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Pandemie benutzt, um Seelsorge nicht in Gefängnisse zu lassen?

26. März 2023

Es ist eine andere Welt, in die man eintaucht, wenn man mit Sr. Petra Pfaller über ihre Arbeit als Gefängnisseelsorgerin in Brasilien spricht. Es ist eine Welt voller Waffen, Hunger und Leid. Pfaller kümmert sich um Menschen, um die sich sonst keiner kümmern will: Häftlinge. Gerade auf Heimatbesuch, berichtet sie über die Situation der Häftlinge nach der Corona-Pandemie. Zwei Jahre sei die Gefängnisseelsorge und Familienbesuche verboten gewesen. Die Arbeit von Sr. Petra Pfaller wird von den Haftanstalten nicht gerne gesehen. Sie müssen seit der Pandemie mit mehreren Verboten leben. 

Viele Einschränkungen sind geblieben. Familien hätten weniger Besuchszeit, ebenso die SeelsorgerInnen. Es ist ober nicht die Zeit, die genommen wurde, sondern die Nähe. „Früher ist man auf dem Hof mit Gefangenen zusammengesessen“, erzählt Sr. Petra. Heute trennen Gitterstäbe die GefängnisseelsorgerInnen von den Häftlingen oder schwer bewaffnete Bedienstete stehen mit im Raum. „Sie haben die Pandemie genutzt, um Kirchen und Familien weniger Zugang zu geben.“ Der Grund: „Wenn man nicht reinkommt, sieht man die Missstände weniger.“ Damit man nichts von den Zuständen mitbekomme, achtet das Personal zudem darauf, dass es In den Gesprächen rein um Religion gehe.

Militarisierung erfahren

Die einfache Frage „Wie geht es Ihnen?“ könnte schon zu viel sein. Wie Sr. Petra erzählt, haben die Gefängnisse und das ganze Land in den vergangenen Jahren unter Präsident Bolsonaro Militarisierung erfahren. „Das Gefängnispersonal sieht aus wie die Polizei in Deutschland bei schweren Demonstrationen.“ Wachpersonal mit schweren Waffen, die in die Zellen schreien. Häftlinge die auf den Knien kauernd auf den Boden sitzen, die Arme an den Kopf – keine Seltenheit. Neben Gewalt herrschen in vielen brasilianischen Gefängnissen zudem Hunger, Krankheiten und Überbelegung. Keine neue Situation, doch sie verschlimmert sich. Vor der Pandemie gaben die Familienbesuche den Häftlingen einen kleinen Lichtblick. Oft bekamen sie von ihren Angehörigen Pakete mit dem Nötigsten. Einfache Hygieneartikel und Essen. Doch damit ist nun auch Schluss. „Man kann vielleicht noch ein paar Kekse mitbringen.“ Die Korruption macht vor dem Essen in den Haftanstalten keinen Halt.

Liebe Petra, es sind schon wieder vier Jahre her, dass Du zum letzten Mal auf Heimaturlaub in Deutschland warst. Wie geht es Dir?

Im Moment genieße ich die Zeit mit meinen Eltern. Sie sind ja auch nicht mehr die jüngsten. Im Moment sind sie noch einigermaßen fit. Aber ich weiß ja nicht, wie es ihnen bei meinem nächsten Besuch gehen wird. In dem Alter kann sich die gesundheitliche Situation schnell ändern.

Was gibt es Neues aus der Gefängnisseelsorge in Brasilien?

Naja, ich warte noch auf gute Neuigkeiten. Wir hatten Wahlen und zum Glück hat Lula doch Bolsonaro als Präsidenten abgelöst. Er hat in kurzer Zeit schon viel Gutes für die Armen im Land bewirken können. Für den Strafvollzug warten wir noch auf positive Veränderungen.

Was hättest Du gerne verändert?

