In Corona-Zeiten und den wechselnden, manches Mal undurchsichtigen Lockerungsbestimmungen kommen immer wieder wichtige Meldungen und Eil-Nachrichten mit der Überschrift „Was Sie jetzt wissen müssen.“ Was ich nicht alles muss? Gott sei Dank gibt es (noch) Freiwilligkeit und Solidarität ohne “müssen zu müssen”. Mit Zwang kommt man nicht weit. Oder doch?
Die Überschrift verleitet einen dazu, diese Meldung sofort anzusehen. Man will ja nichts verpassen. Man muss ja wissen, was abgeht. Aber muss ich das wirklich? Muss ich wirklich den neuesten Trend mitmachen? Muss ich wirklich das neuste Auto fahren? Oder kann ich mich auch an Altem erfreuen, wenn es den Zweck erfüllt? Eine Warenhauskette mit dem Namen „Manufactum“ hat sich dies zur Aufgabe gemacht. Das alte Herkömmliche und das Bewährte sollen die Kunden neu ansprechen. Dies ist z.B. das gute Rezept für den Pott-Kuchen oder ein bestimmtes Gartengerät, das seit je her gute Dienste leistet. Das, was sich seit Generationen schon immer bewährt. In all der Unsicherheit und der Krise sowie einer immer noch anfälligen digitalen Technik vertraut man eher dem, was Bestand hat.
Muss ich wirklich immer alles wissen und mitmachen? Vielleicht ist ja auch ganz gut, Altes und Herkömmliches sowie Neues und Ungeahntes zu verbinden? In den letzten Jahren merkte man dies an dem sogenannten Retrotrip. Da wurde der VW Käfer mit neuer Technik produziert. Die Idee kam schon auf, den Trabant als Elektroauto wieder aufleben zu lassen. In der Autowelt hat sich das oft gespiegelt.
Wir tun gut daran, uns mit unseren Traditionen zu hinterfragen und zu durchleuchten, ob sie noch Bestand haben. Nicht alles was war, ist auch gut. Nicht alles was neu ist, ist auch besser. Es braucht die Balance und das Würdigen alter Schätze. Und es braucht auch den Blick auf Neues und anderen Möglichkeiten. Ich kann und darf sie nicht gegenseitig ausspielen. Nicht sofort alles mitmachen und nicht sofort alles über Bord schmeißen, was angeblich veraltet daherkommt. Dies ist Aufgabe und Herausforderung zugleich. Sich nicht Neuem zu verschließen und auch nicht Traditionelles zu verteufeln, braucht Fingerspitzengefühl und Feinsinn.
Angesichts der Corona-Pandemie ist es notwendig informiert zu sein, neue Regeln einzuhalten und umzusetzen. Doch manche schiessen auch über das Ziel hinaus. Ich darf und muss selbst entscheiden, ob ich dieses oder jenes unbedingt wissen, kaufen oder praktizieren will, um „up to date“ zu sein. “Updates” braucht es im Leben. Ob diese oder jene Veränderung weiterführt, wird sich zeigen. Ändere ich mein Verhalten mit der Androhung einer Strafe? Es braucht trotz allem immer wieder meine eigene Entscheidung. In dieser Spannung leben wir. Der eine schwört auf ein Extrem-Wandertrip mit Herausforderungen, der andere macht sich auf seinem Balkon gemütlich. Der andere will alles konservieren und wieder ein anderer alles neu erfinden. Beides kann stimmen. Doch nicht jede und jeder muss das genauso erfahren. Dies „müssen“ Sie wissen…
Michael King | JVA Herford