Mit wenigen Worten beschreibt das Johannesevangelium die Verbundenheit mit Jesus im Bild des guten Hirten und seiner Schafe: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Und ich gebe ihnen unendliches Leben, dass sie nimmer-mehr zugrunde gehen – in Weltzeit nicht“ (Übersetzung von Fridolin Stier). Es lohnt sich, diese Worte klingen zu lassen, nicht nur als festliche Sonntagsbotschaft, sondern besonders in der Alltagserfahrung mit all den kleinen und großen täglichen Katastrophen des Lebens.
Sie beschreiben, wie glauben geht. Hören und kennen und folgen – das jeweils verbindende „und“ markiert die Gleichzeitigkeit dieser unterschiedlichen Bewegungen: im Hören der Stimme Jesu erfahre ich bereits, von ihm erkannt zu sein, was meine Füße ermutigt, Schritte zu tun in liebevoller Verbundenheit. Dabei lassen die ursprünglichen Bedeutungen von „hören, kennen und folgen“ im biblischen Hebräisch mehr auftauchen als in der deutschen Übersetzung.

Ein Gefangener konserviert Schmetterlinge im Glas und betrachtet sie immer wieder in seinem Haftraum. Die lebendigen Schmetterlinge nahm er aus der Anstaltskirche mit.
Hören
Da ist das Hören, es ist ein Hören mit dem Herzen: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er mit uns redete und das Brot brach?, erzählen zwei der Jesus Nachfolgenden auf dem Weg nach Emmaus. Es geht nicht darum, auf bestimmte Worte zu hören, und ihnen zu gehorchen, vielmehr ist diese Resonanz im Herzen gemeint, die spürbar wird, wo immer wir bedingungslos angenommen und geliebt sind. Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn, ich finde Gefallen an dir – diese Botschaft Gottes, die Jesus selbst zweimal hörte, während seiner Taufe am Jordan und später auf dem Berg der Verklärung, klingt im Menschen überhaupt. Mit dieser Zusage beginnt Glauben, sie lässt uns Hörende sein, uns öffnen im Herzen. Wir können diese biblischen Worte nicht oft genug einander und uns selbst sagen.
Kennen
Während das Hören, wenn auch ausgelöst durch liebevolle Annahme durch Gott, dann doch von uns aus geschieht, ist das Kennen an dieser Stelle eine Bewegung von Gott her zu uns. Kennen ist im hebräischen Sprachgebrauch ein Wort für eine sehr intime Beziehung, die umeinander weiß und doch nicht fertig ist. Kennen meint Gehaltensein, was auch immer geschieht, geliebt trotz alledem, es weiß um das Scheitern und die Schuld, doch wirkt es wie eine Erneuerung in immer neuer Hinwendung. Dieses Kennen ist somit offen, es legt nicht fest, macht nichts und keinen fest. Kennen ist biblisch eine Bewegung der Liebe und deshalb verletzlich, manchmal leicht zu überhören oder schon verschüttet hinter den eigenen Ansprüchen, Fassaden und Absicherungen.
Folgen
Doch wo es mir entgegenkommt, wo ich spüre, ein in Liebe Angenommener zu sein, da bewegen sich wie von allein die Füße, wollen Schritte tun, nicht mehr stehen- und steckenbleiben, sondern aufbrechen. So entsteht das Folgen. Wie oft wechselte Jesus am See Genezareth mit seinen Jüngerinnen und Jüngern die Uferseite? Immer wieder neu von einem Ufer zum nächsten. Jesus folgen ist die Kraft ins Ungewisse hinein den Aufbruch zu wagen. Und dabei immer wieder anzukommen an fremden Ufern, über Grenzen hinweg in Verbindung gehen. Hören, kennen, folgen, drei Bewegungen in einer, die wir Glauben nennen. Das Johannesevangelium sagt, dass keine und keiner zugrunde geht, denn unendliches Leben ist gegeben. Damit erinnert es uns an jene Begegnung Jesu mit der Frau aus Samarien am Brunnen auf der Suche nach dem Wasser, das wirklich den Durst nach Heil und Ganz-sein löscht. Jesus sagte ihr: in dir sprudelt diese Quelle zu unendlichem Leben. Da, in dir, im Herzen ist schon, wonach du dich sehnst, darin aufgehoben lass es zu und deine Füße beflügeln, wie es in einem Psalmengebet der Bibel heißt.
Christoph Kunz | Johannes 10, 27–30