Junger Dokumentarfilm: Von Mauern und Freiheit.
Im 21. Jahrhundert gibt es mehr Mauern und befestigte Grenzen als je zuvor. Zugleich kämpfen viele Menschen für mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Der essayistische Dokumentarfilm „Von Mauern und Freiheit“ sucht nach Freiheit an Orten, wo man sie am wenigsten vermutet. Und begleitet Menschen in ihrem Alltag, in dem sie tagtäglich an die Grenzen ihrer Freiräume stoßen, die sie erschaffen möchten.
Der Film folgt drei ProtagonistInnen, im Frauenhaus, im Gefängnis und im Wisentgehege, bei ihren ambivalenten Aufgaben, zwischen physischen Einschränkungen und Erschaffung von Freiheit oder zumindest von Freiräumen. Der tägliche Umgang mit Mauern und Zäunen hat ihr Verständnis von Freiheit verändert. Und ebenso, wie eine Mauer nicht gut oder schlecht ist, sondern zunächst einmal neutral, so ist auch die Freiheit ein relatives Produkt menschlicher Zuschreibung.
Es werden wieder Mauern gebaut
Die Berliner Mauer war geschichtsprägend weit über die Stadtgrenzen hinaus. Teile davon sind zum Gedenken im Stadtbild Berlins erhalten. Stadtplaner Dr. Günter Schlusche führt im Film durch ihre Architekturgeschichte und kommentiert den größeren Zusammenhang. „Als die Berliner Mauer fiel, haben wir gedacht: Jetzt ist die Zeit der Mauer endgültig vorbei. Es sah ja auch eine Zeit lang so aus. Aber die reale Entwicklung ist leider Gottes anders verlaufen. Es werden wieder Mauern gebaut.“
Heike Fischer ist Sozialarbeiterin in einem Frauenhaus. Mehrmals am Tag bekommt sie Anrufe von Frauen, deren Partner körperlich oder psychisch Gewalt ausüben und somit ihre persönliche Freiheit eingrenzen. Bundesweit hat seit der Corona-Pandemie die häusliche Gewalt zugenommen, durch vermehrte Sorgen, räumliche Enge und eine unsichere Zukunft. Innerhalb der schützenden Mauern des Frauenhauses hilft die Sozialarbeiterin den Frauen, zurück in ein selbstbestimmtes, freies Leben zu finden.
Freiheit ist auch Zumutung
Doch innerhalb von Mauern Freiheit erlernen, geht das überhaupt? Diese Frage stellt Pfarrer Jönk Schnitzius. Er arbeitet seit 29 Jahren als Gefängnisseelsorger. Mauern hält er generell für sinnvoll. „Natürlich kann eine Mauer auch gut sein. Kommt darauf an, in welcher Welt ich lebe. Kommt darauf an, von wo die Gefahr kommt. Und es kommt darauf an, auf welcher Seite ich stehe.“ Innerhalb der Gefängnismauern von einem Schutzraum zu sprechen – sei es für die Gesellschaft als Schutz vor den Gefangenen, oder umgekehrt – hält er aber für vereinfacht. Für Menschen zu sorgen, die man eingesperrt hat, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, egal ob in einer Zelle oder in einem Land, wie in der DDR. Schnitzius weiß, manche Langzeitinhaftierte wollen gar nicht mehr raus. „Ich bin davon überzeugt, Freiheit ist insofern eine Zumutung, als dass sie mich nötigt, Entscheidungen zu treffen und für Entscheidungen auch die Konsequenzen zu tragen. Und von daher gibt es durchaus bei fast jedem Inhaftierten neben der Euphorie und der großen Freude auf die Freiheit eine mindestens genauso große Angst vor der Freiheit.“
Auswilderung muss vorbereitet sein
Kaja Heising arbeitet als Wildlife Managerin im Wisent-Gehege im Rothaargebirge und setzt sich für den Artenerhalt des größten Landsäugetieres Europas ein. Der Wisent war ausgestorben, bis auf ein paar vereinzelte Tiere in Zoos und Gehegen. Aus ihnen entstehen durch Zucht neue Populationen, die vor allem in Osteuropa ausgewildert werden. „Wenn man von ‚in Freiheit entlassen’ spricht, darf man sich nicht vorstellen, dass man einen Wisent hier aus dem Gehege nimmt, in einen LKW packt und den dann nach Rumänien fährt, dort die Tür aufmacht und dann ist er in Freiheit. So funktioniert das nicht. Das wäre auch für das Tier nicht fair.“
Kathleen Witt