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Weihnachtsamnestie: Gott kloppt keinen in die Tonne

15. Dezember 2022

Papst Franziskus hat um eine Weihnachtsamnestie für Gefangene gebeten. Für Pfarrer Stefan Schwarz ein richtiger und wichtiger Schritt. Weihnachten zeige den Häftlingen, dass Gott niemanden fallen lässt, sagt der Gefängnisseelsorger der JVA Rheinbach in Nordrhein-Westfalen im Interview mit domradio.de.

Was halten Sie denn von der Bitte des Papstes um eine Amnestie zu Weihnachten?

Ich halte das für gut und richtig. Aber da rennt der Papst bei uns offene Türen ein. Denn die Menschen, die zwischen Ende November und Anfang Januar sowieso entlassen worden wären, werden bei uns schon Ende November entlassen. Das nennt man dann Weihnachtsamnestie. Es macht allerdings wenig Sinn, die Menschen dann erst am 23.12. zu entlassen, sondern man entlässt sie schon etwas früher – gut einen Monat früher –, damit sie sich gegebenenfalls bei der Familie wieder einleben können, sich akklimatisieren können, Behördengänge machen können, was dann so ganz kurz vor Weihnachten irgendwie schwierig wäre.

In Deutschland und auch ganz speziell in NRW gibt es ja die Tradition eines sogenannten Gnadenerlasses oder der Amnestie zu Weihnachten schon ziemlich lange. Wie sieht es damit zum Beispiel ganz konkret in Ihrem Gefängnis aus?

Die Gefangenen, die die Kriterien erfüllen, kommen dann in den Genuss der Weihnachtsamnestie. Dazu gehört dann auch, dass der Gefangene im letzten halben Jahr keine schwerwiegende Verfehlung während des Vollzugsalltags begangen hat. Aber die meisten kommen in den Genuss und sind auch jetzt schon draußen.

Ein Justizvollzugsbeamter geht durch einen Zellentrakt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Herford. Fotos: Julia Steinbrecht, KNA

Und wie viele sind das jedes Jahr?

Das variiert sehr stark. Das kann man schlecht sagen. Die haben ja sehr unterschiedliche Strafen und Straflängen. Insofern variiert es sehr stark.

Wann werden die Gefangenen, die dann freigelassen werden, denn darüber informiert, dass sie begnadigt werden?

Die beantragen das. Das spricht sich auch herum, das ist bekannt. Dann gibt es eine Stellungnahme der Anstalt dazu. Und dann geht das Ganze seinen Gang. Die Gefangenen müssen das auch beantragen, denn – das klingt zwar komisch, aber – der Gefangene hat ein Recht darauf, bis zum Ende seine Strafe abzusitzen. Und wenn er früher raus möchte, dann muss er das beantragen. Ohne seine Zustimmung geht das nicht.

Ist die Weihnachtsamnestie auch ein Thema in Ihrer Arbeit als Seelsorger?

Weihnachten ist eher Thema bei denen, die während der Weihnachtstage weiterhin im Gefängnis bleiben müssen. Da ist natürlich in der Adventszeit und in der Weihnachtszeit ein erhöhter Gesprächsbedarf, je nachdem, wie die Inhaftierten Weihnachten früher erlebt haben. Manche sind traurig, dass sie an Weihnachten nicht zu Hause sind. Manche sind einfach froh, wenn Weihnachten vorbei ist, weil sie auch früher schon kein harmonisches Familienfest erlebt haben und mit Weihnachten gar nichts anfangen können.

Sie haben ja da den Einblick, Sie haben Kontakt zu den Inhaftierten. Wie feiert man denn im Gefängnis Weihnachten?

Die Inhaftierten sind ja in der Regel im Gefängnis noch mal eingesperrt, nämlich auf ihrer Zelle. Da gibt es für sie eigentlich nur die Möglichkeit, über das Fernsehen Weihnachtsprogramm zu empfangen. Die Gefangenen bekommen bei den Adventsgottesdiensten eine Kerze von der Seelsorge geschenkt, sodass eine kleine weihnachtliche Stimmung in der Zelle erzeugt werden kann.Und am Heiligabend verteilen mein evangelischer Mitbruder und ich Weihnachtstüten an alle knapp 600 Inhaftierten. Das ist eine logistische Herausforderung. Aber die Inhaftierten freuen sich, dass Weihnachten jemand an sie denkt und dass jemand ihnen etwas schenkt. Es gibt aber auch Inhaftierte, die sagen: Mir hat noch nie einer was geschenkt. Und dann wollen wir auch sicher sein, dass Weihnachten keiner ohne Spekulatius, ohne Kaffee, ohne Schokolade oder Printen oder ohne Tabak auf seiner Zelle sitzt.

Warum ist denn die christliche Botschaft gerade im Gefängnis vielleicht so wirksam oder auch so wichtig?

Weil die christliche Botschaft ja ist, dass Weihnachten ein Geschenk Gottes an uns Menschen ist. Das haben wir Menschen ja nicht verdient. Die Ankunft unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus haben die Menschen alle nicht verdient, sondern es ist ein Gnadengeschenk von Gott. Und wenn Menschen auf die Idee kommen: Die Gefangenen haben das gar nicht verdient, dass die Weihnachten im Gefängnis feiern, dann kann man sagen: Ja, die haben das auch nicht verdient. Aber die, die draußen sind, haben das auch nicht verdient. Kein Mensch hat sich das verdient, dass Weihnachten existiert, sondern es ist für alle Menschen – egal ob draußen in Freiheit oder drinnen im Gefängnis – ein ganz großes Gnadengeschenk Gottes. Das kann man auch im Gefängnis gut vermitteln und den Menschen dann auch Hoffnung machen und sagen: Wenn andere euch verurteilen, Gott ist derjenige, der keinen in die Tonne kloppt.

Das Interview führte Elena Hong | domradio.de

 

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