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Dokument zur Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten

31. Oktober 2025

Die deutschen Bischöfe haben dazu aufgerufen, sexuelle Vielfalt in Schulen anzuerkennen. Mit einem neuen Papier will die Deutsche Bischofskonferenz Diskriminierungen queerer Schüler und Lehrkräfte verhindern und einen Offenheit sowie Dialog fördern. Eine gute Nachricht gegen den Eklat um das vermeintliche Verbot von Regenbogen-Symbolen bei der Eröffnungsfeier des neuen kirchlichen Bildungscampus in Köln. Und: Gegen die katholisch-theologischen Lehre, die nach wie vor unverändert bleibt.

Das Grundlagenpapier beschreibt eine Bestandsaufnahme der Situation queerer Jugendlicher, Lehrkräften und Eltern und gibt schulpädagogische sowie schulpastorale Leitlinien für einen achtsamen Umgang mit sexueller Vielfalt. Die Leitlinien mit dem Titel „Geschaffen, erlöst und geliebt“ betonen eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und die Achtung der Würde jeder Person.

Kirchliche Schule soll „sicherer Ort“ sein

Ein gelingender Umgang mit Fragen sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität und nicht zuletzt mit queeren Personen ist eine Aufgabe, die sich Schulen, darunter auch katholischen Schulen, in den vergangenen Jahren stellen müssen. Eine Reihe von ihnen hat deshalb bereits auf der Basis der gesammelten Erfahrungen pädagogische Konzepte entwickelt. Mit dem Papier wird klar Stellung bezogen mit queer-liebenden Menschen und es wird nicht nur kontrovers darüber diskutiert. Die  Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz eröffnet mit diesem Dokument den Schulen und alle am Schulleben Beteiligten, sich weiter mit dem Faktum der Vielfalt geschlechtlicher und sexueller Identitäten auseinanderzusetzen. Es konkretisiert die Erklärungen der deutschen Bischöfe zur Schulpastoral und zum Profil katholischer Schulen und die beiden Handlungstexte des Synodalen Weges Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität und Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt.

Schule müsse ein Ort sein, „an dem Kinder und Jugendliche Schutz vor Diskriminierung und persönlicher Herabwürdigung finden, ein Ort, an dem sie Akzeptanz erfahren in ihrer individuellen Entwicklung und zugleich lernen, andere zu akzeptieren“, schreibt der Vorsitzende der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Heinrich Timmerevers des Bistums Dresden-Meißen, in seinem Geleitwort. Deshalb liegt der Fokus des Dokuments auf der Frage nach einem angemessenen pädagogischen und schulpastoralen Umgang mit queeren Personen. Es umfasst eine Situationsbeschreibung, in der der gegenwärtige Stand der Humanwissenschaften differenziert vorgestellt wird sowie schulpädagogische und schulpastorale Leitlinien, Handlungsempfehlungen für die verschiedenen AkteurInnen in der Schule und ein Glossar. Bischof Timmerevers betont, „dass es mit diesem Text gelingen möge, einen Beitrag zur Weiterentwicklung eines pädagogischen Klimas und einer pädagogischen Praxis zu leisten, die geprägt sind von der Zugewandtheit und Menschenfreundlichkeit Gottes.“

Keine Gründe mehr für Entlassung

Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes von 2022 ist die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität kein Grund, eine Anstellung in einer katholischen Schule zu verweigern oder zu beenden. Ebenso wenig ist die sexuelle Orientierung und Identität ein Hindernis, eine kirchliche Bevollmächtigung zur Erteilung von Religionsunterricht (Missio canonica) zu verleihen. Trotzdem halten sich im Schulalltag offene oder latente Vorurteile gegenüber queeren Lehrpersonen, die vor allem in Konfliktsituationen virulent werden können. Bis zur Änderung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes von 2022 mussten queere Lehrkräfte fürchten, aus dem Schuldienst entlassen zu werden, insbesondere wenn sie in einer Lebenspartnerschaft oder zivilen Ehe lebten. Neben den dienstrechtlichen Konsequenzen sahen sich viele betroffene Lehrkräfte durch die lehramtliche Sexualmoral, die ihre Lebensweise verurteilt, moralisch diskreditiert. Einige Lehrkräfte sind deshalb in das staatliche Schulwesen gewechselt. Darüber hinaus mussten und müssen sie mit der unterschwelligen Unterstellung rechnen, als schwule, lesbische oder transgeschlechtliche Lehrkraft die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler in die Richtung der eigenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.

(Noch) keine Aufarbeitung

ReligionslehrerInnen ruft das Papier auf, die Sexualmoral der katholischen Kirche „differenziert darzustellen und umstrittene Punkte in Kirche und Theologie im Unterricht entsprechend darzustellen“, damit die SchülerInnen „sich ein eigenes begründetes Urteil bilden können“, so der Text. Die Sichtbarkeit von Menschen unterschiedlicher sexueller Identitäten soll zur Vielfalt beitragen. Doch traut sich dazu auch im  Heute jemand, ohne kirchlich den Anfeindungen ausgesetzt zu sein? Leider gibt es keine Aufarbeitung und eine Entschuldigung für diejenigen Menschen im kirchlichen Dienst, die jahrelang ihre sexuelle Orientierung oder ihre Lebenssituation verbergen und Angst haben mussten, deswegen entlassen zu werden. „Der Verweis auf eine queersensible Pastoral wirkt auf queere Menschen nicht gerade einladend“, sagt ein OutInChurch-Mitglied und bezieht sich auf die Stellungnahme des Erzbistums Köln auf das Verbot von Regenbogenfahnen im Bildungscampus in Köln. „In öffentlichen Bekenntnissen wird oft ein Bild von Offenheit und Respekt gezeichnet, was dem Auftreten und Agieren von Bistumsverantwortlichen in keinerlei Weise entspricht“, so die Kritik seitens OutInChurch.

Rund zwanzig katholische Verbände und Organisationen solidarisieren sich mit queeren Menschen. „Es darf nicht länger hingenommen werden, dass Menschen in kirchlichen Kontexten aus Angst gegenüber KirchenvertreterInnen ein Schattendasein führen müssen, wenn sie nicht dem von der Kirche normierten Geschlechterbild entsprechen“, heißt es in einer veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Anlass sind Äußerungen der Betroffenen zu ihrer Sexualität beziehungsweise ihrer Geschlechteridentität im Rahmen einer bundesweiten Kampagne. Leider ist es nach wie vor ein Widerspruch. Solange die Katholische Kirche ihre theologische Lehre der Sexualmoral, das klerikale Amtsverständnis des Priester-Männerbündnisses sowie der Zugang von Frauen und anderen Menschen – gleich welcher Identität – zu den kirchlichen Diensten von DiakonInnen und PriesterInnen nicht verändert, so lange sind solche Dokumente leider nur Lippenbekenntnisse. Es geht nicht um eine emphatische „Barmherzigkeit“ gegenüber den Menschen, die „anders“ sind, sondern um die uneingeschränkte Anerkennung der Vielfalt geschlechtlicher Identitäten, die eh schon verdeckt in Kirchenkreisen gelebt werden. Ansonsten wird eine „stille“ Verabschiedung aus dieser Kirche voranschreiten.

Michael King | Pressemitteilung der DBK

Hier das gesamte Grundlagenpapier Geschaffen, erlöst und geliebt…

 

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