Alt trifft jung: Lebensältere und Jugendvollzug

16. April 2024

Der Gefangenenbulli der Justizvollzugsanstalt Herford ist besetzt mit fünf jugendlichen Inhaftierten. Per „Gefangenentransport“ geht es in die JVA Detmold. Dort treffen sie auf lebensältere Strafgefangene. Ein Projekt, das seit vielen Jahren läuft. Ein- bis zwei Mal im Jahr gibt es den jeweiligen Gegenbesuch. Mitbeteiligt sind vor allem Gefangene im Jugendvollzug, die auf der Sozialtherapeutischen Abteilung (SoThA) in Herford untergebracht sind.

„Durch diese Maßnahme soll den jugendlichen Gefangenen klargemacht werden, sich selbstkritisch und reflektierend mit ihrem bisherigen Leben auseinanderzusetzen“, so die Aussage eines Bediensteten. Die erste Frage, die bei solch einer Begegnung gestellt wird ist oft „Warum bist Du inhaftiert?“ Doch darüber hinaus gibt es noch weitere. Beispielsweise, wie lebt es sich in der relativ kleinen Einrichtung der JVA Detmold? Solche Fragen werden bei der gemeinsamen Freistunde ausgetauscht. Hier treffen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 17 und 22 Jahren mit einer Gruppe Lebensälterer zum ersten Mal zusammen. „Im Gehen kann man besser erzählen“, sagt ein gewichtiger Gefangener.  Den jugendlichen Straftätern soll von den älteren erwachsenen Inhaftierten, die teilweise über erhebliche Vollzugserfahrung verfügen, vermittelt werden, wohin es führen kann, wenn man weiter den Weg der Straffälligkeit einschlägt.

Respekt vor den Lebensälteren

Die Jugendlichen haben Respekt vor den Männern der JVA Detmold. Schon die Tätowierungen und der mächtige Bart eines Gefangenen, der bereits seit 25 Jahren einsitzt, flößt Unbehagen aus. Bei Kaffee und Kuchen erzählt der „Bärtige“, dass er lange Jahre Kokain gezogen hat. „Das hat körperliche Spuren hinterlassen“, betont er. Im Jugendvollzug ist die Höchststrafe 10 Jahre. Die beteiligten jungen Menschen sind im Durchschnitt etwa 4 Jahre inhaftiert. „Das ist schon ein großer Unterschied“, sagt David, der aufgrund schwerer Körperverletzung im Jugendvollzug ist. Es braucht etwas Zeit, bis die Gefangenen beider Anstalten ins Gespräch kommen. Meistens ist es ein Frage-Antwort-Spiel. Die BetreuerInnen sind nur bei Kaffee und Kuchen dabei. „So können sie sich ungezwungen austauschen ohne zu befürchten, sie würden überwacht werden“, sagt eine Betreuerin der JVA Herford.

Unterschiedliche Lebenserfahrungen

„Von Knast zu Knast, da ist man genug bewacht“, sagt ein 65-jähriger Mann. Sexualdelikte werden nicht genannt, dass würde die Begegnung stören. „Überhaupt ist es eigentlich unwichtig, weshalb jemand hier einsitzt“, fügt der bärtige Mann hinzu. Auf beiden Seiten gibt es sie. Von Mensch zu Mensch mit den unterschiedlichsten Lebenserfahrungen und kulturellen Hintergründen treten die Straftaten erst einmal in den Hintergrund. Die Jugendlichen sind beeindruckt, welche Vergünstigungen die Lebensälteren haben: Privatkleidung und mehr Aufschluss. „Sogar die Betten sind anders und sie haben ein richtiges Kopfkissen“, bemerkt David. Für manche der älteren Gefangenen ist die JVA ihr Zuhause. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen, 25 Jahre hinter Mauern zu sein“, drückt sich ein anderer Jugendlicher aus. Dieser hat auch schon 3 Jahre in Haft verbracht.

Zurück in ihrem Knast

Zeit ist ein dehnbarer Begriff. Für die lange Inhaftierten spielt sie weniger eine Rolle. „Ihr habt das ganze Leben noch vor Euch“, sagt der Bärtige selbstbewusst. „Macht was draus und landet nicht wieder im Knast“, appelliert er an die Jugendlichen. Ob dieser Appell etwas bewirkt? Ziel des Projektes ist nicht die Abschreckung, sondern die Auseinandersetzung durch andere mit sich selbst. Dies gelingt auf jeden Fall, so die einstimmige Meinung der beteiligten Personen. „Bis bald in Herford“, ruft beim Abschied der 65-Jährige den jungen Gefangenen zu. Sie geben sich die Hand und steigen wieder in den Gefangenenbulli zurück in „ihren Knast“. Es ist gut, dass solche Begegnungen seitens der Justiz ermöglicht werden.

Protokolliert: Michael King

 

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