Es gibt Geschichten in der Bibel, die klingen so, als kämen sie direkt aus einem dieser hippen Ratgeber für Minimalismus. Jesus erzählt beispielsweise, dass nicht jeder, der einmal mit ihm am Tisch saß, auch automatisch durch diese verflixte Tür „in den Himmel“ kommt. Am Ende, sagt er, werden viele draußen bleiben. Vor allem die, die ziemlich sicher waren, schon einen Stammplatz im Himmel zu haben.
Wer glaubt, dass Religion eine Art AIDA-All-inclusive-Urlaub mit garantiertem Buffet ist, irrt. Das Bild der engen Tür ist, zugegeben, ein bisschen unangenehm. Die Tür entpuppt sich als Türchen. Man möchte lieber etwas hören wie: „Das Himmelreich hat eine riesige Schiebetür mit automatischem Sensor. Jeder, der sich nähert, wird hereingelassen.“ Stattdessen: eine Tür, durch die nicht jeder passt. Kein Express-Check-in. Das klingt nicht tolerant, schon gar nicht modern. Aber vielleicht ist es gerade deshalb aktuell. Heute ist vieles breit und bequem. Man muss nur auf „Jetzt kaufen“ klicken. Sogar „Jetzt kaufen, später zahlen!“ geht. Es gibt für jeden Geschmack eine App, eine Meinung, eine Community. Eine enge Tür ist da wie ein spack gewordenes Hemd. Sie ist unbequem.
Jeder will durch eine breite Tür
Was könnte die enge Tür heute bedeuten? Vielleicht: Dass nicht alles gleichzeitig geht und dass ich mich da einfach mal ehrlich machen sollte. Irgendwann merkst du: die Tür ist zu schmal ist für all das Gerümpel und das Gepäck. Und ehrlich: Wie belastend ist diese XXL-Kultur. SUV´s, Cappuccino im Eimerformat, Netflix mit 3000 Serien gleichzeitig. Politiker versprechen Wachstum und Klimaschutz gleichzeitig. Kirchen predigen Demut und bauen gleichzeitig Paläste. Jeder will durch die breite Tür, aber keiner passt durch. Die Kirche hat es jahrhundertelang mit einem Trick versucht: Sie selbst war die Tür. Funktioniert aber nicht, ehrlich gesagt. Auch Lifestyle-Esoteriker kommen da nicht weiter: „Die Tür ist nur in deinem Kopf. Wenn du positiv denkst, geht sie auf.“ Jesus ist da klar: Wer versucht, eine enge Tür mit Affirmationen zu verbreitern, holt sich doch nur eine Beule an der Stirn.
Dort wo der Himmel beginnt, sind Ranglisten egal
Und er sagt noch was total Unbequemes: „Manche, die glauben, sie hätten schon VIP-Zugang, bleiben draußen.“ Das ist wie mit dem Fitnessstudio-Ausweis im Portmonne. Auf der Treppe zur S-Bahn merkst du keuchend, dass Mitgliedschaft allein gar nichts trainiert. Wie blöd. Vielleicht ist die enge Tür genau da, wo man nicht damit rechnet. Denn auch dieser Gedanke klingt eher wie ein Schlag mit dem nassen Waschlappen: „Es gibt Letzte, die werden Erste sein, und Erste, die werden Letzte sein.“ Die Sportförderung würde sich bedanken. Und die Bundesliga erst recht. Von der Fronleichnamsprozession mal ganz zu schweigen… Aber da, wo der Himmel aufgehen soll, sind Ranglisten egal. Das ist dumm für alle, die sich auf ihren Privilegien eingerichtet haben, und gleichzeitig tröstlich für jene, die schon jetzt das Gefühl haben, immer hintenanzustehen. Du kommst durch die Tür, wenn du dich reduzierst, dich nicht so aufbläst. Der Himmel beginnt da, wo du aufhörst, ihn selbst machen, planen, bestimmen zu wollen. Wenn du dich nicht größer machst, als du bist, schimmert er schon ein bisschen durch den Türspalt. Und er leuchtet vollends auf, wenn du die Welt vielleicht endlich wieder mit den Augen derjenigen betrachtest, die du in all deinem Tinnef (unnütziges Zeug) aus dem Blick verloren hast. Wenn du selbst ein Stück so geworden bist, wie sie, nämlich unbedeutend und klein.
Peter Otten | Lukas 13, 22-30
1 Rückmeldung
Auch wenn für den Himmel Ranglisten egal sind, würde ich diese Predigt doch vorne an einer Rangliste platzieren – schon allein wegen der normalen Sprache. Und vielleicht noch die kleine Anmerkung – Himmel muss echt was Verrücktes an sich haben, denn für viele beginnt der Himmel doch glatt im Knast – warum nur suchen wir ihn so oft in den Kirchen?