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Wenn aus der Frage Warum ein Wozu werden kann

22. März 2025

„Ich habe doch gesund gelebt, war nie krank – und jetzt das. Warum straft mich Gott?“, sagte mir ein Patient in der Universitäts-Klinik nach der Diagnose Krebs. „Warum ich?“ – eine Frage, die in dieser Situation nur eine unbarmherzige Frage ohne Antwort bleiben kann. Es bleibt die Annahme, dass das Leid nur von einem streng herrschenden Gott angestiftet sein kann. Wenn es aber so ist, hast du keine Chance, bist Opfer einer übermächtigen Gewalt.

In den Religionen wird diese Deutung oft gebraucht zu erzieherischen Zwecken. Dann wird aus einem bis in die Erfahrung der Nacht behütenden Gott ein drohend beobachtender, bereit jegliches Vergehen sofort zu ahnden: „Ein Auge ist’s, das alles sieht, auch was in dunkler Nacht geschieht!“. Schon Kinder bekommen solche Drohungen: wenn du nicht artig bist, bringt das Christkind keine Geschenke. Kein Wunder, wenn sie sich erwachsen geworden von einem solchen Glauben abwenden.

Gott ist nicht der eifersüchtige Strafende

Auch in Jesu Zeit galt der so genannte Tun-Ergehen-Zusammenhang als die Erklärung für schlimme Ereignisse. Das Lukasevangelium berichtet vom Entsetzen nach der Ermordung einiger Menschen, die im Tempel opfern wollten, durch König Herodes und dem Einsturz eines Turmes, wobei ebenfalls viele zu Tode kamen. Die religiöse Deutung war: alle diese Opfer müssen schwer gesündigt haben, dass Gott sie nun so straft. Statt einer hilfreichen Wegweisung und Ermutigung schafft diese Deutung nur Hilflosigkeit und Wut, und das Leid wird größer. Jesus beendet den unseligen Kreislauf, der immer einer von Gewalt und Gegengewalt ist, in der Kraft der Barmherzigkeit. Gott ist nicht der eifersüchtig Strafende, Gott ist die Liebe – das ist Jesu Credo. Er unterbricht den Kreislauf, indem er die Verantwortung wieder zurück bringt in den leidenden und suchenden Menschen selbst.

Die Umkehr, und mit ihr der neue Weg beginnt immer im eigenen Herzen. Das lässt das erfahrene Leid nicht verschwinden, aber es ermöglicht, aus der Opferhaltung herauszutreten und nach dem Wozu dieser Erfahrung zu suchen. In der Begleitung von Patientinnen und Patienten in der Klinik erfahre ich manchmal, wie eine schwere Erkrankung und auch das Sterben fragen lässt, was nun wirklich wesentlich ist im Leben. „Was würdest du heute noch tun, wenn du wüsstest, dass du morgen sterben wirst?“ ist eine Frage, die uns auch ohne Leiderfahrung in unsere Motivation zu leben führt

Ermöglichung neuer Wege

Im Lukasevangelium folgt auf das klare Nein Jesu zum Festmachen von Menschen als Opfer eines strafenden Gottes das Gleichnis vom Feigenbaum, der keine Früchte mehr trägt. Der Winzer, im Gleichnis ist mit ihm Gott gemeint, sagt: „Lass ihn dieses Jahr noch stehen: ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte…“. Gott, so das Evangelium Jesu, ermöglicht die Umkehr. Anders als es zuweilen die Praxis der Kirchen leidvoll erleben lässt, ist Umkehr also zunächst ein Geschenk Gottes und nicht eine abzubüßende Leistung des Menschen. Umkehr bedeutet, mich in das liebevolle Gehaltensein durch Gott zu lassen und so im Vertrauen neue Wege zu wagen, auch wenn sie noch undeutlich erscheinen und unsicher.

Wie wichtig wäre es in unserer Zeit, die so sehr geprägt ist von Besorgnis und Angst angesichts der Gewalt und der Kriege, sowohl das entschiedene Nein Jesu zu allen Kreisläufen von Gewalt und Gegengewalt als auch sein Freilassen des Menschen in der Ermöglichung neuer Wege zu leben? Füreinander und für sich selbst können wir ein Ansehen gewinnen, das aus dem Zutrauen des Vielleicht lebt, vielleicht wird es Früchte geben.

Christoph Kunz | Lukas 13, 1-9

 

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