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„23 Stunden Zelle – das habe ich verdient“, sagt Thomas T.

14. Januar 2021

Dass diese drei Worte „Gott, Geld und Gefängnis“ irgend ein Bezug zueinander haben könnten, wird deutlich, wenn man das neue Knast-Lesebuch aus den Justizvollzugsanstalten Fulda und Hünfeld liest. Äußerlich kommt es wie ein Schulbuch daher, doch es ist vielmehr als das. Es sind Geschichten, Zeichnungen und Anekdoten aus dem Leben. Sogar das Staatssekretariat des Vatikan sendet Grüße auf ein Schreiben eines Gefangenen um „sakramentale Vergebung“. Hinter Mauern wird gelebt und das Buch ist ein Ausdruck dafür.

Born to be wild – Geboren, um wild zu sein? So liest man im Obertitel. Sind es ausschließlich „wilde“ Männer, die es hinter Schloss und Riegel geschafft haben oder sind es Literaten und Künstler? Vielleicht beides. Das Lesebuch vermittelt es zumindest. Geld hat im Knast keine Bedeutung. Es gibt eine andere Währung und das ist der Tabak. Gott in einem angeblich gottlosen Gefängnis? Der Ort des Gefängnisses ist wie ein soziales Brennglas. Es treffen dort Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können. Häftlinge der beiden Justizvollzugsanstalten Fulda und Hünfeld haben Texte, Gedichte und selbst gemalte Bilder einfließen lassen. Benannt wurde der dritte Band bewusst nach einem Gedicht von William Ernest Henley (1849-1903). Es soll dem Anti-Apartheid-Aktivisten Nelson Mandela im Gefängnis in Südafrika Kraft und Trost gespendet haben. Die Herausgeber der Gefängnisseelsorger, Meins Coetsier und Andreas Leipold, betonen, dass Mandela „seine Verbitterung und den Hass zurückgelassen hat, weil er wusste, dass er sonst sein Leben lang gefangen bleiben würde.“ 

Das Leben ist wie ein Spiel

Handgeschriebene Texte, sinnliche, fantasievolle Zeichnungen und eine Art bunter Totenschädel des Inhaftierten Rudolph H. Dies alles drückt Sehnsucht, Erwartungen, Frust und Hoffnungen aus. Wenn das nicht wild ist! Kein Thema wird ausgelassen. Schonungslos menschliche und tiefe Gedanken. So schreibt Edgar S.: „Ich wollte gerne mit ihr schlafen. Aber nach der Erkenntnis, dass ich der Einzige war, der sexuell erregt war, steuerte ich direkt in ein großes mentales Loch.“ Manche entdecken im Schreiben und Zeichnen ein ihr Talent. Rudolph H. ist bereits 53 jahre alt. Er sitzt wegen Drogendelikten. „Es ist ein Stück Freiheit, das mir niemand nehmen kann“, sagt er und fügt hinzu: „Das Leben ist oft wie ein Spiel, es hat Regeln, bietet aber viele Möglichkeiten.“

Bewährungs- und Lebensversager

Die Möglichkeiten im Haftraum sind begrenzt. Die einzigen Kommunikationsmöglichkeiten sind der Fernseher oder ein Skype-Telefonat. Und natürlich seine eigenen Dinge aufzuschreiben oder kreativ zu zeichnen. Die Zeichnung des Haftraumes im Pappkarton erzählt davon. „Mithilfe der Bilder und Texte verarbeiten inhaftierte Menschen ihre Geschichten. Es sind Gesichter, die eher die wilde Seite betonen“, sagt Andreas Leipold. „Indem ich etwas zu Papier bringe, es ausspreche oder aufschreibe, bekommt der Inhalt eine andere Wirklichkeit, als wenn ich das nur in meinen Gedanken mache“, sagt ein Inhaftierter. Es sind nicht nur Klagen, die da aufgeschrieben werden. Es sind ebenso hoffnungsvolle Texte und Texte der „Besserung“. Thomas T. schreibt von seinem Versagen: „23 Stunden Zelle – das habe ich verdient. Ich bin Bewährung- und Lebensversager.“ Bei so viel Ehrlichkeit macht es Lust weiter zu lesen.

Themen wie „draußen“ auch

Ein kleines Stück Wirklichkeit aus der Realität der Gefängnisse wollen die Herausgeber sichtbar machen. „Es sind nicht nur wilde Kerle, sondern feinfühlige Menschen mit Fähigkeiten und Begabungen“, sagt Meins Coetsier. „Man kann die Menschen nicht reduzieren auf ihre Straftaten. Die Bilder, Geschichten und Texte geben einen Einblick in die Gedankenwelt. Und das ist sehr kostbar“, sinniert Coetsier. In den letzten Jahren haben sie schon zwei Mal ein solches Lesebuch herausgebracht mit Themen wie „draußen“ auch: Witz und Humor, Kochen und Backen und jetzt die Kunst des Ausdruckes mit Texten und Bildern. Ein Antwortschreiben des Staatssekretariats des Vatikan ist aufgrund eines Briefes eines Gefangenen an den Papst abgedruckt. „Eine sakramentale Vergebung ist aus der Distanz kaum möglich […] Der Heilige Vater schließt die Gefangenen in sein Gebet ein und erbittet für den weiteren Lebensweg Gottes reichen Segen“, so der Wortlaut in dem persönlichen Schreiben an einen Gefangenen.

Michael King

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