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Rauchen gestattet. Allerdings brütende Ente in der Sitzgruppe

28. März 2024

Jedes Jahr beherbergt die Justizvollzugsanstalt Herford zwei bis drei Entenpaare, die trotz und vielleicht sogar wegen der Zäune ihre Brutzeit hinter den Mauern verbringen. Zum Nestbau wählte eine Ente jetzt neu einen Blumenkübel an der Sitzecke im Kirchengarten. Nicht ganz ideal, weil sich in unmittelbarer Nähe hier Bedienstete zum Rauchen treffen. Hinweisschilder, die auf den Umstand der Brut hinweisen, wurden an der Tür und im Garten aufgehängt. Nicht alle der Vollzugs-MitarbeiterInnen sind davon begeistert.

Um die Vermehrung der wilden Enten zu verhindern, wurde vorgeschlagen, die grünlichen Eier gegen Beton-Eier auszutauschen. Diesem Vorschlag stimmt nicht unbedingt die Mehrheit unter den Bediensteten und den Inhaftierten zu. Denn: die geschlüpften Küken geben jedes Jahr ein possierliches Bild ab. Sie durchqueren die JVA unter den Zäunen hindurch und suchen sich Futter an den Haftraum-Fenstern.

Entenkunde im Knast

Stockenten ziehen eine Brut pro Jahr groß. Die Legezeit beträgt etwa vier Wochen. Zum Brütende sitzt die Ente sehr fest auf dem Nest und verlässt sich auf ihre natürliche Tarnung. Die Entenmutter verjagt unbeliebte Besucher. Ist sie auf Futtersuche, deckt sie ihr Nest mit Daunenfedern zu. Das Weibchen brütet alleine und zieht die Küken auf. Anfangs ist der Erpel in der Nähe und wachsam. Doch das laute Knallen der schweren Stahltür sowie das Geklapper der Schlüssel schreckt die brütende Ente immer wieder auf. Die installierten Überwachungskameras können dies sehr gut beobachten. So auch die Inhaftierten im dreistöckigem Abteilungs-Flügel E an der Seite des Kirchengartens.

Nicht ganz sicherer Ort…

Man mag denken, dieser Ort des Familiennachwuchses ist einer der sichersten. Leider ist dem nicht so. In der JVA gibt es seit vielen Jahren zwei Katzen. Sie wurden angeschafft, um die Mäuse zu verjagen. Nachts auf Beutejagd schleichen sie durch die Knasthöfe. Demgegenüber sind die natürlichen Gegner die Raben, die zahlreich in der Stadt und damit auf dem Gelände der JVA umherfliegen. Sorge bereitet auch, dass die Aussaat im Garten von den Enten gefressen wird. Der Garten wurde von den Gefängnisseelsorgern angelegt. Die Therapie-Vorbereitungs-Abteilung (TVA) betreut diesen mit den Inhaftierten zusammen. Eigens hat man Abflussschächte mit einer Feinvergitterung abgesichert, damit die kleinen Entlein nicht hineinfallen können.

Hoffentlich kommt sie wieder

Die jugendlichen Gefangenen im Jugendvollzug amüsiert das Schauspiel, das sich vor ihren Fenstern abspielt. Sie sind berührt oder kommen auf andere Gedanken. Manche füttern die geschlüpften Küken. Wieder andere haben schon mal eine Decke aus der Feinvergitterung gepresst und damit ein Küken begraben. „Das ist allerdings eine absolute Ausnahme“, sagt einer der Bediensteten. „Die Bediensteten rauchen immer hier und schrecken die Ente auf“, beschwert sich ein Gefangener, der unmittelbar auf der Ebene der Sitzgruppe seinen Haftraum hat. Tatsächlich fliegt die Ente angesichts der Rauchenden aufgeregt aus ihrem Nest. Darin sind 14 Eier zu zählen. „Da müssten wir an Ostern keine Eier mehr suchen“, meint eine Sozialarbeiterin. In einem schnellen Abflug sucht die Ente über den Zaun das Weite. Hoffentlich kommt sie zurück und kümmert sich weiter um ihre Brut. Jedenfalls wird sie aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommen, als Willkommen oder eben nicht. Genau wie im wirklichen Leben.

Michael King

 

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