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Ängstlich hinter Türen, damit nichts durcheinanderkommt

27. Mai 2023

Wie eine Ouvertüre bereits anklingen lässt, was die gesamte Musik dann entfachen wird, leitet der Evangelist Johannes seine Erzählung vom Pfingstereignis ein mit den Worten „am Abend des ersten Tages“ – und erinnert so an den ersten Tag der Schöpfung, an dem Gott rief „Es werde Licht!“ – hinein in das Tohuwabohu der Erde. Da schon, hinter all den in Angst verschlossenen Türen klingt jene Melodie des tiefen Aufatmens, ein Aufbegehren, das nie wieder hinter Schloss und Riegel gebracht werden kann. Es werde Licht in allem Wüsten und Leeren – und schon geschieht es.

„Berufung entfalten“ von Heribert A. Hunecke. Dieses Bild ist im Sakralraum der JVA Burg. Dort entfacht es mit dem Farbspiel Emotionen bei Inhaftierten.

Doch zunächst bemerken die hinter den Türen eingeschlossenen Menschen nicht, dass da eine öffnende und befreiende Kraft bereits in ihrer Mitte wirkt. Sie hören wohl den Friedensgruß des Auferstandenen, aber erst, als sie seine Wundmale sehen, sind sie bewegt in großer Freude – denn der Friedensbringer ist Jesus, der getötet worden war. Bisher galt Frieden als ein gehorsames sich Unterordnen unter die römische Herrschaft, von den Thronen der Mächtigen herab wurde erlassen, wie wer zu leben hat. Sei friedlich bedeutete: unterwirf dich. Jetzt aber ist Gott selbst durch dieses Jesus eingegangen in all das, was menschlich verloren schien, es gibt keine Dunkelheit mehr, in der nicht jene Worte vom Anfang klingen: „Es-werde-Licht!“ Und dann, so berichtet es das Johannesevangelium, „hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ Wieder die Erinnerung an den Anfang aller Schöpfung, als Gott den Menschen seinen Atem in die Nase blies. Hier geschieht Neuschöpfung! Pfingsten ist das in tiefer Niedergeschlagenheit völlig neu bewegt werden, ein Aufatmen und sich Aufrichten, das Türen öffnet und neue Wege bahnt. Eine göttliche Dynamik im Menschen – wie der Atem, der alles durchwirkt.

„Wohl temperiert“ Pfingsten feiern

Wie oft haben Menschen in der Kirche seit jener ersten Erfahrung damals in Jerusalem hinter den verschlossenen Türen schon Pfingsten gefeiert? Und wie wenig ist davon zu spüren? Zu groß scheint die Angst in der Kirche vor dem, was passieren könnte, wenn tatsächlich die Türen sich weit öffnen, wenn die Menschen die Liebe, die Gott ist, wie es das Johannesevangelium sagt, leibhaftig leben in der Vielfalt ihrer Lebensweisen. Und zu gefährlich, wenn die in fest gefügter Hierarchie unten Eingeordneten plötzlich oben viel zu sagen haben. Es ist, als könnten wir in der Kirche nur noch „wohl temperiert“ Pfingsten feiern, damit nichts durcheinanderkommt, woran Gutgläubige und Verantwortliche mit den Vorstellungen von Gott und den Menschen so gewöhnt haben. Und vor allem, damit die eigene Mächtigkeit nicht ins Wanken gerät, obwohl sie nur den Blick verstellt auf die Kraft, die Gott selbst ist, die Güte, die Barmherzigkeit, die Liebe. Wozu das führt, erleben wir in unserer Zeit: Menschen verlassen die Kirche, weil sie nicht mehr glaubwürdig ist in ihrer Verkündigung.

Verschlossene Türen

Die Kirche selbst hat so viele Türen verschlossen, wo viele Glieder des lebendigen Leibes, der Christus ist, wie Paulus schrieb, gar nicht zur Geltung kommen, wo Menschen aufgrund ihres Geschlechtes oder der Weise ihrer Liebe als unwürdig oder sündig abgespalten werden. Vielleicht sind wir heute in unserer Kirche wieder nah an der Situation jener Menschen, von denen das Johannesevangelium berichtet: übriggeblieben hinter ängstlich verschlossenen Türen. Jetzt ist die Zeit tief durchzuatmen, die Türen weit zu öffnen und loszuziehen ohne Angst. Denn wir können die Pfingsterfahrung nicht selbst machen, wir können sie nur geschehen lassen im wirklich werden lassen jener Zusage vom Anfang: „Es werde Licht!“

Christoph Kunz, Magdeburg | Titelbild: Tür der Wallfahrtskirche in Werl, NRW

 

1 Rückmeldung

  1. Gaida sagt:

    Das klingt in keiner Weise nach der christlichen Lehre. Diese hat seit 2 Jahrtausenden feste Gebote, die keiner neuen Interpretation bedürfen.

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