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Häftlingsarbeit: Ausbeutung oder angemessen?

15. September 2021

In vielen Bundesländern sind Gefangene in den Justizvollzugsanstalten zur Arbeit verpflichtet. Externe Unternehmen bedienen sich der Arbeitskraft von Inhaftierten durch Arbeiten wie Schrauebn sortieren oder LED Röhren zusammenbauen. Obwohl die Firmen draußen nach Tarif entlohnen, bekommen Gefangene nur geringe Tagessätze ausgezahlt.

In manchen Gefängnissen werden Inhaftierte für die Haftkosten belangt. Beispielsweise wenn sie selbstverschuldet aus der Haftarbeit entlassen werden, weil sie sich nicht richtig verhalten haben. “Dies wollen wir als Erziehungsmittel einsetzen”, sagt ein Anstaltsleiter. “Da überlegen sich einige, ob sie doch nicht alles tun, um Konflikte anders zu lösen”, sagt ein erfahrener Jurist. Im Monat kommen dabei schon mal 600 Euro zusammen. Diese werden von der Justizkasse Jahre später gefordert, wenn nicht gepfändet. Inhaftierte bleiben, obwohl sie arbeiten, im unteren Bereich des Einkommens – auch im Alter. Dies sind die zentralen Botschaften der aktuellen Reportage von plusminus.

Geringer Lohn für die Arbeit

Arbeit ist im Haftalltag wichtig. Freiwillig ist sie nur in vier Bundesländern, in zwölf Ländern gibt es eine Pflicht. Denn die Arbeit gebe Struktur und bereite auf die Freiheit vor. Es gibt viele Aufgaben. Etwa in JVA eigenen Werkstätten, wie der Schneiderei in Remscheid. Hier nähen die Häftlinge zum Beispiel die Anstaltskleidung für ganz Nordrhein-Westfalen. Und es gibt Unternehmer-Betriebe, die für externe Firmen produzieren, darunter bekannte Marktführer. Aber: Die niedrige Bezahlung schafft auch Probleme für die Häftlinge. Eine Entschädigung an Opfer zahlen, die Familie finanziell unterstützen oder Schulden begleichen, ist bei dem geringen Lohn kaum möglich.

Einkaufspreise im Knast

Im Beitrag werden die Preise für das Einkaufen der Gefangenen mit denen des Supermarktes draußen verglichen. Das Ergebnis: 17 der 20 Produkte sind teurer. Nur drei Mal ist der Preis gleich oder niedriger. Der größte Zulieferer, die Firma Massak, beliefert von den rund 130 Justizvollzugsanstalten. Der Einkauf der Gefangenen wird bis vor die Haftraumtür geliefert. Die Zahlungen werden vom jeweiligen Arbeitskonto durch die Zahlstelle der JVA abgezogen. Im Schnitt hat ein Verdiener im Knast ca. 100 Euro monatlich für den Einkauf auf Liste zur Verfügung. Manche nur 20 Euro, wenn sie Taschengeld beziehen. Radiowecker, Wasserkocher oder Rasierer, die im Gefängnis ein kleines Stück Selbstständigkeit bedeuten, sind oft teurer. Solche Produkte sollen maximal zwanzig Prozent teurer sein als der Durchschnittspreis im Versandhandel, sagt das Oberlandesgericht Hamm. Die Mangeliwirtschaft erzeugt die subkulturelle Tätigkeiten untereinander.

In Rentenkasse wird nicht eingezahlt

Inhaftierte zahlen nicht in die Rentenkasse ein. Das macht sich im Alter massiv bemerkbar. Resoszialisierung steht an oberster Stelle. Aber verhindern diese Strukturen nicht eine Integration in die Gesellschaft? “Selbst schuld, wenn man im Knast landet”, sagen manche. Doch das greift zu kurz. Jeder Mensch, der neu straffällig wird, kostet dem Steuerzahler Millarden mehr. Hohe Preise im Knast und niedriger Lohn verhindern, dass sie für ihre Zukunft sorgen können. Knapp die Hälfte wird in den ersten drei Jahren rückfällig. Ein (teurer) Teufelskreis.

plusminus

 

1 Rückmeldung

  1. Heike sagt:

    So ein Bericht, zu guter Sendezeit war lange überfällig! Die Öffentlichkeit muss endlich verstehen, dass die Strafe der Entzug der Freiheit ist – nicht der Entzug der eigenständigen Lebensgrundlagen für immer!
    Eine gerechte Entlohnung ist ein erster Schritt. Das der seit Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts beschlossene Einbezug ins Rentensystem immer noch nicht in die Tat umgesetzt wurde ist ein Armutszeugnis für Deutschland! Das mit den derzeit gezahlten Beträgen keine Rente aufgebaut werden kann ist nachvollziehbar, die Anwartschaftszeiten erhalten sollte in so einem reichen Land leicht möglich sein.
    Letzten Endes zahlt der Steuerzahler, so oder so – aber es muss doch nicht mit Hab-und Gut sein, weil für so manchen Haftentlassenen erneute Straftaten als einzige Option erscheinen…

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