Weihnachten ist das Fest der Familie. Wie geht es inhaftierten Menschen in den Gefängnissen damit? Nicht alle Gefangenen bekommen Besuch, erst recht keine Geschenke. Die Bremer Gefängnisseelsorger bringen daher Geschenktüten in die Justizvollzugsanstalt. Ein Interview des Kölner Domradio mit dem Bremer Gefängnisseelsorger Diakon Dr. Richard Goritzka.
Insgesamt verfügt die Justizvollzugsanstalt Bremen über zwei Standorte. Am Standort „Fuchsberg 3“ befinden sich die größten Gebäudeanteile. Hier sind der geschlossene Erwachsenvollzug, die Untersuchungshaft männlich und der Jugendvollzug untergebracht. Die ältesten Häuser wurden 1874 errichtet. Am „Fuchsberg 5“ befinden sich der Offene und der Frauenvollzug mit insgesamt 100 Haftplätzen. Diese Abteilungen wurden 1978 errichtet. In Bremerhaven existiert eine weitere Vollzugsabteilung im Stadtteil Lehe. Das Gebäude wurde 1916 erbaut und ist in den vergangenen Jahren umfangreich saniert worden.
Sie machen die Aktion „Weihnachtstüten“ zusammen mit Ihrem evangelischen Kollegen in der Justizvollzugsanstalt Bremen. Wie ist diese Aktion entstanden?
Es ist jetzt so etwa 15 oder 16 Jahre her. Damals haben mein Vorgänger, Pastoralreferent Dieter Ernsing, und mein evangelischer Kollege Peter Arenz mit dieser Aktion begonnen. Wir gehen in die Öffentlichkeit mit Hilfe der Medien. Über die Pfarrbriefe, über Zeitungen und gelegentlich auch über den Rundfunk bitten wir die Menschen hier in der Stadt Bremen und der Umgebung, Weihnachtstüten zu packen und sie an bestimmten Sammelpunkten abzugeben. Dort werden sie vor Weihnachten eingesammelt und ins Gefängnis gebracht.
Die Sicherheitsvorkehrungen in Gefängnissen sind hoch. Wie sieht das für diese gespendeten Weihnachtstüten aus? Was passiert, bevor die dann tatsächlich auch bei den Gefangenen landen?
Jede einzelne Tüte wird über den Scanner gebracht. Das heißt, die Tüten werden ähnlich wie Gepäck am Flughafen durchleuchtet. Die Bediensteten schauen in jede einzelne Tüte hinein, ob unerlaubte Dinge darin enthalten sind. Die Tüten werden noch einmal durch den Drogenhund untersucht. Auch er schnüffelt nach dem, was unerlaubt sein könnte. Wenn das alles geschehen ist, bringen wir die Tüten auf die Station zu den Gefangenen.
Für diese Aktion bitten Sie die Bevölkerung um Spenden. Wie ist die Resonanz? Hat sich das in Bremen in den letzten Jahren entwickelt?
Ich meine ganz gut. Als die Aktion begonnen hat, waren es so um die 100 Tüten, die von der Bevölkerung gespendet wurden. Inzwischen bekommen wir ungefähr 450 Tüten. Das sind die Zahlen der letzten Jahre. Ich möchte auch gerne betonen, dass ja nicht wir diejenigen sind, die die Tüten verschenken.
Es sind Weihnachtsgaben, die aus der Bevölkerung in die Haftanstalt gebracht werden. Wir sind sozusagen diejenigen, die diese Gaben transportieren. Wir verstehen es als eine Art Brücke von der Bevölkerung aus in die Haftanstalt hinein. Es ist auch ein kleines Signal, dass Menschen denjenigen, die straffällig geworden sind, eine Chance geben.
Was ist eigentlich in den Tüten und worauf sollten die Menschen beim Packen achten?
Zunächst ist es wichtig, dass nichts von dem, was sich in den Tüten befindet, eingepackt wird. Das macht alles nur zusätzlich Mühe. Wir bitten die Bevölkerung um Instant-Kaffee, um Marzipan oder Schokolade. Süßstoff sollte in der Tüte enthalten sein und vielleicht auch ein bisschen weihnachtliches Gebäck. In der Regel halten sich die Leute auch sehr gut daran, sodass wir mit einem Blick sehen, ob es dieser Vorgabe entspricht.
Sie sagten, sie wollen eine Brücke bauen. Wie reagieren die Gefangenen auf diese Aktion?
Mein Kollege kam gestern noch auf mich zu und sagte, dass sehr viele Gefangene außerordentlich erfreut und dankbar reagiert haben. Sie waren zum Teil wirklich gerührt. Das heißt, man kann durchaus von einer sehr positiven Wirkung sprechen. Diese Tüten werden nicht einfach nur als eine Art Selbstverständlichkeit angenommen, weil es in den letzten Jahren diese Gewohnheit und diese inzwischen ja auch erwartete erfreuliche Gabe von draußen gibt. Nein, diese Tüten werden schon noch als eine besondere Zuwendung erlebt und entgegengenommen.
Das Interview führte Carsten Döpp | domradio.de