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Anders sein: Arm ohne das Entgegengesetzte

1. Dezember 2025

Warum bist du nicht so wie wir? Letztlich hat diese Fragestellung Jesus von Nazareth den Kreuzigungstod gebracht. Der Menschenfreund sah sich als einzelner einer großen Menge gegenüber. Wäre er so gewesen wie die anderen, niemand hätte einen Grund gefunden, ihn gefangen zu nehmen und kreuzigen zu lassen.

Warum bist du nicht so wie wir? In der Krippendarstellung der Kirchengemeinde St. Agnes in Hamm steht eine Figur für Josef,
den Josef aus dem Buch Genesis, einer der zwölf Söhne des Jakob. Er war anders als seine elf Brüder, ein Träumer. Sein Vater liebte ihn auf eigene Weise und schenkte ihm einen bunten Rock, wörtlich: Ein Prinzessinnenkleid. Joseph ist nichts weniger als ein störender Fremdkörper in der Vorstellungswelt der Brüder, er passt nicht in ihr Weltbild. Sie meinen, es darf ihn gar nicht geben, er ist kein richtiger Mann in ihren Augen.

Darum wollten sie ihn darum zunächst umbringen, aber verkauften ihn dann. Warum bist du nicht so wie wir? Schauen auf den Franz von Assisi in der Szene auf dem Marktplatz, wie er seine Kleider zurückgibt, sich trennt von seiner Familie. Jetzt steht er bei einem Bild der zerstörten Agneskirche: „Bau meine Kirche wieder auf.“ Ursprünglich verstanden als Aufforderung, die zerstörte Kirche von San Damiano wieder aufzubauen, erkannte er später, dass die eigentliche Bedeutung eine umfassendere Erneuerung der gesamten Kirche meinte, die damals von Machtmissbrauch und Korruption geprägt war. Das konnte vielleicht nur er, der so anders war als seine Familie, und als einzelner einen neuen Weg begann. Stehen nicht immer die einzelnen entblösst da, auch wenn sie Kleider tragen?

Warum bist du nicht so wie wir?

Eigentlich ist es immer das gleiche Phänomen:
Ein Mensch wird isoliert, oder eine Gruppe von Menschen wird isoliert, jedenfalls steht eine Mehrheit gegen eine Minderheit, und dieses Gefälle, das stark sein in der Gruppe, erdrückt.
Der Blick richtet sich auf das, was an dem einzelnen Menschen anders ist, vermutlich sogar die Mehrheit in Frage stellen kann. Und dann ist es ein Machtspiel – nein, kein Spiel, eine Machtdemonstration. Warum bist du nicht so wie wir? Ist das eigentlich noch eine Frage – oder nicht schon eher eine Anklage, die Anpassung einfordert, und wenn sie nicht geschieht, Ausgrenzung begründet? „Das ist er – oder sie – ja selbst schuld“ – sagen die Vielen dann. Und steinigen, und zünden Scheiterhaufen an, und schlagen ans Kreuz, und enthaupten, und bringen zum Schweigen, und schüchtern ein, und grenzen aus, und machen schlecht, und wiegeln ab – und sprechen Rechte ab. Warum bist du nicht so wie wir?

Nicht wahrhaben wollen

In diesem Advent, in dieser Weihnachtszeit kann uns diese Frage begleiten. Wir richten uns aus auf den, von dem wir sagen: Er war einer von uns, und gleichzeitig bekennen, dass gerade sein anders sein, sein nicht sein wie wir erlösende Kraft hat.
Sein anders sein, sein nicht sein wie wir stellt eine Grundlage dafür, dass Menschen recht früh bekannt haben: Dieser ist von Gott, dieser ist Gottes Sohn. Sohn einer „Jungfrau“. Allerdings ist es ein Bekenntnis posthum, wie das so oft ist bei Menschen, die nach ihrem Tod regelrecht in den Himmel gehoben werden, die Zeit ihres Lebens ihrer Zeit voraus waren oder für Wahrheiten einstanden, die die Meisten nicht wahrhaben wollten und nicht selten bekämpft haben.

Arm ohne das zu Entgegensetzende

Prophetinnen und Propheten – sagen wir. Warum bist du nicht so wie wir? Wie arm wären wir ohne das Hinzukommende, ohne das uns Fremde, ohne das mitunter Entgegengesetzte. Wo wir es nicht bekämpfen sondern annehmen, wird das Leben reich. Genau das verbinden wir mit der Menschwerdung Gottes, wenn in Jesus Gegensätze zusammenkommen: Ewigkeit und Zeitlichkeit, Tod und Leben, Licht und Dunkel, Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit, Gott und Mensch.

Bernd Mönkebüscher

 

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