Man hat leider die Pandemie benutzt, um Besucher und uns von der Gefängnisseelsorge möglichst nicht mehr in die Gefängnisse zu lassen. Zunächst diente das dem Schutz der Gesundheit. Aber diese Beschränkungen bestehen zum Teil immer noch weiter. Früher konnten wir mit den Gefangenen auf dem Hof zusammensitzen. Jetzt können wir froh sein, wenn wir dem einem oder der anderen die Hand durch die Gitterstäbe reichen können. Wenn die Priester zum Gottesdienst in die Gefängnisse gehen, dann müssen sie hinter der Gitterabsperrung zelebrieren und können die Kommunion nur durch die Gitterstäbe reichen. Gespräche finden nur durch die Kostklappe in der Zellentüre statt oder wir sind zu mehreren im Besucherraum und werden von bewaffneten Mitarbeitern kontrolliert.

Warum sind sie bewaffnet?

Während der Pandemie wurden die uniformierten Bediensteten einfach zu Polizisten gemacht, die jetzt bewaffnet durch die Anstalt gehen. Sie schreien in die Zellen hinein und die Gefangenen müssen auf Knien mit den Händen hinter dem Kopf verschränkt am Boden kauern. Sie kontrollieren die Gespräche. Wir dürfen nur über Gott und Glaube sprechen. Schon die einfache Frage: „Wie geht es dir?“ kann dazu führen, dass jemand mit dem Gewehr neben dir auftaucht und dich an das einzig erlaubte Gesprächsthema erinnert. Wir reichen immer wieder Klagen ein, wenn wir von Menschenrechtsverletzungen erfahren. Und deswegen will man uns nicht mehr mit den Gefangenen sprechen lassen – natürlich ohne es offiziell ganz und gar zu verbieten.

Hut ab, dass ihr euch so für die Gefangenen einsetzt! Gibt es noch andere Folgen der Pandemie?

Ja, das ist aber eigentlich etwas Positives. Auch wir haben während dieser Zeit die Onlinetreffen entdeckt. Auf diese Weise können wir im ganzen Land ehrenamtliche MitarbeiterInnen schulen. Die tägliche Arbeit vor Ort in den Gefängnissen machen vor allem Ehrenamtliche. Vorher waren sie oft vom jeweiligen Pfarrer abhängig. Jetzt haben sie zur nationalen katholischen Gefängnisseelsorge Kontakt bekommen und werden von uns geschult. Sie können in den Onlinetreffen ihre Fragen und Schwierigkeiten äußern, sich gegenseitig Mut machen… Das ist schon eine tolle Sache. Oft stehen Ehrenamtliche irgendwo mit Handy in der Hand im Wald oder auf freiem Feld und sind mit allen anderen im Land in Kontakt. Die Onlineschulung der Ehrenamtlichen ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit geworden. Von ihnen erfahren wir von konkreten Situationen in den Gefängnissen.

Ehrenamtliche sind eine wichtige Brücke zwischen drinnen und draußen…

Während der Pandemie haben wir einen intensiveren Kontakt zu den Angehörigen bekommen. Als ihnen der Zugang zu den Gefängnissen verwehrt wurde, haben sie sich in ihrer Verzweiflung an uns gewandt. Die Verbindung zu ihnen ist uns sehr wichtig geworden.

Was machen Deine MitstreiterInnen im Moment ohne Dich?

Das geht ganz gut. Und durch die Zeitverschiebung können wir am Abend, wenn ich in Deutschland keine Termine mehr habe und meine Eltern bereits schlafen, per WhatsApp oder wie auch immer Kontakt miteinander aufnehmen.

Es hat mich sehr gefreut, dass wir uns treffen konnten. Es ist eine Bereicherung, aber es macht nachdenklich und hinterlässt Fragen, wenn man über die Gefängnisseelsorge in Brasilien hört. Alles Gute für Dich! Viel Kraft für die schwierige Arbeit in dieser Situation! Hoffentlich nimmt der neue Präsident jetzt den brasilianischen Justizvollzug unter die Lupe. Gottes Segen für euch von der Gefängnisseelsorge und für die Inhaftierten in den brasilianischen Gefängnissen.

Interview mit Sr. Petra Pfaller, Leiterin der Katholischen Gefängnisseelsorge in Brasilien.
Das Interview führte Doris Schäfer

 

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