Die Knastkrippe aus der Justizvollzugsanstalt Herford wurde Weihnachten 2021 zum ersten Mal in der Anstaltskirche aufgebaut. Vorausgegangen war ein Prozess mit jugendlichen Inhaftierten und mit dem Künstler Rudi Bannwarth aus Ettlingen bei Karlsruhe. Nun sind die Hirten in Arbeit. Ein Einblick in die Werkstatt des Holzbildhauers und in die Realität des Knastes.
Ein kartenspielender Inhaftierter in der Werkstatt des Holzbildhauers. Die Figur wird in die bestehende Krippe als Hirte hinzukommen.
Die gesamte Knast-Krippe zeigt den Haftraum und den Eingang des Gefängnisses. Dass Jesus-Kind ist darin ein Inhaftierter auf dem Bett sitzend und Josef der Großvater eines Gefangenen. Maria ist die Mutter eines Inhaftierten, die daneben steht. Die Weihnachtsgeschichte wird sozialkritisch auf heute in die Realität des Jugendgefängnisses übertragen. Wer könnte in der Geschichte die Hirten sein? Für die Gefangenen war dies schnell klar. Sie selbst. Hirten waren die ersten, die von der Botschaft der Geburt Jesu erfuhren. In Dreck und Speck, wie sie nun mal waren, sind sie zum Stall gekommen. Als aktuelle Szene wird ein Bild aus der Freistunde genommen: Kartenspielende Jungs auf der Bank.
Spielende Inhaftierte
„Karten“ wird oft und gerne gespielt. Am besten noch für Tabak, wenn man gewinnt. Eine Alltag-Szene aus dem Knast. Hat das etwas mit der Weihnachtsgeschichte zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht nicht. Aber in die Realität hinein wird das Ereignis einer Neugeburt gebracht. Vielleicht wissen die Jungs von anderen Erkenntnissen noch nichts. Sie sind gefangen im Spiel. Doch merken sie immer wieder, dass etwas Neues, ein neuer Lebensabschnitt beginnt. „Dass hier kann doch noch nicht alles sein“, sagt ein 18 jähriger Kurde. Er sitzt wegen Körperverletzung ein. Eigentlich sei er ein ganz netter Junge. „Aber mir ist die Hutschnur durchgeknallt“, erklärt er, als er auf seine Straftat angesprochen wird.
Licht aufgehen im Knast?
Der Holzbildhauer Rudi Bannwarth kann das sehr gut in Szene setzen. Als Vorlage dient ihm ein Foto dieser Momentaufnahme im Freistunden-Hof des Jugendvollzuges Herford. Aus einem Stück Holz wird Leben erschaffen. Sprichwörtlich passt dies zum Alltag im Gefängnis. Sehr oft verschulden sich Jugendliche beim Kartenspiel. Wenn jemand verliert, drohen Spaßschläge. Es gibt manche Jugendliche, die spielsüchtig sind, die jede Gelegenheit nutzen, um Geschäfte zu machen. Die Botschaft einer Geburt, einer anderen Sicht der Dinge, passiert auch in diesem Augenblick. Da geht einem Jugendlichen plötzlich ein Licht auf: Er will sich nicht mehr weiter abhängig machen. Das ist eine Neugeburt im Hier und Heute. Video zur Entstehung des Hirten…
Michael King