parallax background

Wenn Häftlingen Gefahr von draußen droht

30. März 2020

Das Coronavirus verändert den Alltag in der JVA Herford. Besuchsgespräche nur per Videotelefonie möglich. Ein Artikel von Westfalen-Blatt.

Es dürfte derzeit der sicherste Ort vor dem Coronavirus in Herford sein: die Justizvollzugsanstalt an der Eimterstraße. Aber selbst hinter den Gefängnismauern hat die unsichtbare Gefahr den Alltag verändert. Für JVA-Leiter Friedrich Waldmann ist es eine paradoxe Situation: „In diesen Zeiten geht das Risiko ja von uns aus, von den Menschen, die von draußen hier rein kommen.“ Damit das gefährliche Virus nicht den kompletten Gefängnisalltag auf den Kopf stellt, haben er und sein Team die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal erhöht – wenn auch anders als für ein Gefängnis typisch wäre.

Seit dem vergangenen Montag gibt es keine persönlichen Besuche mehr, Anwälte ausgenommen. „Das Gespräch etwa mit Angehörigen ist jetzt nur noch per Videotelefonie möglich.“ Da aber nicht alle Verwandten zu Hause über die entsprechende Technik verfügen, hat die JVA in der ehemaligen Direktorenvilla an der Eimterstraße 5, also direkt vor den Toren der JVA, zwei Computerplätze eingerichtet, über die Besucher mit den Häftlingen in den nur wenige Meter entfernten Räumen per Skype kommunizieren können. So ist eine mögliche Ansteckungsgefahr ausgeschlossen. Das aufwendige Prozedere mit der Durchsuchung am Eingang entfällt. „Die Kapazitäten an den beiden Plätzen sind natürlich deutlich begrenzt.“ Das ist problematisch: Immerhin sitzen derzeit 270 junge Männer im Alter von 14 bis 24 Jahren in der JVA ein. Insgesamt verfügt sie über 355 Plätze.

Das Gespräch mit engen Angehörigen ist in Zeiten des Coronavirus nur noch per Videotelefonie in das Gefängnis möglich.

Beeindruckt vom Ausmaß

Bei den Insassen – Waldmann spricht von „den Jungs“ – komme das Skype-Angebot gut an. „Die hatten damit gerechnet, dass sie überhaupt keinen Besuch mehr bekommen dürfen.“ Vom Ausnahmezustand vor den Toren der JVA hätten sie unmittelbar ja noch nichts mitbekommen. „Die sind schon sehr beeindruckt, welche Ausmaße das mittlerweile hat.“ Erst im Gespräch mit den Angehörigen erführen sie, wie der Virus die Freiheit der Menschen „draußen“ einschränke. Auch die Gespräche am Computer werden übrigens überwacht – optisch zumindest, nicht inhaltlich.

Obwohl keiner der Insassen bislang über Corona-Symptome geklagt habe, wirkt sich die Pandemie außerhalb der Ziegelmauern auch auf die Arbeitsangebote im Gefängnis aus. Die meisten der Jugendlichen und jungen Männer machen in einer der Werkstätten eine Ausbildung: Schlosser, Tischler, Maurer, Maler, Heizungs- und Lüftungsbauer – vieles mehr ist möglich. „Wir entzerren das Ein- und Ausrücken in die Betriebe, damit die Gefangenen nicht im Pulk kommen und gehen.“ Das gehe allerdings zu Lasten der Arbeitszeit. Unter dem Strich müssten die „Jungs“ aber nicht länger in der Zelle sitzen.

Kein Fußball, mehr Kraftsport

„Wir wollen den Betrieb so normal wie möglich halten. Das könnte natürlich anders aussehen, wenn wir hier tatsächlich einen Infizierten hätten.“ Auch die Behandlungsprogramme, etwa das Anti-Aggressionstraining, liefen ganz normal weiter. Der Gottesdienst in der Gefängniskapelle findet aber nur noch mit deutlich begrenzter Teilnehmerzahl statt, bei den Sportangeboten soll der Körperkontakt vermieden werden. „Also kein Fußball, sondern mehr individueller Kraftsport.“

Die Strategie habe man sich selbst erarbeitet, alle Maßnahmen würden aber stets mit dem Gesundheitsamt abgestimmt. Und wer neu in die JVA kommt, werde zunächst von den Mithäftlingen getrennt. Ein Abstrich ergebe dann Klarheit, ob möglicherweise eine Infektion vorliege. Erst bei einem negativen Ergebnis werde der Neuzugang in den Alltag hinter Gittern integriert. Und die gut 200 Mitarbeiter der JVA? Für sie gelten die jetzt allgemein üblichen Hygieneregeln: „Vor allem Abstand halten und immer wieder Hände waschen“. Wer Symptome zeige, werde umgehend untersucht. „Das ist schon vorgekommen.“ Noch sei aber niemand positiv getestet worden. Sollte sich doch ein Gefangener mit dem Coronavirus infizieren, „können wir hier jederzeit eine Quarantänestation einrichten“, sagt Waldmann. Kein Hexenwerk für ein Gefängnis.

Bernd Bexte | Mit freundlicher Genehmigung: Westfalen-Blatt

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert