Renate Gottschewski besucht seit 2020 ehrenamtlich Inhaftierte in der Bochumer JVA. Für sie gehören Strafe und Versöhnung zusammen. Gefangene besuchen ist eines der sieben Werke der Barmherzigkeit. Gottschewski nimmt das sehr ernst. Im Podcast erklärt sie, warum sie ihre Arbeit als Friedensarbeit versteht. Außerdem erzählt Mario, ein Gefangener, dessen Namen geändert ist, was diese Gespräche und die verschiedenen sozialen Angebote in der JVA für ihn bedeuten.
Renate Gottschewski erzählt, was ihr Antrieb ist, sich auf dieses Ehrenamt einzulassen. „Bei jeder Strafe, hat jeder von uns eine Verantwortung für die Versöhnung“, sagt sie. Sie erzählt von ihren Besuchen bei den Inhaftierten und welche Themen diese bewegen. Dabei spielt Versöhnung eine wichtige Rolle. Im persönlichen Gespräch, sei ein großes Maß an Offenheit möglich, weil sie nicht zum System Justizvollzug gehört, sondern von außen kommt. Sie ist eine Vertraute, so dass sich die Gefangenen mit persönlicheren Themen an sie wenden: Was ist Liebe? Was ist der Sinn des Lebens? Was ist Versöhnung und innerer Frieden. Die Gefangenen können in der Regel zweimal im Monat Besuch bekommen. Der Inhaftierte Mario bekommt Besuch von Freunden, Eltern und der Familie. Er freut sich auf die Zeit, wenn „das hier vorbei ist“.
Wie sind Sie dazu gekommen, dieses Ehrenamt in der JVA in Bochum aufzunehmen?
Also, wie immer im Leben sind es Zufälle. Ich bin eingeladen worden vom katholischen Seelsorger, hier in einer Reihe einen Vortrag zu halten. Und dann hat mich ein bisschen die Abenteuerlust gepackt, diesen Ort näher zu erkunden. Der zweite Ansatzpunkt ist: Ich war Schöffin. Und so, wie wir Bürgerinnen und Bürger die Verantwortung haben, beim Strafen dabei zu sein, haben wir auch die Verantwortung für eine gelingende Versöhnung.
Sie besuchen Gefangene und reden mit ihnen. Was sind so die Themen?
Mich beeindruckt die Verschiedenartigkeit der Gespräche. Die Offenheit, mit der die lnhaftierten über ihre Anliegen sprechen. Sei es jetzt, dass sie sich über etwas freuen oder dass sie traurig sind. Es sind schon sehr persönliche Dinge, insbesondere in Einzelgesprächen. Also zum Beispiel: Was ist Liebe, was ist der Sinn des Lebens?
Man denkt ja schnell: Im Gefängnis, da sitzen die harten Jungs, und es gibt wenig Raum für diese zarten Themen, die Sie gerade angesprochen haben. Aber das findet auch statt?
Ja, natürlich! Es wäre auch ein Klischee zu behaupten, je tätowierter und je härter das Äußere, umso zarter das lnnere. So ist es nicht. Der Vorteil dieses Ehrenamts ist, dass wir von außen kommen, und das schafft eine vertrauliche Situation.
Spielt auch das Thema Versöhnung eine Rolle in Ihren Gesprächen?
Ja. Versöhnung kann ja auch heißen, dass ich selber eine Situation, die nicht ausgesöhnt ist, aushalten kann. Zu lernen, diesen Konflikt auszuhalten, zu akzeptieren, dass es eben so ist, wie es ist, und mit dieser unbefriedigenden Situation trotzdem in Frieden zu leben.
Wenn Sie Heldenkräfte hätten, wie würden Sie diese nutzen?
…wie Lucky Luke schneller denken, als die Nerven hüpfen können, und schneller gute Taten vollbringen, als die Sonne Schatten werfen kann. Nein, im Ernst: Ich würde meine Heldenkraft dafür einsetzen, dass jedem Kind das Recht zusteht, geliebt zu werden. Wenn ich Heldenkräfte hätte, würde ich Kinder vor Lieblosigkeit retten.
Quelle: caritas in NRW, 1/2025 | Die Fragen stellte Nicola van Bonn
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