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Regeln von draußen hieße „Zellenoffice“ im Haftraum

26. April 2020

In einer Anstaltskirche wurde der Holzstatute kurzerhand eine Behelfs-Mund-Nasen Maske verpasst. Ein Symbol für die derzeitige Corona-Lage.

Die Corona-Krise ist in den Gefängnissen angekommen. Hohe Mauern und gesicherte Zäune können das Virus nicht aufhalten. Aber wie ist das, hinter Gittern zusätzlich einschränkende Maßnahmen wie beispielsweise das strikte Besuchsverbot zu bewältigen? „Draußen“ ist es für viele bereits seit Wochen gefühlt wie ein „großer Knast“: Ausgangsbeschränkungen, Kontakt- und Versammlungsverbot und Einschränkungen in der Religionsausübung.

Das Gefängnis ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Trotzdem ist es ein Ort „im Ort“ mit anderen Regeln und Vorschriften, offiziellen und inoffiziellen Gegebenheiten. „Es ist wie eine zwangsweise zusammen gewürfelte Wohngruppe“, sagt ein Inhaftierter, „von daher sind wir wie eine Hausgemeinschaft draußen zu behandeln. Die derzeitigen Regeln von draußen sind hier nicht eins zu eins umsetzbar.“ Abstand halten und die Hygienevorschriften gelten auch hier. An den Abteilungstüren sind große Plakate angebracht, die darauf hinweisen. In der Enge einer Justizvollzugsanstalt ist es aber nicht so einfach, Abstand zu halten. Die Unterbringung der Gefangenen erfolgt überwiegend in Einzelzellen. Der Spruch „bleib zuhause“ hieße 23 Stunden Arrest auf Zelle. Unverschuldet. Dies hält niemand auf 9 m² Raum mehrere Wochen durch. Ohne Beschäftigung schon gar nicht.

Daher läuft der Betrieb weitgehendst weiter. Der Schulunterricht, die Ausbildung und die Arbeit in den Gefängnisbetrieben sind nicht eingestellt. „Im Knast bin ich jetzt freier, weil ich weiterhin die gemeinschaftlichen Sportangebote nutzen kann“, betont ein Gefangener. Eine Arbeit, die per Computer gemacht werden könnte, gibt es nicht. Internet und Smartphone sind absolut verboten. Homeoffice wäre hinter Gittern „Zellenoffice“. Manche nennen es Zellenarbeit wie z.B. Kartons falten, aber das macht keiner wirklich gerne. Das Problem ist zudem, dass Gefangene bei Schließung von Maßnahmen oder Betrieben aus Gründen des Infektionsschutzes von einer ausgeübten Beschäftigung freigestellt werden müssen. Es wird ihnen nach bestimmten Voraussetzungen eine Billigkeitsentschädigung gewährt. Eine Lohnfortzahlung bei unverschuldetem Arbeitsausfall gibt es nicht. Für den monatlich persönlichen Einkauf ist der ohnehin kleine Verdienst für Inhaftierte wichtig.

Die sogenannten Freistunden, die jedem Gefangenen eine Stunde pro Tag zustehen, sind entzerrt worden. So treffen nicht mehr so viele Menschen aufeinander. Das Besuchsverbot von Angehörigen wird mit Skype-Telefonaten und regulären Telefongesprächen versucht aufzufangen. All dies ist akustisch und visuell überwacht. Inoffiziell kommen über den Besuch oftmals illegale Drogen in die Anstalt. Dieser Zugang ist nun gesperrt. Das Werfen von kleinen Päckchen über die Mauer hat dementsprechend zugenommen. Da die Gerichte im Notbetrieb arbeiten, kommen aktuell wenig Neuzugänge in die Straf- und U-Haft. Der Antritt einer Haftstrafe kann zudem aufgeschoben werden. Ist dies unvermeidbar, werden Zugänge erst einmal auf einer separaten Abteilung untergebracht. Dort wird durch den medizinischen Dienst eine Corona-Testung vorgenommen und ins Labor gesendet.

Sollte ein Erkrankung eines Inhaftierten auftreten, sind Quarantäne-Zellen freigehalten. Schutzausrüstungen für die Bediensteten und Plastikgeschirr stehen bereit. Unsicherheitsfaktoren sind die Bediensteten, die rein und raus kommen. Eine Behelfs-Maskenpflicht gibt es nicht. Die Bediensteten und die Fachdienste sind angehalten, die Abstandsregeln zu beachten. „Wir sehen das zwar alles im Fernsehen, was draußen abgeht, aber so richtig kann man das drinnen nicht realisieren“, sagt ein Inhaftierter. Gibt es eine Zeit nach Corona im Knast? „Bis jetzt merken wir als Gefangene wenig von der Krise, außer natürlich das absolute Besuchsverbot. Das ist schon einschneidend!“

Für die Zeit nach Corona wird geplant und vorbereitet. So werden im Besucherbereich die Tische umgestellt und Bereiche mit Plexiglas abgetrennt. „Eine absolute Sicherheit kann es auch hinter Mauern für eine mögliche Infizierung nicht geben“, sagt ein Anstaltsleiter und fügt hinzu: „Unsere Gefangenen haben außer Kontakt zu den Bediensteten keine anderen Kontakte. Das ist etwas beruhigend.“

 

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