herford, Friedrich Waldmann, ganz herzlich zum 50 jährigen Jubiläum der Musikschule Herford.