Die Inzidenzwerte gehen zurück! Überall ist das jetzt zu spüren: Wir wollen zurück in unserer Routinen, wollen Erwartungs- und Planungssicherheit, wollen wieder ganz selbstverständlich in den Sommerurlaub fahren. Überall blitzen die Lockerungen aus den Gesetzen und Verordnungen zur Pandemie hervor. Die Impfpriorisierung ist ab Juni 2021 aufgehoben. Und die Rückkehr zur Normalität hat ja auch einen nicht zu unterschätzenden ökonomischen Nutzen, der sich in alle Bereiche hinein erstreckt und sei es nur, dass nach den Ferien die Kinder und Jugendliche wieder ganz normal zur Schule gehen und Eltern wieder aus dem Homeoffice „entlassen“ werden.
Mich beschleicht aber die Frage, ob es die „Rückkehr zur Normalität“ überhaupt gibt? Was machen wir dann, wenn wir unser altes Leben zurückhaben könnten? Bleibe ich beim Beispiel Urlaub: Wollen wir nicht gerade dann wieder aus unseren Routinen ausbrechen? Suchen wir nicht gerade dann das Abendteuer, den nicht durchstrukturierten Tag und wollen uns überraschen lassen? Ich gebe zu, das, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, war anders: Es betraf alle Menschen weltweit; es war geradezu rasant, wie die die Inzidenzwerte zweitweise anstiegen oder auch wieder fielen; und nie wurde in mein Leben und in das meiner Familie so krass durch Gesetze und Verordnungen hineinregiert wie in den letzten eineinhalb Jahren. Kurz gesagt: Das hatte noch niemand so erlebt, geschweige denn vergleichbare Erfahrungen gemacht. Und jetzt: Zurück zur Normalität?
“Forever Young” gibt es nicht
Ich habe meine Zweifel und teile diese mit uralten und nicht zuletzt auch biblischen Erfahrungen: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Oder: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ich glaube, unser Leben ist immer geprägt von Umbrüchen und Veränderungen verschiedenster Intensität. Und mein altes Leben bekomme ich nie zurück, genauso auch nicht die alte Normalität. „Forever Young“ gibt es nicht. Und ich frage mich wieder, ob das nicht auch gut so ist, weil so ja auch erst im übertragenen Sinne Bewegung möglich ist. Denn nicht alles in meinem alten Leben war gut! Und manche Gewohnheiten haben mich mehr behindert als gefördert. Und wenn ich aus diesem Blickwinkel der prinzipiellen Offenheit für neue Lebenserfahrungen auf die alten Lebensweisheiten höre, dann bekomme ich sogar Vertrauen in Veränderungen.
Sich überraschen lassen
Wie wäre es, wenn es sich so anhört: Schön, dass ich mir als Mensch so viel erdenken, wünschen und hoffen kann, aber Gott meinen Weg begleitet und auch lenkt. Schön, wenn es anders kommt, denn dann bekommt auch mein Denken eine neue Richtung, wozu ist der Kopf schließlich rund. Und schön, dass es mir nicht allein so geht, sondern ich diese Erfahrung mit allen anderen teile. Und darum will ich nicht zurück zur Normalität, sondern will mich überraschen lassen, von dem, was kommt. Und so bekommen auch diese Worte eine neue Perspektive: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Stefan Thünemann | JVA Herford