Angesichts der Berichte in den Medien über fragwürdige Behandlungen, Foltervorwürfen und menschenunwürdige Vorgänge in deutschen Gefängnissen wie in der JVA Gablingen, positioniert sich die Gefängnisseelsorge.
![](https://gefaengnisseelsorge.net/wp-content/uploads/2018/12/9.jpg)
In der JVA Gablingen sollen Gefangene menschenunwürdig behandelt worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aufgrund von Foltervorwürfen.
Stellungnahme
Als Katholische Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. unterstützen wir die politische und gesellschaftliche Forderung nach einer vollumfänglichen (strafrechtlichen) Aufarbeitung der vorgebrachten Beschuldigungen in deutschen Justizvollzugsanstalten. Wir wünschen uns durch die Strafverfolgungsbehörden eine gewissenhafte Differenzierung zwischen tatsächlich erfolgtem Fehlverhalten und anlasslosen Vorwürfen. In jeder Justizvollzugsanstalt arbeiten GefängnisseelsorgerInnen. Sie hören die Nöte der vom Vollzug betroffenen Menschen.
Dies sind in erster Linie inhaftierte Frauen und Männer, aber ebenso dort tätige Bedienstete des Vollzugs sowie die Angehörige beider Personengruppen. Neben den Sorgen und Nöten, die Inhaftierung bzw. Dienst im Vollzug insgesamt betreffen, haben GefängnisseelsorgerInnen ein offenes Ohr für Schilderungen prekärer Situationen, die manchmal im vollzuglichen Umgang entstehen. Nicht nur Inhaftierte, sondern auch Bedienstete sehen sich vereinzelt falsch oder übergriffig behandelt. Oft können solche Vorkommnisse im Gespräch mit den Anstaltsleitungen geklärt werden. Manche tiefgreifenden Probleme werden in Gesprächen mit VertreterInnen der jeweiligen Justizministerien der Länder thematisiert und dabei um Abhilfe gebeten. Somit positioniert sich Gefängnisseelsorge immer auf Seiten der Unterlegenen und Leidenden.
Ethische Themen
Bereits seit vielen Jahren bietet die Katholische Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. ethische Unterstützungsangebot an. Dies sind sowohl Workshops der Arbeitsgemeinschaft Ethik, zu der bereits eine nicht unerhebliche Zahl von Bediensteten des Justizvollzugs hinzugekommen sind. Darüber hinaus gibt es seit einem längeren Zeitraum in etw 15 Vollzugsanstalten fest implementierte Ethikkomitees. Diese Gremien sammeln – nach Eingabe durch Bedienstete und Inhaftierte – Einzelsituationen, die in jenem Ethikkomitee vorgetragen und anschließend alternative und praktikable Handlungsempfehlungen diskutiert werden. Die dort identifizierten Handlungsempfehlungen werden an die Anstaltsleitungen herangetragen, die ihrerseits entscheiden muss, ob sich diese Alternativen umsetzen lassen. Betont sei hierbei, dass…
- Bedienstete selbst aktiv sensible Situationen einbringen und das bereits dann, wenn rein formal-professionell das Handeln zwar korrekt gewesen sein mag (keine Übertretung von Dienstanweisungen vorlag), aber dennoch ein persönliches Unbehagen herrschte.
- Anstaltsleitungen, in deren Behörde ein solches Ethikkomitee existiert, sehr an den Handlungsempfehlungen und ethischen Fragestellungen interessiert sind und gerne auf diesen Dienst zurückgreifen.
- die dauerhafte Existenz solcher Ethikkomitees viel umfassender dazu beitragen kann, schwierige Situationen zu entschärfen, als dies ein singulärer und externer Kurs leisten kann.
In der Zusammenschau der Aspekte legt die Katholische Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. allen beteiligten Stellen (Justizministerien, Vollzugsanstalten und Bediensteten) den hilfreichen Charakter der Ethikkomitees ans Herz. Unabhängig davon, ob die im Raum stehenden Vorwürfe gegenüber einzelnen Vollzugsanstalten vollumfänglich oder auch nur anteilig den Tatsachen entsprechen, können Ethikkomitees präventiv dazu beitragen, dass eine belastende Situation frühzeitig erkannt und idealerweise Abhilfe geschaffen werden kann.
Andreas Bär | Vorsitzender